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Was so mancher Jazzer gar nicht oder nur ungern tut, macht Frank Möbus offenbar Spaß: über Musik quatschen. Über die meist als „seltsam“ charakterisierte Musik des „Roten Bereichs“, über die man schon deswegen trefflich quatschen kann, weil sie nicht in die üblichen Schubladen und Vergleichsmuster passt. Über seine Vorliebe für trashige, schwierige Auftrittsorte. Über Berlin, „so riesengroß und liberal“, dass man nur dort musikalisch „tun und lassen kann, was man will“. Über die Studien-Zeit in Berklee, die er nicht missen möchte, auch wenn er heute ganz andere Musik macht als damals.
Wenn es sein muss, quatscht Möbus einen ganzen Nachmittag lang über Musik. Sogar in einem stickigen Münchner Bahnhofscafé, in dem die Raumtemperatur ganz deutlich im „roten Bereich“ liegt. Dabei wirkt der Gitarrist mit den ewig langen Koteletten, dem elegant schrägen Anzug und der Kurzhaarfrisur auch nach drei, vier Interviews noch frisch. Gerade so, als ob es ihm Spaß machen würde, den Zug nach Nürnberg zu verpassen. Des Quatschens wegen. Über kaum eine deutsche Jazzband war in den vergangenen Jahren in deutschen Feuilletons so viel zu lesen wie über „Den Roten Bereich“ von Gitarrist Frank Möbus und Rudi Mahall, dem fränkischen Eric Dolphy (Bassklarinette), die sich mit ihrem neuen Schlagzeuger Oliver Bernd Steidle (für John Schröder) nun zu drei Dritteln als Berlin-Band dreier Nürnberger präsentieren können: Von der „Wiederauferstehung von ‚Trio‘ im Geiste des Jazz“ („Die Zeit“), der Verbindung zwischen Berlin/Mitte und der New Yorker Knitting Factory, bis hin zum musikalischen „Diaabend, bei dem die Bilder zu schnell durchlaufen“ (SZ), reichten die Eindrücke der Kritiken, die immer wieder auch um die paradoxe Selbsteinschätzung des Trios kreisten: „Wir spielen Songs, über die wir die Kontrolle verlieren.“ Möbus findet die meisten solcher Einordnungen „interessant“, oft auch „fundiert“. Missverstanden fühlt er sich nur, wenn „Der Rote Bereich“ als „Free Jazz“ charakterisiert wird („Absurd!“). Oder wenn der Bandname einseitig mit übergroßer Lautstärke assoziiert wird. Mit der wenig aussagekräftigen Vokabel von der „seltsamen Musik“ kann Möbus leben, auch wenn er betont, dass er es beim Komponieren und Improvisieren nicht darauf anlegt möglichst seltsam zu klingen: „Ich schreibe und spiele so wie ich empfinde – jenseits jeder stylistischen Vorstellung.“ Wenn dabei Musik heraus kommt, die für fremde Ohren „seltsam“ klingt, so ist dies für Frank Möbus O.K. Weniger O.K. fände er es, wenn „Der Rote Bereich“ so klänge, wie für ihn die meisten Jazzcombos klingen: „Wie Jazz-Coverbands, die unreflektiert versuchen, Dinge wiederzugeben, die längst passiert sind.“ Den Grund dafür sieht Möbus bereits in der Ausbildung angelegt: „Jazz ist immer eine Gratwanderung zwischen Erlernen und Abgrenzung. Viele Jazzer sind leider viel zu sehr auf ihre spielerische Entwicklung als Instrumentalisten fixiert. Es ist zwar gut, dass Jazzmusiker ihre Instrumente im Vergleich zu anderen Musikern – etwa aus dem Pop – am allerbesten beherrschen. Aber dafür beschränkt sich ihre künstlerische Entwicklung oft nur auf den Vorsatz, möglichst so wie XY zu klingen.“ Wodurch aber unterscheidet sich „Der Rote Bereich“ von „Jazz-Coverbands“? Möbus‘ Antwort darauf ist verschmitzt postmodern: „Was wir machen, ist im Detail auch nicht neu. Aber wir stellen das, was wir spielen und zitieren, in neue, überraschende Zusammenhänge. Und gehen dabei vielleicht mehr künstlerisch als musikalisch vor. Etwa so wie bildende Künstler.“ Als bildende Künstler eines zeitgenössischen Jazz schätzt Möbus musikalische Brechungen. Brechungen zwischen unterschiedlichen Stimmungen innerhalb eines Stückes wie etwa in „Feijoda De Chocos“, bei dem Mahall auf der Bassklarinette seine trockene Ironie gegen Möbus‘ Schwelgen in portugiesischer, biederer Schönheit setzt – etwa so wie die unterschiedlichen Metren, die auf der aktuellen CD „Risky Business“ bei „Mein Sportheim“ aufeinander krachen. Als Vorbilder für diese Kunst der Brechungen, die auch musikalisch immer wieder so anarcho-ironisch daher kommen kann wie die sprachverspielten Kompositions-Titel („Wer Wird Wird Wirt“, „Wo ist die 1“, „Hüpfer“), nennt Möbus Thelonious Monk und dessen „Ugly Beauty“, aber auch Arto Lindsay, „der nie das macht, was ein normaler Bossa-Nova-Produzent machen würde.“ Claus Lochbihler |
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