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Jazzzeitung

2008/02  ::: seite 17

rezensionen

 

Inhalt 2008/02

Inhaltsverzeichnis

STANDARDS

Editorial / break / Nachrichten aus der Jazzszene / kurz, aber wichtig / Die Abenteuer des Werner Steinmälzl, Teil 2


TITEL - With a little help
Die Münchner Unterfahrt feiert 30-jähriges Bestehen


DOSSIER
- Die Abstraktion des Blues
Die Bebopper komponierten die Zukunft • Von Hans-Jürgen Schaal

Berichte
39. Internationale Jazzwoche Burghausen // Sidsel Endresen trifft bei „Humcrush“ auf ein Duo der Extreme // „Women in Jazz“ in Halle (Saale) 2008 // Klima Kalima gewinnt den MVV Energie Bandpreis 2008 // Die 7. Cologne Jazz Night der Hochschule für Musik Köln // Stimmenfang Festival Nürnberg 2007 // Südtirol Jazzfestival Alto Adige im Juni 2008


Portraits

Das Schulprojekt „Bluestrings“ // Der Gitarrist Andreas Dombert // Der Klarinettist Lajos Dudas // Benjamin Schaefer // Sänger Michael Schiefel in New York


Jazz heute und Education
Manfred Schoof im Interview zu Jazzförderung und Urheberrecht // Newburgh, USA: der Percussionist Jeff Haynes unterrichtet Senioren //
Oscar Petersons Solo über „Alice In Wonderland“

… und mehr im Inhaltsverzeichnis

 

Jazz hinter dem eisernen Vorhang

S. Frederick Starr und William Minor untersuchen ein brisantes Thema

 

Richard Cook’s Jazz Encyclopedia, Penguin Books London, 687 Seiten

Richard Cook, zusammen mit Brian Morton Autor des monumentalen „Penguin Guide to Jazz on CD“ (1.506 Seiten), hat ein Jazzlexikon im Taschenbuchformat verfasst, das sich sehen lassen kann. Viele Nicht-Amerikaner werden berücksichtigt (ein bisschen zu viele Engländer) und viele, die den meisten Lesern ganz unbekannt sein dürften: von Kaoru Abe bis Bojan Zulfikarpasic. Und es gibt auch vernünftigerweise Einträge (in Auswahl) über Plattenfirmen und -produzenten, Ensembles, Kritiker, Veranstalter, Clubs, Festivals, Diskografien und Begriffe (nicht immer überzeugend definiert). Schließlich gehören sie alle zum Jazz dazu.
Es geht dem Autor in erster Linie um die Besprechung von Aufnahmen (und er scheint sie alle zu kennen – was muss der Mann für eine Pla tensammlung haben!). Oft bedauert er, wenn es von einem Musiker zu wenige gibt. Zweimal entgleiten ihm Daten: nicht Randy, sondern Michael Brecker starb am 13. Januar 2007, und Frank Capp wurde zehn Jahre früher als angegeben geboren, sonst wäre er schon mit zehn Jahren Schlagzeuger von Stan Kenton gewesen. Das ändert natürlich nichts daran, dass dies ein sehr nützliches Buch ist.

S. Frederick Starr: Red & Hot – The Fate of Jazz in the Soviet Union 1917-1991. With a new chapter on the final years, Limelight Editions New York, 391 Seiten

Die Geschichte des Jazz in der Sowjetunion war ein ständiges Auf und Ab. Je nach der politischen Wetterlage wurde der Jazz abwechselnd verdammt und geduldet. Die Behörden wussten nicht, wie sie mit ihm umgehen sollten. Mal galt er als zu bürgerlich, mal als die proletarische Musik, nach der man suchte. Musiker, die ihn gerne spielten, gab es seit den 20er-Jahren, aber sie hatten immer mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen. Das galt beispielsweise auch für Instrumente und Noten. Saxophone wurden in der Sowjetunion nicht hergestellt, Trommeln und Cymbals nur für Militärkapellen, Trompeten mit Pumpventilen waren unbekannt. Themen und Arrangements mussten von Platten abgeschrieben werden, die wiederum, wie die Instrumente, von Reisenden aus dem Ausland hereingebracht wurden. Manche Platten wurden später illegal auf dickes Röntgenfilmmaterial geschnitten (ich habe eine solche Kopie 1973 in Leningrad gesehen). Ab 1955 wurden dann Sendungen von Willis Conover („Voice of America“) auf Tonband mitgeschnitten (falls nicht die sowjetischen Störsender den Empfang unmöglich machten). Amerikanische Ensembles, die als Vorbilder hätten dienen können, kamen nur sehr selten in die UdSSR (zwischen 1926 und 1959 überhaupt keine). Erst ab Mitte der 60er-Jahre wurde die Situation für den Jazz langsam besser.
S. Frederick Starr, amerikanischer Historiker und Jazzmusiker, hat darüber ein bemerkenswertes Buch geschrieben, wobei er reichhaltiges russisches Quellenmaterial heranzog, dazu viele Interviews. Sehr zu empfehlen!

