Anzeige |
|
|
Anzeige |
|
Im dänischen Valby bei Kopenhagen verstarb am 8. August einer der letzten großen Musiker der Bebop-Ära: Duke Jordan. Als Meister feinsinniger Einleitungen und vergleichsweise bedächtiger Soli inmitten der Brandung des Bebop, wurde er bei Charlie Parker bekannt. Berühmter noch als seine Pianistik wurden seine eingängigen Kompositionen.
Jeder, der glaubt, Bop sei keine sonderlich melodische Jazzrichtung, mag sich von Themen aus der Feder Duke Jordans leicht vom Gegenteil überzeugen lassen. Unvergessene Melodien, wie das viel gespielte „Jordu“, „No Problem“, „Scotch Blues“ „My Heart Skips A Beat“ und „Flight To Jordan“ sind ansprechende Ohrwürmer, die man, einmal gehört, kaum mehr vergisst und deren harmonischer Verlauf für den Improvisierenden sehr inspirierend sein können. Jordans Klavierspiel besaß große lyrische Qualitäten. Er war kein Mann der sensationsheischenden Tastenshow, „nur“ ein geschmackvoller Pianist, der bescheidenere Ausdrucksweisen bevorzugte. Entsprechend wenig bemerkt wandelte er durch die Jazzgeschichte und entsprechend wenig beachtet wurde in den Feuilletons sein Tod im Alter von 84 Jahren. Am 1. April 1922 erblickte Irving Sidney Jordan in New York City das Licht der Welt. Nach einer privaten klassischen Musikausbildung, die er ab seinem achten Lebensjahr genoss, spielte er in mehreren Swing-Bands, zunächst in der Band der Brooklyn Automotive High School. Mit dem Posaunisten Steve Pulliam trat er 1939 bei der New Yorker Weltausstellung mit einem Sextett in Erscheinung, das einen Preis gewann. Dann wirkte er bei Al Cooper’s Savoy Sultans, 1941 bei Coleman Hawkins, später bei J.J. Johnson. 1946 wirkte er an Aufnahmen des großen Trompeters Roy Eldridge mit. Der junge Musiker, der sich an Teddy Wilson und Art Tatum geschult hatte, gehörte zur ersten Garde der Bebop-Pianisten, die Thelonious Monk und Bud Powell folgten und schaffte es, sich in diesem Genre mit einem relativ eigenständigen Stil Gehör zu verschaffen. Im Gegensatz zum eloquent sprudelnden Bud Powell bevorzugte Jordan einen sparsamen, sich auf das Essentielle beschränkenden Stil. Jemand hat ihn einmal simplifizierend, doch mit einem Körnchen Wahrheit als weichere Ausgabe von Thelonious Monk bezeichnet. Die Härte Monks war ihm aber fremd. 1946 hörte Charlie Parker Duke Jordan, während er im Three Deuces beim Teddy Walters Trio spielte und engagierte ihn für sein neues Quintett, dem dann der junge Trompeter Miles Davis, der Bassist Tommy Potter und der Drummer Max Roach angehörten. Von 1947 bis zum Herbst 1948 gehörte er der Formation des führenden Bebop-Saxophonisten regelmäßig an; danach spielte er noch ab und an mit Bird. Duke Jordans bewunderungswürdige, wenige Sekunden kurze Einleitungen bei Parker wurden berühmt und oft nachgeahmt. Die wenige Sekunden währenden Intros zu „Embraceable You“ oder „Scrapple From The Apple“ sind bis heute das, woran sich die meisten erinnern, wenn von Jordan die Rede ist. Seine kurzen Einleitungen stimmten auf wunderbare Weise auf das folgende, oft dramatische Geschehen ein, die kontrastreiche Zwiesprache zwischen dem rasenden Parker und dem damals schon, mitten im Bebop, cool blasenden Miles Davis. Auch Jordans kurze Soli waren Juwelen, die ebenso klassisch geworden sind wie die Beiträge der beiden Großen, die die Musikwelt für immer veränderten. Als regulärer Pianist im Quintett des einflussreichsten Musikers der Jazzmoderne hatte er es trotzdem nicht leicht, da er Gegner in der Combo hatte, Max Roach und allen voran Miles Davis, der stets versuchte Parker zu überreden, Jordan durch einen anderen Pianisten zu ersetzen. Später betrieb Davis in seiner Autobiographie geradezu Rufmord an Duke Jordan. Dem Trompeter gefiel Jordans Klavierspielweise nicht. Doch statt es dabei zu belassen verbreitete er das Verdikt, Jordan habe gar nicht Klavier spielen können. Da das Buch in viele Sprachen übersetzt wurde und Veranstalter sich gerne auf Gedrucktes verlassen statt auf ihre eigenen Ohren, hatte Duke Jordan in den letzten Jahren seiner Laufbahn weniger Engagements – eine Tatsache, die ihn verbitterte. Übrigens war Davis’ Meinung nicht die der meisten Zeitgenossen: Charlie Parker wusste ganz genau, wen er engagiert hatte und die Kollegen achteten darauf. Fast alle jungen Musiker