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Das Jahr 1965 war eines der erfreulichsten in Colemans an Aufs und Abs nicht armen Laufbahn. In gewisser Hinsicht erklomm er nach seinem Durchbruch am Ende der fünfziger Jahre nun, als 35-Jähriger, einen zweiten Gipfelpunkt seiner verspätet einsetzenden Karriere. Doch zuvor hatte er sich wie schon Rollins ein zweijähriges Sabbatical gegönnt –vorgeblich, um zwei neue Instrumente zu erlernen: Trompete und Geige. Gerade letztere handhabte er jedoch, wie auf „Snowflakes And Sunshine“ (Vol. 2) zu hören ist, derart gegen jede Konvention, dass nicht nur Lästermäuler behaupten könnten, jedes halbwegs neugierige Kind sei in der Lage, solche Klänge bei der ersten Begegnung aus einer Fiedel heraus kratzen. Für die längere Pause gab es jedoch auch ganz handfeste Gründe: Der Plattenvertrag bei Atlantic war ausgelaufen, und Coleman hatte seine Gagenforderungen, nachdem er von verschiedenen Prominenten als neuer Messias des Jazz ausgerufen worden war, in solch astronomische Höhen geschraubt, dass ihn in Amerika keiner mehr engagieren wollte. Bis 1965 hatte sich sein Ruf bis nach Europa herumgesprochen. Der alte, schwarzen Künstlern gegenüber freundlicher gesonnene Kontinent winkte mit Auftritten und einem Kompositionsauftrag: In der Fairfield Hall, Croydon (England), eröffnete im August ein Colemansches Bläserquintett namens „Sounds And Forms“ das Programm. Mit seinem neuen Trio, das schon 1962 das vorläufige Abschiedskonzert Colemans in der New Yorker „Town Hall“ bestritten hatte, ging es dann weiter; der „Evening With Ornette Coleman“ ist auf zwei wundervollen Platten festgehalten. Auf vergleichbar hohem Niveau bewegt sich der Mitschnitt der letzten zwei Abende eines Gastspiels im Stockholmer Jazzklub „Gyllene Cirkeln“, das im Dezember 1965 stattfand. Colemans Altsoli wirken in den meist sehr ausgedehnten Titeln auf die Dauer etwas eintönig – wie ein einziger, langgezogener Klagegesang, der einen Don Cherry als Kontrastfigur vermissen lässt. Dafür gerieten seine fast kindlich einfach wirkenden Kompositionen wiederum absolut originell – auch weil sie von der vielleicht besten Gruppe interpretiert wurden, die er je leitete. David Izenzon war einer der wenigen Bassisten in der Geschichte des Jazz, der mit einer so sicheren und ausgefeilten Bogentechnik brillierte, dass die auf diesem Wege erzeugten Klanglandschaften die Musik der ganzen Gruppe verwandelten – in ein Kammermusik-Ensemble, das ein – dann meist im tempo rubato gehaltenes – Stück bis in die feinsten Nuancen aushörte. Mátyás Kiss
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