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Bert Noglik, künstlerischer Leiter des Leipziger Jazzfestivals, hatte in die Runde geblickt und aus allen Himmelsrichtungen ein Programm mit viel Mut zum Risiko zusammengestellt. Das Risiko bestand einesteils in der Herbeiführung gewagter Begegnungen, mehr noch aber in der von großer Insider-Kenntnis angetriebenen Verpflichtung von Musikern, die im Moment alles andere als angesagt sind, die aber, weil sie eine Qualität zeitloser Stärke und Originalität besitzen, und gerade weil sie niemand auf der Rechnung hat, Staunen und Begeisterung auslösen.
Das galt besonders für Pierre Dörges New Jungle Orchestra. Der mittlerweile mit Staatsstipendium auf Lebenszeit privilegierte dänische Gitarrist und Komponist war in den achtziger Jahren einer der ersten großen Weltmusiker des Jazz, der seiner Faszination durch außereuropäische Kulturen, vor allem der afrikanischen, immer neue Lustschlösser baute. Dass Dörge im Moment irgendwo Headliner oder Diskussionsobjekt wäre, kann man nicht behaupten. Trotzdem, oder auch deshalb, wurde er zu einem der Höhepunkte des Festivals. Skurrile afrikanische Wechselgesänge, Zitate aus der japanischen Koto- und der südafrikanischen Kwela-Musik und aus abendländischen Chorälen sorgten für Farbe und Kurzweil, waren aber nicht so dominierend wie früher. Den Löwenanteil hatte vielmehr eine Ellington-Suite, bei der sich die Themen oft schnell in fröhlich freie Unterhaltungen auflösten, ohne Ellingtons Klangfarbenpracht aufzugeben. Über diesem Nonett solche Besetzungen sind allzu oft durch eine akademische Steifheit gefährdet schwebt ein wundervoller Humor, es verkörpert eine besondere Mischung von Leichtigkeit und Konzentration; Freiheit hat hier Lach-, keine Zornesfalten. Auch das Transitions genannte Projekt von Wolfgang Puschnig, eher ein Verlegenheitstrio, da Puschnigs Lebensgefährtin Linda Sharrock wegen Gesundheitsproblemen kurzfristig absagen musste, war ein solcher nein, eben kein Glücksfall, sondern in Planungsgesprächen entwickelter Beitrag. Der Mitbegründer des Vienna Art Orchestra hatte einen blendenden Auftritt. Sein Trio, speziell für Leipzig zusammengestellt, war glänzend eingespielt, dabei wundervoll inhomogen, da jeder sehr deutlich seine Individualität behauptete der virtuos bewegliche Schlagzeuger Christian Saalfellner, der über den Synthesizer die verrücktesten Klangbilder bis hin zu einem abenteuerlichen Orient-Mix liefernde Gitarrist Rick Iannacone und Puschnig selbst, dessen Altsaxophon selten so warm geblüht hat. Der französische Trompeter Eric Truffat hat auch eine bewegte musikalische Vergangenheit, zitierte daraus aber außer ein paar hauchigen Chet-Baker-Tönen nur die Rock-Jazz-Errungenschaften von Miles Davis aus den siebziger Jahren: sehr hübsch gespielt aber einfach zu eklektisch. Die Bremer Gruppe Swim Two Birds rahmte die schnoddrig exaltierten Texte zum ewigen Liebesfrust ihres Rezitators GU ein und spielte ohne ihn sorgsam pointiert Komponiertes von Tango-Nostalgie bis zu einer Art Kunst-Punk. Das Moscow Art Trio wurde mit seiner meisterlich geschliffenen und vitalen Verbindung von spätromantischen Spielhaltungen, slawischen Folklore-Themen, Jazzmotorik und Improvisation am überschwänglichsten gefeiert. Die norwegische Sängerin Eli Kristin Hovdseveen Hagen war in die Gruppe eingebaut worden, ein Chamäleon, das oft wie ein spitziger chinesischer Sopran klang, in der Zugabe aber dann auch ganz anders konnte. Der Traum jedes Veranstalters ist es, seinem Festival so viel eigenen Charakter zu geben, dass das Publikum seine Entscheidung zu Gunsten des Rufs einer Konzertserie fällt und nicht nur auf Grund der Namen, von denen es ja auch mal ein paar neue kennen lernen soll. Auf diesem Weg ist Leipzig wieder einen großen Schritt vorangekommen. Ulrich Olshausen
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