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Jazzzeitung
2008/02 ::: seite 18
jazz heute
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Seine erste Gruppe gründete Manfred Schoof 1965; diese war maßgeblich
an der Entwicklung des Free Jazz in Europa beteiligt. Schoof arbeitete
mit Künstlern wie Albert Mangelsdorff, Peter Brötzmann, Mal
Waldron, Irène Schweizer, der Kenny Clarke/Francy Boland Big Band,
dem Gil Evans Orchester, den German Allstars und dem George Russell-Sextett
zusammen. Außerdem wirkte er im Globe Unity Orchestra mit. Manfred
Schoof war seit 1981 Dozent für Trompete und Jazzgeschichte an der
Kölner Musikhochschule. Er wurde 1990 Professor an der Hochschule
für Musik in Köln. Schoof ist Mitglied im Aufsichtsrat der
GEMA, Vorstandsmitglied Deutscher Komponistenverband, Präsidiumsmitglied
UDJ sowie Mitglied der DAAD-Auswahljury. Martin Hufner sprach mit dem
international und national erfolgreichen Musiker und Komponisten über
aktuelle Entwicklungen bei der GEMA und die Stellung des Jazz, über
alte Hasen und junge Probleme. Auf der Jazzmesse jazzahead stellt sich
Schoof am 19. März auf dem jazzzeitungs-Panel „Play Jazz – play
global“ aktuellen Fragen in der Jazzausbildung.
jazzzeitung: Was ist für Sie eigentlich monetär oder musikalisch
lukrativer, Ihre Tätigkeit als Jazzmusiker oder die als Komponist
für Funk, Fernsehen und Film?
Manfred Schoof: Lukrativer ist natürlich das Komponieren für
die Medien. Jazz ist leider immer noch eine Art Luxus, aber ideell der
wichtigere Teil meiner musikalischen Tätigkeit. Wenn man einmal
die Chance bekommen hat, auch was für Fernsehen oder Film zu schreiben,
dann spürt man ziemlich schnell, dass es gut ist, zumal dann das
Urheberrecht greift und dafür Sorge trägt, dass man für
das, was man geschrieben hat, ein entsprechend zustehendes Entgelt bekommt.
jazzzeitung: Gibt es besondere Schwierigkeiten,
denen sich Jazzer im Gegensatz zu anderen Musikkünstlern bei ihrer Rechtewahrnehmung
ausgesetzt sehen?
Schoof: Im Rahmen des Urheberrechtes werden sie genauso
behandelt wie alle anderen auch. Allerdings finde ich, dass im Rahmen
des Verteilungsplans
der GEMA der zeitgenössische Jazz, wie er von den heute lebenden
Musikern gespielt wird, noch immer unterbewertet ist. Wir haben
vor einigen Jahren mit sehr viel Anstrengung erreichen können, dass
es jetzt im Verteilungsplan der GEMA eine Höhereinstufung gibt,
sofern diese Musik eine gewisse künstlerische Qualität hat.
Vorher war es so, dass sie mit Schlagern oder Volksliedern gleichgestellt
war.
(Bitte lesen Sie mehr zu diesem Thema unter http://www.nmz.de/nmz/2007/12/v-verband-schoof.shtml)
jazzzeitung: Ihr Kollege Peter Brötzmann hat jüngst in einem
Gespräch mit der „Berliner Zeitung“ die Struktur der
Festivals insbesondere hier in Berlin kritisiert. Zur Programmierung
meinte er: „Wer am meisten Geld mitbringt, macht das Rennen.“ Er
meint damit die dänischen und finnischen Musiker, die offenbar eine
besondere Musikexportförderung haben. Gibt es da für die deutsche
Kulturförderung etwas zu lernen, oder ist das System nicht bankrott,
wenn es nach Geld geht?
Schoof: Geld mitbringen würde bedeuten, dass diese Leute wahrscheinlich
ihr Honorar in ihrem Land erhalten und hier umsonst auftreten können.
Das hat die Festivalveranstalter sehr erfreut. Es sind im Moment im Rahmen
der Bundesinitiative Musik Bemühungen eingeleitet worden, Ähnliches
zu installieren. Ich finde, es ist richtig, dass diese Minderheitenkunst
eine Förderung erfährt. Im Moment sieht es in einem reichen
Land wie Deutschland entsetzlich traurig aus, was diesen Zustand betrifft.
