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Dann kam das Saxophon, mit vergleichsweise rohem Klang, eine Kanne, wie Musiker selbst mit einem Augenzwinkern meinten, und vertrieb die Klarinette aus der Frontline des Jazz. Es war golden, protzig, hatte mehr Appeal als die Holzverwandte und wurde von den jungen Wilden gespielt, die damit einen Sturm juveniler Klangenergie entfesselten, der spätestens seit dem Bebop das Club- und Konzertleben prägt.
Sicher, einzelne Meister der alten Schule gab es weiterhin, König Goodman und seine Kronprinzen Buddy DeFranco und Jimmy Giuffre, Zenmeister Tony Scott und den ernsten Rolf Kühn, den Weichspüler Eddie Daniels und den charmanten Melodien-Plauderer Paquito D’Rivera. Feinfühligere Saxofonisten entdeckten die Bassklarinette als tiefe Stimme für sich, Eric Dolphy etwa oder auch David Murray. Schließlich setzte in den Siebzigern mit den europäischen, neumusikalisch avantgardesken Ausläufern von Portal, Sclavis, Riessler bis Trovesi und Mirabassi die Renaissance des Instruments ein, deutlich gefärbt auch vom Geklezmere eines David Krakauers oder gar Giora Feidmans. Unterm Strich aber ist die Tradition, auf die ein Musiker wie Lajos Dudas zurückgreifen kann, eine unterbrochene, heterogene, bestimmt von Sympathiewechseln über die Jahre hinweg, hinein geleitet in eine Phase des Comebacks der polystilistischen Gegenwart, die nahezu alles erlaubt, so es der Künstler denn begründen kann. Und die jemanden wie Lajos Dudas herausfordert, Stellung zu nehmen. „Die Scheibe wird zu meinen wichtigsten gehören, eine Art Statement, wie ich heute die moderne Jazzklarinette sehe. Die Betonung liegt auf Jazz!“, meint der in Budapest geborene Wahl-Meersburger und präsentiert sich auf „Jazz on Stage“ als eloquenter Erzähler mit deutlichem Augenmerk auf der Ästhetik des Klangs. Aufgenommen wurden die neun Stücke bei drei verschiedenen Gelegenheiten, im Duo mit dem Gitarristen Philipp van Endert, zum Trio erweitert um der Perkussionisten Jochen Büttner, oder auch im Quartett mit von Endert, Martin Gjakonovski am Bass und Drummer Kurt Billker. Bewusst setzt Dudas, der im Februar seinen 67. Geburtstag feierte, sich mit eigenen Kompositionen in Beziehung zu den historischen Größen des Fachs, etwa dem Blues eines Tony Scott („Vehicle“), der europäisch modernistischen Avantgarde („Fountain“), dem Postfolkoristischen („For Gabor“) oder auch dem ethnischen Schmelz à la D’Rivera („Toledo“). Auffällig sind dabei sein Gespür für die Feindifferenzierung des Tons und seine Vorliebe für mäandrierende, weit ausholende Linien, die schwerelos zwischen neumusikalischen Motiven und narrativen Momenten changieren, überhaupt sein Zugang zur Klarinette, der auf Effektehaschereien zugunsten des klaren instrumentalen Könnens verzichtet. Lajos Dudas’ Idee hinter der Kulisse des unmittelbaren Klangeindrucks ist bestimmt von einer verspielten Ehrfurcht gegenüber der musikalischen Tradition und passt damit durchaus zur barocken Fassade des Meersburger Schlosses, die er als Coverfoto für „Jazz on Stage“ gewählt hat. Letztlich geht es bei aller Kunst um die Schönheit aus der individuellen Perspektive des Kreativen. Lajos Dudas hat sie unüberhörbar zu seinem Ding gemacht. Ralf Dombrowski
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