orientierten sich ja damals an „Bird“. Sie registrierten aber auch, wer Parker so gut begleitete. Und so kommt es, dass wir Duke Jordan nach seiner Zeit bei „Bird“ nun als Begleiter an den schwarzen und weißen Tasten auf den Platten vieler anderer Saxophonisten jener Jahre finden, darunter Sonny Stitt, Gene Ammons und wieder Coleman Hawkins. Stan Getz ließ es sich zu Beginn seiner Karriere angelegen sein, frühere Sidemen Charlie Parkers zu engagieren und so griff er gern auch auf „Birds“ Pianisten Al Haig und Duke Jordan zurück. Nachdem Jordan bereits 1949 mit Getz Aufnahmen gemacht hatte, wurde er 1952 der reguläre Pianist der Cool-Jazz-Ikone, übrigens als Nachfolger des großen Horace Silver, den Getz entdeckt hatte. 1952, als Mischehen noch ein ungewöhnliches Wagnis und in einigen Bundesstaaten noch verboten waren, heiratete er die weiße Sängerin Sheila Jordan. Sie hat oft gesagt, dass sie Charlie Parker so sehr liebte, dass sie seinen Pianisten heiratete. Die Ehe wurde 1962 wieder geschieden. Mitte 1953, als er Stan Getz verließ, schloss sich Jordan wieder für vier Monate, Roy Eldridge an. Ab 1954 legte Jordan Alben unter eigenem Namen vor. Auf ihnen zeigt sich eine Tendenz, im Laufe der Jahre immer wieder auf Eigenkompositionen zurückzugreifen und ihnen stets neue Seiten abzugewinnen. Ein Highlight in der Karriere Duke Jordans war 1959 seine Komposition der Musik zum Roger-Vadim-Film „Liaisons Dangereuses“, „Gefährliche Liebschaften“ mit Jeanne Moreau in der Hauptrolle. Allerdings ist dieses Kapitel nicht unproblematisch für seine Biographie. Die Kompositionen wurden von den Inhabern des Copyrights unter einem fiktiven Namen veröffentlicht. Jordan behauptete, für seine Arbeit nicht bezahlt worden zu sein. Außerdem wirkte er nur an einem Stück des Soundtracks, der von Art Blakeys Jazz Messengers eingespielt wurde, auch als Pianist mit. Von 1955 bis 1963 spielte Duke Jordan immer wieder sehr gerne mit dem Baritonisten Cecil Payne. 1956 kamen die beiden nach Schweden, wo sie Aufnahmen mit dem Trompeter Rolf Ericson machten. Es war eine dreimonatige Tour, die aus einer pausenlosen Folge von One-Nighters bestand. Übermäßiger Genuss von Drogen und Alkohol sind schuld daran, dass den Musikern nahe gelegt wurde, Schweden zu verlassen. In den 60er-Jahren wirkten Cecil Payne und Duke Jordan dann übrigens am erfolgreichen Theaterstück „The Connection“ mit, das um das Thema Drogenabhängigkeit kreist. Solche Probleme sind sicher nicht schuldlos daran, dass Duke Jordan in seiner Laufbahn immer wieder Rückschläge erlitt. Schon 1963 wurde ein Artikel über ihn mit „Duke Jordan: Forgotten Pianist“ betitelt. Vor allem von 1963 und 1972 klafft ein riesiges Loch in seinem sonst in Qualität und Quantität überzeugenden Schallplattenwerk. Mitte der 60er-Jahre arbeitete er als Taxifahrer und Lehrer für modernes Jazzklavierspiel. Ab 1972 stiegen aber Jordans Aktivitäten sprunghaft an. Der ab 1978 in Dänemark lebende Musiker spielte viel in Skandinavien und veröffentlichte eine Fülle von Alben auf der dänischen Marke Steeplechase, an denen, um nur einmal Drummer beispielhaft herauszugreifen, große Kollegen wie Roy Haynes, Dannie Richmond, Philly Joe Jones mitwirkten. Darunter befinden sich bezeichnenderweise Konzerte aus Japan, wo er als „Poet des Pianos“ große Popularität genoss. In gewisser Weise war Duke Jordan weit mehr Glück beschieden als anderen verkannten Giganten des Bebop-Pianos wie Dodo Marmarosa, George Wallington, Sadik Hakim oder Joe Albany, die allzu wenige Aufnahmen hinterlassen haben. Wir können froh sein, so viele Zeugnisse seiner unaufdringlichen, ausgeglichenen Kunst zu besitzen. Einige von ihnen bestehen ausschließlich aus Kompositionen aus seiner Feder, etwa die Solo-Platte „Midnight Moonlight“ oder das Chet-Baker-Album „No Problem“. Heute ist es eine Selbstverständlichkeit geworden, dass viele Musiker überwiegend Originals einspielen, doch werden sie kaum mehr Standards. Duke Jordan gehörte wirklich zu einer Handvoll Musikern der Bop-Ära, wie die heute noch aktiven Horace Silver oder Benny Golson, die ganze Konzerte mühelos mit eigenen Stücken hätten bestreiten können, ohne auf allgemein bekannte Melodien verzichten zu müssen. Auch in diesem Sinne war er einer der letzten Großen. Marcus A. Woelfle
|
|