Das ist peinlich für die regionale Politik, für die Länderpolitik
wie auch für die Bundespolitik. Es muss hier möglichst schnell
etwas geschehen. Ich will hier das Beispiel der Spielstättenunterstützung
nennen, die möglicherweise Clubs die Chance gibt, Künstler
zu engagieren, die nicht von außen kommen, Geld mitbringen, sondern
die wirklich bezahlt werden müssen und sollen! Das sind die landeseigenen
Künstler, die im Nachteil sind. Deutschland ist nach wie vor eine
große Musiknation. Auch die deutschen Jazzmusiker brauchen sich
nicht verstecken hinter ihren ausländischen Kollegen. Sie sind hervorragende
Leute. Da stimme ich Peter Brötzmann völlig zu, dass dieser
Zustand unhaltbar ist.
jazzzeitung: Vielleicht ist es aber gerade
die Förderung, die den
Wettbewerb erst verzerrt. Das heißt, man müsste ein Förderungsverbot
einführen. Klaus Doldinger fragte im Rahmen einer „taktlos“-Sendung
mal, was die jungen Musiker alle hätten? Er hätte sich damals
in den 50er-, 60er-Jahren durchbeißen müssen. Alles habe er
sich selber erarbeiten müssen.
Schoof: Ich kenne das Argument von Klaus Doldinger.
Aber die Situation hat sich geändert. Die jungen Künstler heute haben es schwerer,
weil es viel mehr geworden sind. Zu meiner Zeit gab es vielleicht noch
zwei, drei Trompeter, die ähnlich spielten wie ich, aber – ich
weiß nicht, wieso – nicht so erfolgreich waren wie ich. Es
gab zwei, drei Saxophonisten, einer davon war Klaus Doldinger, es gab
noch den Gerd Dudek, Heinz Sauer, das war’s eigentlich schon. Die
große Wiese war sehr viel leerer als jetzt.
Jazzzeitung: Hatten Sie, die Generation der
Doldingers und Kowalds, es vielleicht besser als die heutigen Jazzmusiker,
die gerade am Anfang
stehen und unter einem größeren Druck stehen? Die müssen
schon mit 25 Jahren „gute“ Platten machen und Konzerte geben,
so als ob sie 90 Jahre alt wären, so als ob sie ein volles Jazzleben
hinter sich gebracht haben. Die jungen Leute kann man ja von diesem Druck
gar nicht entlasten.
Schoof: Nein, das kann man nicht und das ist ja das
Traurige. Aber das ist der Druck, der in Amerika eigentlich schon seit
Ewigkeiten vorhanden
ist. Wo die Künstler wirklich hart arbeiten müssen und wo es
ja auch eine Art von Förderung gibt. Zwar nicht in staatlicher Weise,
aber es gibt unglaublich viele Sponsoren und Förderer, wo sichtbare
Förderung der Jazzmusik und der Kunst genau wie hier auch vorhanden
ist. Nur hier haben wir die Möglichkeit, weil wir Gott sei Dank
eine andere Tradition von Kunst haben, zu sagen, warum soll der Staat
nicht auch was dazutun? Das ist nämlich was ganz anderes. Das ist
Gott sei Dank so, und wir wollen wir auch, dass das so bleibt.
Ich habe gestern Abend ein Buch gekauft: Die drei Wünsche der Jazzmusiker
von Baronin Koenigswarter. Sie hat fast alle amerikanischen Musiker gefragt: „Sag
mir mal deine drei Wünsche.“ Es war sehr interessant, das
zu lesen. Die meisten von ihnen sagten: Geld, Geld, Geld, viel Geld,
Reichtum, dass meine Frau und meine Kinder leben können. Ich würde
ihnen nicht übel nehmen, dass sie an so was denken, weil sie nur
einen Wunsch haben.
Die meisten waren auch in der Lage, das auszuformulieren, manche sagten
nur: Money, money, money oder was weiß ich. Dahinter stand eigentlich
nur der Gedanke: Wie kann ich in Ruhe und sorgenfrei meine Musik machen?
Wie kann ich mich auf meine Musik konzentrieren, ohne dass ich denken
muss: Wo kriege ich das Geld für die nächste Miete her? Das
ist der Urgedanke. Allein, weil ich sehe, wie traurig und wie notwendig
das ist, wie erbärmlich das ist für solche großen Künstler
zum Teil, auch bei Gil Evans und solchen Leuten, mit denen ich mal kurzzeitig
gespielt habe. Ich könnte auch ein Beispiel nennen, wo ich mich
gewundert habe, wie solche Leute denken. Einerseits total vergessen,
dass sie ihre Rechte für Schallplatten anmelden, andererseits ihnen
aber ein Dollar zu viel ist, um Trinkgeld zu geben.
Was aber nicht mit Geiz begründet ist, sondern mit der Tradition,
in der sie aufwachsen, das heißt mit der Behinderung, die sie Zeit
ihres Lebens ertragen mussten. Von daher der Wunsch: Ich möchte
mal so frei sein, dass ich nur die Musik machen kann, die ich machen
will und nicht irgendwas anderes. Deswegen ist das für mich auch
ein Grund dafür, dass hier in Europa, wo wir sowieso anders darüber
denken und diese Möglichkeit besteht, dass hier junge Künstler,
sofern sie dieser Sachen bedürftig sind, diese auch bekommen. Dafür,
finde ich, steht unsere Kultur.
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