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Arabian Aspects
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Das Festival beginnt mit einer Film-Premiere. Gezeigt wird der neue Film von Julian Benedikt, dem vielfach ausgezeichneten Regisseur von „Blue Note“, einer Dokumentation über das legendäre gleichnamige Plattenlabel. In „Play Your Own Thing“ widmet sich Benedikt der „Emanzipation“ der Europäischen Jazzlandschaft nach dem Zweiten Weltkrieg – mit viel Musik und vielen Interviews, unter anderem mit Coco Schumann, Juliette Gréco, Tomasz Stanko, Till Brönner und Louis Sclavis. Zur Premiere wird eine Menge musikalische Prominenz erwartet. Das polnische „Simply Acoustic Trio“ gibt anschließend im Quasimodo die „Hausband“ … Ebenfalls Deutschlandpremiere feiern zwei Projekte, die auf dem Filmszenario „Der Pleitejazz“ des flämischen Dichters Paul van Ostaijen beruhen. Van Ostaijen lebte 1918 bis 1921 in Berlin, wo er einerseits die Novemberrevolution, den Spartakus-Aufstand und dessen Niederschlagung erlebte und andererseits den Dadaisten begegnete, den Jazz und den Stummfilm für sich entdeckte – und in Dichtung übertrug: „Der Pleitejazz“ – entstanden 1920/21, aber erst posthum veröffentlicht – ist eine grandiose Dada-Groteske. Erst jetzt wurde das Szenario in den Niederlanden von dem Regisseur Frank Herrebout filmisch umgesetzt. Zeitgleich und unabhängig davon erfuhr es eine musikalisch-tänzerische und visuelle Bearbeitung durch Stephan-Max Wirth. Aus der gleichen Ära stammt auch Ernst Lubitschs Stummfilm-Komödie „Die Austernprinzessin“. Beim JazzFest wird die belgische Großformation Flat Earth Society die Aufführung mit Live-Musik begleiten. Gezeigt wird zudem als kontinentaleuro-päische Premiere Robert Mugges 2006 entstandener Dokumentarfilm „New Orleans Music in Exile“. Die offizielle Premiere des Films am 13. Mai dieses Jahres wurde von einem großen Benefiz-Konzert begleitet, dessen Erlöse der Tipitina’s Foundation zugutekamen, die vertriebene Musiker und ihre Familien unterstützt und Schulmusik-Programme fördert. Das JazzFest Berlin nimmt diese Idee auf und wird die Vorführung in Zusammenarbeit mit der Deutschen Jazz Föderation als Benefizaktion zu Gunsten Tipitina’s Foundation durchführen. Fürs Programm 2006 hat sich der künstlerische Leiter Peter Schulze in den Alpen umgehört. Aus der Schweiz hat er das „Wunderland“ der kalifornischen Walliserin Erika Stucky und außerdem die Grooves von Nik Bärtsch’s Ronin eingeladen. Wofür er besonders schwärmt, seit sie wieder aufgewärmt werden: die Gruppe Depart und die aktuelle Version der Alpine Aspects, bei denen Saxophonist Wolfgang Puschnig die Blaskapelle aus dem niederösterreichischen Amstetten auf den Funk-Bass von Jamaaladeen Tacuma aus Philadelphia treffen lässt.
Bernd Lhotzky ist es zu verdanken, dass Stride Piano Summit, dieser in den 20er-Jahren entstandene Pianostil, in Übersee sehr lebendig noch heute, auch in München jedes Jahr seine Gemeinde versammelt. Diesmal wird im Prinzregententheater, am 17. Oktober „the most sophisticated way of playing the fluegel“ zelebriert. Chris Hopkins, Bernd Lhotzky und Rossano Sportiello featuren dabei den Doyen des Stride, den 79-jährigen Dick Hyman, der heuer in Stuttgart die German Jazz Trophy verliehen bekommt. Von Dick Hyman sagte einmal Art Tatum, dass er einer der wenigen der Gründergeneration sei, der diesen traditionellen Stil auch ständig weiterentwickelt hat. Das verbindet ihn mit den Jungen, mit Bernd Lhotzky und Chris Hopkins. Dieser Frische ist es zu verdanken, dass die Zahl der jugendlichen Zuhörer im Publikum stetig im Wachsen begriffen ist. Alle genannten Pianisten sind ausgezeichnete Klassiker und beziehen gerne Stilistiken von dort ein, sei es einerseits die Nussknacker-Suite, die Lhotzky und Hyman im Duett „stridy“ erarbeitet haben oder Chris Hopkins, der sich gerne in der impressionistischen Klangmalerei von Duke Ellington bis Ravel orientiert. All dies geschieht mit Leichtigkeit und Transparenz und: mit viel augenzwinkerndem Humor. Die ironischen Kommentierungen im Duospiel an zwei Flügeln zwischen Lhotzky und Hyman entgehen keinem Zuhörer. Kunstgeste – Fehlanzeige. Dazu kommen dann noch die soigniert trotteligen Ansagen von Bernd Lhotzky und das Gehabe von Chris Hopkins, der sich wie ein leicht ausgeglühter und beschwipster Koloniekavalier gibt. Most elegant das Ganze, Perfektion der ganz leichten Art. Souflee!
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