William Minor: Unzipped souls - A Jazz Journey through the Soviet Union, Temple University Press Philadelphia, 226 Seiten

Eine hervorragende Ergänzung zu Frederick W. Starrs Buch, das man vorher gelesen haben sollte. William Minor, Journalist, Dozent und Jazzmusiker, berichtet von einer Reise zusammen mit seiner Frau Mitte 1990 in die damals schon Auflösungserscheinungen zeigende Sowjetunion. Zunächst ging es zum 1. Int. .Jazz Festival Moskau, dann nach Leningrad, Petrozavodsk, Tallin, Riga (auch hier ein Festival), Kiew, Odessa, Jalta, Tiblisi (Tiflis) und nochmals Leningrad. Mit über 1.000 Minuten Interviews (Musiker, Kritiker, Fans), mit vielen CDs, Fotos, Plakaten und Pressemitteilungen, und mit zahlreichen unvergesslichen Eindrücken, über die er sehr anschaulich schreibt, kehrte er in die USA zurück.
Ihn begeistert vor allem die wilde, dunkle und rebellische Form des russischen Jazz, und so gehört etwa der Pianist Sergei Kuriokhin zu seinen Lieblingsmusikern. Gespräche mit ihm und vielen anderen (darunter auch mit den Kritikern Alexei Batashev, Vladimir Feyertag und Valter Ojakäär (Schreibweisen aller Namen wie im Buch) vermitteln ein differenziertes Bild von den Gedanken, Plänen und Sorgen der Musiker. Sie wollen mehr spielen, auch in den USA (manche hatten es bis dahin schon geschafft, manche lebten bereits dort wie der Saxophonist Igor Butman), sie leiden oft unter einem Mangel an gleichwertigen Partnern, und auch darunter, dass es kein wirkliches Zentrum gibt wie London oder Paris, wohin man einfach übersiedeln und mehr oder weniger regelmäßig Arbeit finden kann. Es besteht kaum eine Clubszene, und – ein Charakteristikum des ganzen osteuropäischen Jazz – es fehlt an erstklassigen Rhythmusgruppen (vor allem an wirklich guten Schlagzeugern). Doch sie leben in und mit dieser Musik, deren Möglichkeiten, vor allem in der Improvisation, sie faszinieren und die sie immer wieder aufs Neue ausloten. Wie schade daher, dass auch dieses Buch (wie das von Starr) keine Begleit-CD enthält. Wa­rum gibt es übrigens in der Jazzliteratur so wenige Reiseberichte?

Jos Willems: All of me – The Complete Discography of Louis Armstrong, The Scarecrow Press Inc. Lanham USA, 447 Seiten

Diese in Umfang und Inhalt unter den bisherigen Jazz-Diskografien wohl einmalige Veröffentlichung löst das bisherige Armstrong-Standardwerk des Finnen Hans Westerberg von 1981 ab. Jos Willems (Belgien) stützt sich zwar auf Westerberg, hat aber zusammen mit vielen Mitarbeitern alles nachgeprüft, gegebenenfalls korrigiert und dazu schier unendlich viele weitere Informationen eingearbeitet. So haben wir nun ein Verzeichnis sämtlicher veröffentlichter Studio-, Konzert-, Rundfunk- und Filmaufnahmen Louis Armstrongs von 1923 bis 1971 vor uns, mit Besetzung, Aufnahmedatum und Ort sowie mit genauen Angaben, auf welchen Tonträgern in welchem Land jeder Titel erschienen ist (Schellack, 45er, LP und CD), bei den Filmaufnahmen auch Video und DVD. Dazu kommt ein Titel- und ein Musiker/Sänger-Register sowie ein Verzeichnis der Besetzungen von Louis Armstrongs eigenen Bands (1935–71). Eine mustergültige Arbeit.

Joe Viera

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