Anzeige |
||
Anzeige |
|
Berlin ist dufte und eine Wolke, behaupten die Berliner. Als die Mauer fiel, wurde Berlin noch dufter, noch wolkiger, noch fantastischer: Ganz Berlin wurde nämlich ein großer Intentions-, Traum- und Planungsraum. Seitdem brodelt die Stadt vor Ideen und Projekten. Man entwirft tolle, neue Plätze, vergisst nur leider die Menschen. Man konzipiert einen Super-Bahnhof, verhunzt nur ein wenig die Architektur. Man startet hunderttausend Baustellen, weiß aber noch nicht so recht, wie es dann weitergeht. Man projektiert S-Bahn-Trassen, hat bloß keine Züge mehr. Man plant einen schicken Charité-Neubau, kriegt aber technische Details nicht in den Griff. Man plant für das internationale Fußballgeschäft, steigt aber in die Zweite Liga ab. Man erfindet ganze Wohnviertel neu, kann nur die Mieten nicht bezahlbar halten. Man forscht und filmt und fantasiert, aber kriegt keinen Flughafen gebacken. Mit der profanen Realisierung nimmt man es in Berlin eben nicht so genau. Dafür ist man Weltmeister der genialen Projekt-Initiative. Übrigens auch im Jazz. Wer ein Bandprojekt starten möchte, ein Jazz-Orchester gründen, ein Musikkonzept entwickeln, eine CD aufnehmen, findet in Berlin immer Verständnis und Unterstützung. Dafür gibt es den Kultursenat, die Kulturstiftung des Bundes, den Hauptstadtkulturfonds, den Projektfonds Kulturelle Bildung und so weiter. Planen und träumen können sie in Berlin. Nur an Auftrittsmöglichkeiten mangelt es halt. In der deutschen Provinz dagegen sind die Veranstalter immer wieder beeindruckt von den tollen Ideen aus der Hauptstadt. Für jeden Jazzmusiker führt der direkteste Weg auf die Bühne im eigenen Ort daher über Berlin: Wer in die Hauptstadt zieht und dort ein Projekt aufzieht, darf endlich im heimischen Jazzclub auftreten. Berlin ist eine dufte Wolke. Rainer Wein
|
|