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Köln hat es, Frankfurt am Main hat es, Wien hat es, Berlin braucht es. Seit dem 29. Februar kann endlich auch München auf ein eigenes Jazz-Buch verweisen. „Jazz in München von den 20er bis zu den 80er Jahren“ (Lentner´sche Buchhandlung München) erzählt die Geschichte der improvisierten Musik des 20. Jahrhundert in München. Und wie es sich für eine eigenständige wie eigenwillige Metropole gehört, haben sich in der Jazzszene der Isarmetropole im Laufe der Jahrzehnte einige individuelle Besonderheiten entwickelt, die sich so in anderen urbanen Zentren nicht abgespielt hätten und letztendlich auch nicht abgespielt haben. Gisela Kurz und Hermann Wilhelm waren über mehrere Jahre mit den Recherchen für dieses Buch beschäftigt. Anfangs ging es noch um einen Ausstellungskatalog anlässlich des 25-jährigen Bestehens des Münchner Jazzclubs Unterfahrt im Jahr 2003. Das Material, das die Autoren im Münchner Stadtarchiv, in der Monacensis Bibliothek und in vielen Interviews mit Zeitzeugen akribisch zusammengetragen haben, war schon im Vorfeld derart reichhaltig, dass sie sich spontan entschlossen, statt einem dünnen Begleitheft für diese Exposition ein Taschenbuch mit immerhin 95 Seiten herauszugeben. „Das damals in mäßiger Druckqualität erstellte Büchlein zur Ausstellung im Haidhausen Museum ‚Jazz – Treffpunkt München‘ verselbstständigte sich und wurde für zahlreiche Jazzfans wichtiges Dokument ihrer eigenen Jugendzeit in München“, erinnert sich Gisela Kurz. Einige Kapitel aus dieser Basisdokumentation wurden übernommen. Besonders die historischen Betrachtungen, wie der Skandal um die Jazzoper „Johnny spielt auf“ von Ernst Krenek im Jahr 1928, oder der Eklat um den von der Münchner Polizeidirektion kurzfristig abgesagten Auftritt von Josephine Baker nur ein Jahr später. Hermann Wilhelm, der Zeithistoriker, berichtet kurzweilig über den „Swing im Krieg“, die Goebbels Propaganda Band „Charlie And His Orchestra“ und natürlich über die Anfänge des Jazz nach 1945, wobei den amerikanischen Besatzern und ihrem Rundfunksender AFN eine besondere Rolle zukommen. Neben Portraits der Musiker Max Greger und Freddie Brocksieper, sowie der vitalen Club-Szene (Domicile, Allotria und Jenny´s Place), sind in den neuen Kapiteln einige wichtige Persönlichkeiten der Münchner Jazzszene vorgestellt. So der Pianist und Rundfunkredakteur Joe Kienemann („Jazz ist E-Musik“), dessen Öffentlichkeitsarbeit im Jazz weit über die bayerische Landesgrenze hinaus wirkt. Oder der Fotograf Josef Werkmeister („Gelungene Aufnahmen sind wie Musik zum Anschauen“). Seine qualitativ hochwertigen Arbeiten von Top Stars der Jazzszene sind in zahlreichen Büchern, Zeitschriften und auf Plattencovern verewigt. Und auch Hans Ruland, der emsige Autor, Impresario, Zeitungs- und Radiogründer erfährt eine angemessene Würdigung. Gisela Kurz, als Managerin für den Jazzschlagzeuger Harald Rüschenbaum tätig, hat sich mit viel Fingerspitzengefühl diesen Menschen genähert und ihre besondere Stellung in der Herausbildung einer eigenständigen Musikszene gewürdigt. Zudem erzählt das Buch von alltäglichen Zufällen und spannenden Begegnungen im Umfeld des Jazz. Eine liest sich in der Vorbemerkung wie folgt: „Eine mittlere Sensation aber ist dann der Besuch eines großgewachsenen älteren Herren, der sich trotz seines Alters von über 90 Jahren noch im eigenen Auto im Dezember 2003 auf den Weg zur Ausstellung im Haidhausen Museum macht. Nach genauester Betrachtung der Kapitel über die frühen 30er Jahre stellt sich der Mann als ‚Rudolf Ritter‘ vor.“ Es handelte sich um einen der wichtigsten und bis dato leider fast vergessenen Münchner Orchestermusiker zwischen 1930 und 1970. Seine Erinnerungen und Anekdoten, seine Fotos und Dokumente waren in der Folgezeit eine unschätzbare Quelle, die das Jazz-Bild der Stadt um einige wichtige kulturgeschichtliche Facetten bereichern konnte. Mit Fleiß, Sorgfalt, Mut und Hingabe haben die beiden Autoren mit ihrem interessanten und unterhaltsamen Buch ein wichtiges Stück Jazz-Geschichte Deutschlands auf sehr lebendige Weise dargestellt. Angereichert mit vielen Fotos und Plakaten, Anzeigen und einer CD („Swinging Jazz in Schwabing“, unter anderen mit Otto Weiss, Gerry Hayes, Milan Pilar und Freddy Brocksieper) schließt diese Arbeit eine bisher bestehende Lücke in der kulturhistorischen Dokumentation Münchens. Jörg Konrad |
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