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Pablo Held Trio Lange ersehnt – nun liegt sie endlich vor, die erste Live-Aufnahme des Trios Held-Landfermann-Burgwinkel, aufgenommen im Jazz-Club „Bird’s Eye“, Basel. Schnörkellos, direkt und unprätentiös kommen die drei daher und spielen ausschließlich Kompositionen aus Pablo Helds Feder. Aber was heißt hier schon Kompositionen? Titel sind bei diesem Trio Schall und Rauch. Getreu ihrem Motto „auf der Suche nach Neuem müssen wir uns in unbekannte Territorien vorwagen“ beginnt die Aufnahme mit Helds „Klartraum“, in dem, während sich das Stück entwickelt, bereits Reminiszenzen an „Joni“ und „Log Lady“ einfließen, ohne Themen auszuspielen, denn „Joni“ folgt in der Mitte des Sets als eigener Titel. Selbst „Birkenhain“ ist mehr ein Gerüst als Originalkomposition, und in dem Schlusssong „Meloday“ werden wiederum Themen/Fragmente von „Corellia“ und „Meta“ aufgenommen, ohne sich zu wiederholen. Es ist mehr als mutig, sich musikalisch dergestalt zu präsentieren. Man hätte es sich leicht machen (der Band und dem Hörer) und auf bewährtes Material zurückgreifen können. Doch diese Option reizt die Musiker nicht im Geringsten. So fordern sie nicht nur sich selbst, man muss sich auch als Hörer auf dieses Spielkonzept einlassen, wird dann für das aufmerksame Hören voll belohnt. Helds massiver Einfluss in der Jazzszene ist nicht mehr wegzudenken. Er und seine Mitstreiter haben sich von Hoffnungsträgern des Genres zu absoluten Garanten in Sachen Jazz-Trio entwickelt. Respekt – davon wollen wir gerne mehr! Peter O’Mara Ohne extreme dynamische Pegel wird „My Time“ von Peter O‘Mara zu einem Hörerlebnis, das fürs introvertierte Sensorium bestimmt ist. Was nicht unbedingt Balladen-Tempo bedeutet. Denn der in Sydney (Australien) geborene, seit zwanzig Jahren in München lebende Gitarrist hat zwar eine Neigung zu lyrischem Stil, aber oft, wie beim schmeichelnden „Waltz For Vivien“, mit ironischer Distanz zum Sujet, indem gerade hier Schlagzeuger Matthias Gmelin das Dreier-Metrum geschickt verschleiert. Oder Henning Sieverts intensiviert die Wahrnehmung des Akkord-Gefüges von „Round Midnight“ durch ein verlangsamtes Bass-Rubato so, dass dieser allzu bekannte Standard von Thelonious Monk ein ganz ungewöhnliches Zeitempfinden bekommt. Typisch fürs Repertoire ist deshalb insbesondere „Maratime“, dessen Riff und Swing in sich sehr flexibel strukturiert sind: zunächst perkussiv von Tim Collins am Vibraphon vorangetrieben, dann von O‘Mara in raffinierten harmonischen Digressionen bis an die Grenzen des tonalen Zusammenhangs modifiziert. Ebenso wird die „Last Chance“ rhythmisch so weit ausgelotet, dass sie nicht als vergeblicher Wunsch, sondern fast real erscheint. Selbstsicher ist Peter O‘Maras „Movin‘ On“, nämlich in filigranen melodischen Entwicklungen, für die er mit seiner E-Gitarre nahezu unendliche und stets unerwartete Phrasierungen und Timbres bereit hat. Für solche zeitenthobenen Exkursionen ist die Besetzung dieses Quartetts ideal, weil sie mit Peter O’Mara in perfekt balanciertem Gruppensound bestens konvergiert. Paulo Morello/Tizian Jost/Erivelton Silva Seit Paulo Morello vor gut zwölf Jahren beim Zwischenstopp von einer Argentinienreise zum ersten Mal in Rio landete, hat ihn die Faszination der Stadt am Zuckerhut und ihrer Musik nicht mehr losgelassen. Maximilian