Mal richtig die Sau rauslassen Das Schulprojekt „Bluestrings“ der Kreismusikschule Fürstenfeldbruck

Respekt: „Bluestrings“ ist ein Musikschulprojekt der besonderen Art. Zwölf Musikschülerinnen und Musikschüler musizieren unter der Leitung von Jazz-Dozent Frank Wunderer Jazz auf Streichinstrumenten. Das Ensemble der Kreismusikschule Fürstenfeldbruck gelangte durch Können, Konzerte und Reisen, durch den ersten Preis von „Jugend jazzt“ und die Aufnahme einer CD zu einer Öffentlichkeit, die an Professionalität grenzt.

Das „Turtle Island String Quartet“ – eine kalifornische Jazzstreichformation von weltweitem Format – gab Jazz-Geiger Frank Wunderer den letzten Kick zur Umsetzung seines Traums von einem Jugendjazzstreichorchester, das den treibenden Rhythmus des Jazz im zarten Streicherklang lebendig macht. Die Erwartungen an die Jugendlichen seiner vormals klassischen Ensembles waren ehrgeizig, forderte sie der Musikschullehrer für Klassische Geige doch zu ganz anderen Spieltechniken auf, integrierte perkussive Elemente und wollte, dass jeder soliert, beim Publikum „seine Visitenkarte abgibt“. Obwohl Jazz nicht der Musikstil ist, den Jugendliche für gewöhnlich nachfragen, und obwohl der Einsatz von Freizeit und Finanzen gefordert war – die Erfahrung, neue Klänge aus dem Instrument zu holen, im Rampenlicht zu stehen und die Chance zu haben, bei einem zukunftsorientierten Projekt von Anfang an dabei zu sein, überzeugte die jungen Musikerinnen und Musiker.

Was in den vier Jahren, die Wunderer mit den Jugendlichen nun zusammenarbeitet, entstanden ist, kann sich sehen lassen. Das Ensemble heimste im Jahr 2005 den 1. Platz bei „Jugend jazzt“ in Marktoberdorf ein und den 2. Platz der „Big Band Challenge“ in Erding, sowie 2006 den Kulturförderpreis des Kulturvereins Fürstenfeld. Sie waren auf zwei Italien-Tourneen unterwegs, auf namhaften Jazzfestivals in Regensburg und Koblenz sowie in Rundfunksendungen des Bayerischen Rundfunks zu Gast und lieferten 2007 ihre erste CD „Seitenwechsel / Saitenwechsel“ ab. Die zweite CD ist für den Sommer 2008 geplant.

„Bluestrings“ kooperierten in ihrer kurzen Karriere bereits wiederholt mit Jazz-Profis wie MAX.BAB und dem „Zapp String Quartet“ aus Holland. Proben und Auftritte mit den deutschlandweit bekannten MAX.­BAB sorgten nicht nur für Aufmerksamkeit und Öffentlichkeit für das gesamte Ensemble, sondern ermöglichten jedem einzelnen Jugendlichen einen Einblick in die musikalische Technik und das Leben der Berufsmusiker.

Während MAX.BAB auf Big-Band-Instrumenten jazzt und so der Kontrast zwischen dem Klangteppich des Streichorchesters und Saxophon, Piano, Kontrabass und Schlagzeug der Band im Vordergrund der Zusammenarbeit stand, trafen die „Bluestrings“ mit dem Zapp String Quartet zum ersten Mal auf ein professionelles Streichensemble, das sich auf Jazz spezialisiert hat.

Da die „Bluestrings“ während des gesamten Schuljahres auf Wunderer als Lehrer und Inspirationsquelle fixiert sind, möchte er ab und zu für Berührungen mit anderen Musikern sorgen, die den Kids aufzeigen, „dass man alles auch anders sehen kann.“

Seit September 2006 hat Wunderer eine Jazzschule für Streicher in Fürstenfeldbruck etabliert, in der nicht nur die Mitglieder der „Bluestrings“, sondern auch die jüngeren Nachwuchsorchester Unterricht in Rhythmik, Gehörbildung, Harmonielehre und Arrangement erhalten. Damit das Jugendjazzstreichorchester auch jugendlich bleibt, ist somit für Nachwuchs aus den eigenen Reihen gesorgt. Etwa zwei bis drei Konzerte bringt „Bluestrings“ pro Monat auf die Bühne, darunter auch das außergewöhnliche Konzert mit Werken nur aus eigener Feder im Februar in Puchheim. Das Konzert- und CD-Repertoire ist so gewählt, dass „die Musiker auf ihrem Instrument auch mal die Sau rauslassen können“, so Wunderer. „Traditionelle“ Streichjazzstücke von Django Reinhardt und Stéphane Grappelli wechseln sich mit Werken von Ellington, Zawinul, Lynyrd Skynyrd und sogar „Apocalyptica“ ab.

Mit Jugendlichen Jazz auf Jazz-unüblichen Instrumenten zu spielen ist gewagt – Wunderer ging das Risiko dennoch ein. Er setzte zum einen seine eigene Spielfreude am Jazz durch, zum anderen wollte er, „dass jeder lernt, sich selber auszudrücken. Im Jazz gibt es eben nicht wie in der Klassik eine amtliche Version, wie etwas zu spielen sein muss. Eben nicht, dass ich sage, das Mozart Violinkonzert gehört aber bitte so gespielt.“ Die Jugendlichen dankten es ihm mit Enthusiasmus. Die recht beschränkte Streicherjazz-Literatur ergänzen sie durch eigene Arrangements und ganze Eigenkompositionen, auch das Logo und das CD-Design wurde von Mitgliedern des Ensembles selbst entworfen. Die Identifikation mit dem Projekt geht so weit, dass einige der ehemaligen Musikschüler inzwischen selbst Jazz-Geige studieren.

Die Streicherfamilie um Bandleader und -lehrer Frank Wunderer wird im nächsten Sommer ihre zweite CD vorlegen und damit die Weiterentwicklung des Ensembles dokumentieren. Mit einer Verlängerung der bisherigen Förderung könnte das wahrscheinlich einmalige Projekt in Deutschland weiterwachsen zu einer festen Institution im süddeutschen Musikleben und Jugendlichen der Kreismusikschule aus dem kleinen Fürstenfeldbruck ein Sprungbrett sein für eine Profi-Musikkarriere.

Friederike Neermann

www.bluestrings.eu