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Der US-Bundesstaat Connecticut (ca. 3,5 Mio. Einwohner) grenzt direkt an New York – und die swingenden Vibrationen der Jazz-Metropole sind hier noch gut zu spüren. John Scofield und Brad Mehldau wohnen in Connecticut, Horace Silver und Thomas Chapin wurden dort geboren, auch Dave Brubeck und Jackie McLean verbrachten hier viele Jahre bis zu ihrem Tod. Am „Jackie McLean Institute of Jazz“ in Hartford, der Hauptstadt Connecticuts und nur rund 100 Meilen von New York entfernt, unterrichten heute unter anderem Kris Allen, Abraham Burton, Andy LaVerne, Eric McPherson, Jeremy Pelt und Nat Reeves. Noch näher an New York liegt die Stadt New Haven. Dort befindet sich der derzeit einzige Club in Connecticut, der ausschließlich Jazz präsentiert. Man findet ihn in der Crown Street im Altstadt-Distrikt „Ninth Square“, in einem schmucken rot-weiß gemauerten Gebäude aus dem Jahr 1905. Über der Frontseite steht noch die Inschrift „Department Fire Service No. 12“. Der Sound-Ingenieur und Jazz-Enthusiast Nick Lloyd erwarb die alte Feuerwache im Jahr 2000 von der Stadt New Haven. Nach mehrjährigem Umbau zog er 2004 mit seiner Frau selbst ein und eröffnete im Jahr darauf sein neues Tonstudio mit angeschlossener Live-Bühne. Rund 110 Quadratmeter groß ist der Jazzclub „Firehouse 12“, er bietet 75 Sitzplätze. Ein Steinway-Flügel, eine Hammondorgel, ein Wurlitzer- und ein Fender-Rhodes-Piano sowie ein Moog-Synthesizer gehören zum festen Equipment. Die Club-Bar ist für ihre Cocktails, ihr Weinsortiment und die große Auswahl an Bieren bekannt und wurde mehrfach ausgezeichnet. Das höchst angenehme Ambiente – mit Holzdecke, Bambusboden, Sofas – hat viele Fans gewonnen. Am wichtigsten aber ist natürlich das Musikprogramm. „Das Aufregendste, was heute passiert, kommt für mich von jungen Bands und Musikern, die sich nicht mehr um die stilistischen Grenzen der Vergangenheit kümmern“, sagt Nick Lloyd. „Sie trennen nicht zwischen Tradition und Avantgarde. Ich buche gerne Bands, die etwas Neues und Kreatives machen.“ Im letzten Quartal 2012 spielten im Firehouse zum Beispiel der Trompeter Taylor Ho Bynum, der Saxophonist Donny McCaslin, der Pianist Dan Tepfer, der Vibraphonist Tyler Blanton, der Geiger Mat Maneri – jeweils mit eigener Band. Auch einige Veteranen des scheuklappenlosen Musizierens waren zu hören: Fred Hersch, Michele Rosewoman, Marty Ehrlich. Multi-Bläser Ehrlich sagt: „Ich liebe es, hier zu spielen. Der Club hat echtes New-York-Feeling, die Akustik ist fantastisch. Und man findet hier viel leichter einen Parkplatz.“ Seit 2007 sorgt „Firehouse 12“ auch mit CD-Veröffentlichungen für Aufsehen. Lloyd startete damals in Kooperation mit Taylor Ho Bynum, dem heute 37-jährigen Anthony-Braxton-Schüler und höchst angesagten Trompeter, das Label „Firehouse 12 Records“. Bynums Sextett-Debüt „The Middle Picture“ und Braxtons 10-Disc-Werk „9 Compositions (Iridium) 2006“ machten den Anfang. Beide Alben schafften es bei den Jazzmagazinen gleich in die Bestenlisten des Jahres 2007. Und an beiden Alben wirkten einige der spannendsten Musiker der aktuellen Impro-Szene mit – etwa die Gitarristin Mary Halvorson oder der Saxophonist Steve Lehman. Die Kritiker griffen tief in die Jazzhistorie, um die besondere Bedeutung dieser Aufnahmen zu umreißen: „The shape of jazz to come“, schrieb The Wire über Bynums Sextett-Aufnahme. Und Jazzwise nannte den Braxton-Brocken „das Avantgarde-Äquivalent zu Miles Davis’ ‚Complete Live at the Plugged Nickel‘“. Bis Ende 2012 sind 15 Produktionen auf dem Firehouse-Label erschienen. Der Katalog ist übersichtlich, aber exquisit. Neben viel beachteten jüngeren Musikern (Tyshawn Sorey, Peter Evans) finden sich auch etablierte Bandleader wie Myra Melford und Bill Dixon. Der Label-Mitbetreiber Taylor Ho Bynum hat auf „Firehouse 12 Records“ schon drei eigene Alben draußen. Für das meiste Aufsehen sorgten aber die Veröffentlichungen der Gitarristin Mary Halvorson: Nach ihrem Firehouse-Debüt im Trio (2008) erweiterte sie die Band um zwei Bläser und hat in dieser Besetzung bereits zwei weitere Aufnahmen vorgelegt, zuletzt „Bending Bridges“ (2012). Die 32-jährige Anthony-Braxton-Schülerin und Jimi-Hendrix-Verehrerin wird schon seit einiger Zeit als wichtigste Erneuerin der Jazzgitarre gefeiert. „Viele meiner frühen Einflüsse kamen nicht von Gitarristen“, verrät Halvorson das Geheimnis ihrer Originalität. „Als ich mich in den Jazz verliebte, hörte ich vor allem Bläser, Bassisten, Schlagzeuger und Klavierspieler.“ Nicht nur Mary Halvorsons Beispiel zeigt: In New Haven hat die Zukunft des Jazz einen neuen Hafen gefunden. Hans-Jürgen Schaal
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