Geller Die alpine Volksmusik hat es Maximilian Geller angetan. Schon auf dem Album „Alpenrosen“ von 2011 vernahm man folkloristische Klänge; der Nachfolger heißt nun „Alpenglühen“. Geblieben ist die ungewöhnliche Besetzung: Saxophonist Geller versammelt den Südtiroler Akkordeonisten Herbert Pixner, den brasilianischen Perkussionisten Marco Lobo sowie eine kraftvolle Piano-Bass-Schlagzeug-Fraktion. Aufmerksamkeit erregt vor allem der charismatisch swingende Pianist Walter Lang. In dieser Gesellschaft entdeckt Maximilian Geller, ein aus Basel stammender Wahlmünchener, die Volksmusik seiner Kindheit: Ländler und Jodler, Walzer und Wiegenlieder, die nicht das Geringste mit der schunkelnden Nostalgie eines Hansi Hinterseer zu tun haben. Von den Folklore-Melodien lässt Geller sich zu eigenen Stücken inspirieren, denen er anschauliche Titel wie „Wasserfall“ oder „Bergfex“ beigibt. Sein Spiel an Sopran- und Altsaxophon ist geschmeidig und elegant, strahlt aber manchmal eine aalglatte Perfektion aus. Es handelt sich um ein sonniges, optimistisches und eingängiges Album. Die Musik, die manchmal durchaus Ohrwurmqualität hat, rollt ohne Ecken und Kanten dahin. Wobei es wiederum ein Kunststück darstellt, aus Alpenfolklore, genuinem Jazz und Latino-Rhythmen ein stimmiges Amalgam zu schaffen. Hier gehen Akkordeon-Blues und Samba-Rhythmen Hand in Hand. Der Jodler tänzelt auf federnden Synkopen; dem weltläufigen Cha-Cha-Cha folgt ein derber bäuerlicher Tanz. Der Hörer bekommt Heimweh und Fernweh zugleich. Benjamin Garcia Quartet Bassist Benjamin Garcia versammelt in seinem Quartett tonangebende junge Jazzer vornehmlich aus der umtriebigen Kölner Szene, nämlich Christoph Möckel auf dem Saxophon sowie den überaus gefragten Pianisten Pablo Held und einen der profiliertesten Nachwuchs-Schlagzeuger aus deutschen Landen, Jonas Burgwinkel. Charlotte Ortmann Mit der Wahl ihrer beiden Mitmusiker hat die Flötistin Charlotte Ortmann Kontraste geschaffen: der tiefe, erdige Bass neben der Höhe ihres eigenen Instruments, das Drumset als Konstante in Rock- und Popmusik neben der vor allem in der klassischen Musik traditionsreichen Querflöte. Doch nicht nur in der Instrumentierung, auch stilistisch steckt die CD „Ride On“ voller Gegensätze – ein quicklebendiger Tanz durch unterschiedliche Idiome des Jazz und zeitgenössischer Jugend-Musik; Elemente aus Rock, Metal, HipHop und Drum’n’Bass treffen auf moderne Spielweisen des Jazz und jede Menge Improvisation, wobei das Rhythmische oft im Vordergrund steht. Lauter hübsche, sehr persönliche Kompositionen hat Charlotte Ortmann geschrieben, voll von Einfällen und unerwarteten Wendungen. Das Titelstück „Ride On“ beispielsweise beginnt mit einem simplen discoähnlichen Beat und einer rhythmisch variantenreichen Melodie, woraufhin ein Interlude im 7/8-Takt zu einem zweiten Melodieabschnitt im Medium-Swing überleitet. Der anschließende Soloteil beginnt im doppelten Tempo und wechselt schließlich zwischen den verschiedenen Grooves. Charlotte Ortmann nutzt die Möglichkeiten elektronischer Klangverfremdung, legt mal einen künstlich erzeugten zweiten Ton auf ihre Querflöte oder lässt sie klingen wie eine verzerrte E-Gitarre. Diese CD ist ein mutiges und vielseitiges Stück Musik einer bemerkenswerten jungen Künstlerin. Vogelperspektive Vol.4 Der Schlagzeuger Alfred Vogel braucht die urbane