Anzeige

Startseite der Jazzzeitung

Anzeige

Startseite der JazzzeitungZum Archiv der Jazzzeitung (Datenbanken und pdf)Zur Rezensionsdatenbank der JazzzeitungZur Link-Datenbank der JazzzeitungClubs & Initiativen Die Jazzzeitung abonnierenWie kann ich Kontakt zur Jazzzeitung aufnehmen
 
 2000/12

 Seite 7
 berichte

 

Inhaltsverzeichnis Jazzzeitung 12/2000


Inhalt 12/2000

Standards
Editorial
News
Education
Glossar: New Orleans

jazz heute
Lobbyarbeit unter einem Logo
Vier Orte für den Jazz
Break (von Joe Viera)
Wie rentabel sind europäische Jazzfestivals?

berichte
Leipziger Jazztage
17. Ingolstädter Jazztag
Jazzfest Berlin

stadt-portrait
Festival Jazz Ost-West in Nürnberg

portrait
Vierte CD mit Helmut Kagerer und Helmut NIeberle

play back
Tropicália. Zwei Jahre, die die Musik Brasiliens verändert habe

dossier
Im Jahr 2001 wird die Jazzzeitung fünfundzwanzig

medien/service
Debatte im KIZ
Link-Tipps
Charts
Rezensionen 2000/12
Service-Pack 2000/12 als pdf-Datei ( Kurz aber wichtig, Clubadressen, Kalender, Jazz in Radio & TV Jazz in Bayern und anderswo (423 kb) )

 

Freiheit mit Lachfalten

Die Leipziger Jazztage mit unverhofften Verbindungen

Bert Noglik, künstlerischer Leiter des Leipziger Jazzfestivals, hatte in die Runde geblickt und aus allen Himmelsrichtungen ein Programm mit viel Mut zum Risiko zusammengestellt. Das Risiko bestand einesteils in der Herbeiführung gewagter Begegnungen, mehr noch aber in der von großer Insider-Kenntnis angetriebenen Verpflichtung von Musikern, die im Moment alles andere als „angesagt“ sind, die aber, weil sie eine Qualität zeitloser Stärke und Originalität besitzen, und gerade weil sie niemand auf der Rechnung hat, Staunen und Begeisterung auslösen.

Eigenständige Band-Ästhetik: Michael Gross von Swim To Birds aus Bremen. Foto: Sven Sonntag

Das galt besonders für Pierre Dörges New Jungle Orchestra. Der mittlerweile mit Staatsstipendium auf Lebenszeit privilegierte dänische Gitarrist und Komponist war in den achtziger Jahren einer der ersten großen „Weltmusiker“ des Jazz, der seiner Faszination durch außereuropäische Kulturen, vor allem der afrikanischen, immer neue Lustschlösser baute. Dass Dörge im Moment irgendwo Headliner oder Diskussionsobjekt wäre, kann man nicht behaupten. Trotzdem, oder auch deshalb, wurde er zu einem der Höhepunkte des Festivals. Skurrile afrikanische Wechselgesänge, Zitate aus der japanischen Koto- und der südafrikanischen Kwela-Musik und aus abendländischen Chorälen sorgten für Farbe und Kurzweil, waren aber nicht so dominierend wie früher. Den Löwenanteil hatte vielmehr eine Ellington-Suite, bei der sich die Themen oft schnell in fröhlich freie Unterhaltungen auflösten, ohne Ellingtons Klangfarbenpracht aufzugeben. Über diesem Nonett – solche Besetzungen sind allzu oft durch eine akademische Steifheit gefährdet – schwebt ein wundervoller Humor, es verkörpert eine besondere Mischung von Leichtigkeit und Konzentration; Freiheit hat hier Lach-, keine Zornesfalten. Auch das „Transitions“ genannte Projekt von Wolfgang Puschnig, eher ein Verlegenheitstrio, da Puschnigs Lebensgefährtin Linda Sharrock wegen Gesundheitsproblemen kurzfristig absagen musste, war ein solcher – nein, eben kein Glücksfall, sondern in Planungsgesprächen entwickelter Beitrag. Der Mitbegründer des Vienna Art Orchestra hatte einen blendenden Auftritt. Sein Trio, speziell für Leipzig zusammengestellt, war glänzend eingespielt, dabei wundervoll inhomogen, da jeder sehr deutlich seine Individualität behauptete – der virtuos bewegliche Schlagzeuger Christian Saalfellner, der über den Synthesizer die verrücktesten Klangbilder bis hin zu einem abenteuerlichen Orient-Mix liefernde Gitarrist Rick Iannacone und Puschnig selbst, dessen Altsaxophon selten so warm geblüht hat.

Der französische Trompeter Eric Truffat hat auch eine bewegte musikalische Vergangenheit, zitierte daraus aber außer ein paar hauchigen Chet-Baker-Tönen nur die Rock-Jazz-Errungenschaften von Miles Davis aus den siebziger Jahren: sehr hübsch gespielt aber einfach zu eklektisch.

Die Bremer Gruppe Swim Two Birds rahmte die schnoddrig exaltierten Texte zum ewigen Liebesfrust ihres Rezitators „GU“ ein und spielte ohne ihn sorgsam pointiert Komponiertes von Tango-Nostalgie bis zu einer Art Kunst-Punk.

Das Moscow Art Trio wurde mit seiner meisterlich geschliffenen und vitalen Verbindung von spätromantischen Spielhaltungen, slawischen Folklore-Themen, Jazzmotorik und Improvisation am überschwänglichsten gefeiert. Die norwegische Sängerin Eli Kristin Hovdseveen Hagen war in die Gruppe eingebaut worden, ein Chamäleon, das oft wie ein spitziger chinesischer Sopran klang, in der Zugabe aber dann auch ganz anders konnte. Der Traum jedes Veranstalters ist es, seinem Festival so viel eigenen Charakter zu geben, dass das Publikum seine Entscheidung zu Gunsten des „Rufs“ einer Konzertserie fällt und nicht nur auf Grund der Namen, von denen es ja auch mal ein paar neue kennen lernen soll. Auf diesem Weg ist Leipzig wieder einen großen Schritt vorangekommen.

Ulrich Olshausen
Mit freundlicher Genehmigung der Frankfurter Allgemeinen Zeitung

 

| home | aktuell | archiv | links | rezensionen | abonnement | kontakt | impressum
© alle texte sind urheberrechtlich geschützt / alle rechte vorbehalten / Technik: Martin Hufner