Hektik der Musikmetropolen nicht, um Gutes reifen zu lassen. Vom idyllischen Bregenzerwald aus zieht er die kreativen Fäden mit seinem eigenen Label Boomslang Records – und er begann vor zwei Jahren mit dem Aufnehmen von spontanen Sessions. Aus diesen wurde eine fortlaufende CD-Reihe, die er „Vogelperspektiven“ nennt. Der Titel für dieses Album „Intensivstation“ zielt auf die intensive Reibung ab, die entsteht, wenn drei kompromisslose Instrumentalisten ihre Fantasie freisetzen. Dass sowas nur ohne „Zähmung und Vorausplanung“ funktioniert, ist Alfred Vogel besonders wichtig. Also entstanden die vier langen Stücke direkt beim ersten Zusammentreffen in dieser Konstellation. Helmut Kagerer Solo Leise rauscht der Polytone im Hintergrund… Als säße man im Privatkonzert ein paar Meter vor Helmut Kagerer und seiner sehr akustisch eingefangenen Gibson-Gitarre – so klingt dieses herrlich relaxte Soloalbum. Joe Pass, Pat Martino und Kagerers einstiger Mentor Attila Zoller: Das sind Anknüpfungspunkte, von denen aus Kagerer seine ganz eigene Art entwickelt, auf nur sechs Saiten den ganzen harmonischen, melodischen und rhythmischen Reichtum des gewählten Repertoires zu entfalten. Von Zoller stammen neben der recht flott angegangenen Titelnummer „About Birds And Bees“ noch das zwischen Dreiertakt und geradem Swing changierende „Ulla’s Memory“ und das abschließende „Peace Tune“, bei dem sich Kagerer ganz an die Version hält, die er von Zollers Auftritten in Erinnerung hat. Über die fein harmonisierten Klassiker aus dem American Songbook hinaus (darunter „Someone To Watch Over Me“ und „Embraceable You“) setzt Kagerer mit Pat Martinos folkigem „Country Road“, Chaplins „Smile“ und einem wunderbaren Bach-Intro zu „My Funny Valentine“ (dritte Double aus der h-Moll-Violinpartita) kleine stilistische Akzente, um in Coltranes „Giant Steps“ richtig loszulegen: Ein Zitat aus „Moment’s Notice“ dient ihm als Sprungbrett für eine grandiose Single-Note-Kaskade, die sich in den anschließenden Akkordblöcken wieder verdichtet. Smile! Grünes Blatt Ein rumänischer Folksong, der oft mit den Worten „Foaie verde – grünes Blatt“ beginnt, wendet sich überwiegend der Natur zu – und nicht den Menschen, die in dieser Natur hausen und von ihr leben. Auf die Grundlagen des Lebens reduziert, zeigt sich auch das musikalische Rüstzeug der dreizehn Songs des Albums „Thirteen Ways“ des Schweizer Quintetts um den Kontrabassisten Dominique Girod und der rumänischen Sängerin Irina Ungureanu. Das Quintett überrascht mit nicht auf Traditionslinie liegenden Interpretationen, wie etwa in „Mult-ma-ntreaba frunzangusta“ mit dem hektisch-treibenden Beat von Bass und Gitarre. Der Song entwickelt sich zu einem niederwalzenden Dauerfeuer aus zweimal wiederholten Zeilen über ein Mädchen und seine Bereitschaft, zehn Paar Stiefel zu verschleißen, um mit dem Liebsten mitzugehen. Der Rhythmus setzt sich schnell im Kopf fest, verankert durch die steigernden Intervalle und der krachenden Trompetenfanfare zum Ende. Lajos Dudas Mit „Live at Porgy & Bess“, einem Mitschnitt aus dem Jahr 2009, schafft Lajos Dudas wieder einmal die Gratwanderung vom avantgardistischen hin zum angenehm-melodiösen Jazz. Im Opener „Soft Waves“ beginnt Gitarrist Philippvan Endert mit sphärischen Akkordklängen in der Machart eines Allan Holdsworth, die auf seltsame Weise entrückt wirken, wie von einer fernen Welt. Die mehr als fünfzehnjährige Zusammenarbeit mit Dudas ist deutlich hörbar, sein Spiel harmoniert perfekt mit dessen virtuosem Spiel, das hier von flotten Lines mit einem Hauch Klezmer zeugt. „Hommage to O.P.“ nähert sich dem Swing, Dudas zelebriert dabei gekonnt den Wechsel zwischen atonalen Gefilden und „simply Jazz“. Dennoch wirkt nichts wie ein Fremdkörper im Spiel des Trios, auch Bassist Leonard Jones sorgt mit seinem akzentuierten Spiel gelegentlich für kleine Highlights und liefert ein solides Fundament. Die Gitarre erinnert hier an Wes Montgomery, bleibt aber dennoch eigenständig. Überhaupt lässt Dudas seinen Kompagnons trotz eigener Virtuosität viel Luft zum Atmen. Neben bekannten Stücken wie „Embraceable You“ (Gershwin) und einer relaxten Version von „Night and Day“ (Porter) sticht besonders das letzte Stück ins Auge: „Back to L.A.“ bestätigt Robben Fords Satz „The Blues is a big house“. Van Endert versetzt hier mit seinem fetzigen Sound à la Scofield Fusion-Freunde in Ekstase, harmoniert aber trotzdem gut mit Dudas doppelzüngigem Spiel. Den Modernisten freut es genauso wie den Traditionalisten. Andreas Kaling „Der Mond ist aufgegangen“: Statt eines statisch grinsenden, vergreisten Sandmannes sieht man heute einen schicken schlanken Mitfünfziger im leuchtenden Erdtrabanten. Leicht gebeugt vom Gewicht seines mächtigen Instruments, eines Bass-Saxophons, bläst er uns ein ums andere Mal hinreißende Ständchen. Gewitzte Adaptionen alter Volks- und Kirchenweisen, hauptsächlich eigene Stücke und zwei Coverversionen, „Grave-yard“ der kanadischen Sängerin Feist und den im Original wie als Cover kühn groovenden Song „People“ von King Crimson – Andreas Kalings Debütalbum ist eine überwältigende Entdeckung. Ist die Tuba, vergleichbar dem Bass-Saxophon eine randständige Existenz im Chor musikalischer Tonerzeuger, schon vor rund zwanzig Jahren als Soloinstrument entdeckt worden, hat Kaling diese Aufgabe für den exotischen Tieftöner der Sax-Familie übernommen. Unter gänzlichem Verzicht auf technische Hilfsmittel bringt er den Klangreichtum und seine musikalischen Ideen überzeugend mittels Zirkularatmung, perkussiven Klappen- und einer zweiten (und dritten) gesungenen Stimme zur Geltung. Dabei offen- Orioxy Tasten, fühlen, greifen. Der helvetisch-israelische Vierer findet nachvollziehbare Handgreiflichkeiten, extravagantes Klangmaterial zu „erfinden“: Sprache. Sie erscheint relativ unspektakulär, macht jedoch den Unterschied aus zwischen vertonter Lyrik und schöpferischem Spracherfindungsreichtum. Maria de Fatima Weniger ist mehr, wie so oft! „Das Wichtigste muss gesagt werden: das, was wir an diesen Stücken schön finden.“ Maria de Fatima bekennt sich bewusst zur Reduktion. Ron Carter & Golden Striker Trio Gäbe es auf dem Album nicht den halb versteckten Hinweis, dass Ron Carter beim Jazzaldia Festival kurz vor dem Konzert den Donostiako Preis erhalten hatte, wüsste man nicht, dass diese Live-Aufnahmen mit dem Golden Striker Trio im baskischen San Sebastian 2010 gemacht wurden. Dieses kleine diskographische Versäumnis schmälert allerdings nicht das hervorragende Niveau der Musik, womit der Meisterbassist und seine kongenialen Partner Mulgrew Miller am Klavier und Russell Malone an der E-Gitarre das Publikum begeisterten.
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