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Horace Silver Ein Live-Album von Horace Silver, das allein schon ist eine Rarität! Der Grund wird nach dem Genuss dieser bislang unveröffentlichten Aufnahmen aus vom Newport Jazz Festival des Jahres 1958 klar. Ein typisches Blue-Note-Silver-Album ist ein Nonplusultra an Vollkommenheit: jedes Detail stimmt bei diesem unerschöpflich kreativen Mitbegründer des Hard Bop; überall waltet die Hand eines überragenden, planvollen Klangdramaturgen. Damit kann diese Entdeckung nicht dienen: sie könnte aufnahmetechnisch besser sein, das Quintett ist erst nach fünf Minuten wirklich beisammen und in Fahrt... Doch oft machen Live-Aufnahmen trotz kleiner Schönheitsfehler, die einfach zum Leben dazugehören, außerordentlich Spaß. Horace Silver, live keinen Deut weniger überzeugend als im Studio, schüttelt, vom Bassisten Gene Taylor und dem Drummer Louis Hayes assistiert, sehr inspirierte Soli aus dem Handgelenk. Jeder Ton sitzt mit zwingender Notwendigkeit an seinem Platz. Man bezeichnete sie als klassisch, wären sie seinerzeit erschienen. Der Trompeter Louis Smith, der in jungen Jahren so wenige Aufnahmen machte und hier so viel Feuer und Begeisterungsfähigkeit einbringt, ist der zweite Hauptgrund für die Anschaffung dieses Albums. Er gehörte der Gruppe für so kurze Zeit an, daß es nie zu Aufnahmen mit Silver kam. Drittens reizt allein das Repertoire aus zum Teil ausgefallenen Silver-Stücken. Les Trésors du Jazz 1956 – was für ein Jahrgang! Die Großen des traditionellen Jazz sind fast alle noch, die Großen des modernen fast alle schon aktiv. Die Stilvielfalt der Zeit ist außergewöhnlich: Cool Jazz, Hard Bop, Bebop, Swing, Oldtime Jazz, West Coast Jazz – das alles erklingt in diesem Jahr. Die Platte kann es schon in ausgezeichneter Aufnahmequalität dokumentieren, auch wenn es noch ein Jahr bis zur allgemeinen Stereophonie hin ist. Die Langspielplatte hat sich aber schon gegenüber der Schellack durchgesetzt und die Musiker nehmen sich so viel Zeit wie sie brauchen. Zugegeben, es ist nicht leicht, eine Blütenlese des Jahres zu treffen, selbst wenn man zehn randvoll gefüllte, übrigens streng chronologisch angeordnete CDs zur Verfügung hat. André Francis und Jean Schwarz, die viel Kenntnis und Übung in derlei Kompilationen haben, vollbringen dies mit sicherer Hand und ausgezeichnetem Geschmack. Trotzdem kommt es durch eine Bevorzugung von Berühmtheiten, denen bis zu acht Stücken zugewiesen werden, zu einer dieser Form unnötigen Einseitigkeit: So gab es 1956 neben Ella und Billie durchaus auch andere hörenswerte Sängerinnen. Man könnte das ABC durchgehen und fragen: Warum nichts von Adderley oder Ammons? Warum nur einmal Baker oder Brubeck? Es wäre aber angehörs so vieler jazzmusikalischer Höhepunkte ungerecht. Entscheidender ist, dass man 13 Stunden hindurch nur Weizen und keine Spreu serviert bekommt. Stéphane
Grappelli CDs von Django Reinhardt und Stéphane Grappelli gibt es wie Eulen in Athen. Doch diese zum 100. Geburtstag des Geigers erschienene 5-CD-Box ist Schnäppchen und Monument zugleich. Durch die Vereinigung ausschließlich gemeinsamer Aufnahmen tritt das Besondere der Partnerschaft plastisch hervor. Verdienstvoll ist, dass endlich einmal der Akzent auf dem Violinisten liegt, der stolz von sich sagen konnte: „Django war mein Gitarrist.“ Ihre gemeinsames Quintette du Hot-Club de France war ja weder nach dem großen Gitarristen, noch nach dem Geiger benannt. Nur die Hörer machten aus Grappelli „Djangos Geiger“. Django, dessen geniale Improvisationen ja ihrer Zeit weit voraus waren, beeinflusste als erster Europäer auch den amerikanischen Jazz. Daher unterschätzen viele zu Unrecht die Leistungen seines Partners, selbst noch der gutinformierte Autor des Booklets („Il n’est peut-être pas un créateur exceptionel“). Grappelli konnte organisieren, war musikalisch gebildet und verstand etwas vom Geschäft, während Reinhardt „nur“ ein unberechenbares musikalisches Genie war, das weder Noten schreiben, noch mit Banknoten umgehen konnte. Sie brauchten einander und beide haben auch als mustergültigste Vertreter ihrer Instrumente gemeinsam ein Genre, den „Gipsy Swing“, kreiert. Salz in der Suppe: Die Box enthält nicht alle ihre Aufnahmen, sondern nur all von ihnen eingespielten Themen. Billie Holiday Eignet sich die besprochene Grappelli-Box auch für Neulinge, so käme der Einstieg in das Wirken Billie Holidays mit dieser Box einem Sprung ins kalte Wasser gleich. Vier der fünf chronologisch angeordneten CDs dokumentieren in zum Teil guter, zum Teil dürftiger, doch nicht weniger schonungsloser Aufnahmetechnik an Hand von zum Teil seltenen Momentaufnahmen den stufenweisen Verfall einer großen Sängerin. Verstehen wir uns richtig: Selbst am Ende ihrer Karriere, als der Umfang ihrer Stimme auf wenige Töne beschränkt war und ihr rauher Klang beängstigen konnte, entstand beeindruckende Kunst, ein Spiegel ihres tragischen Lebens, das zunehmend von Drogen und Alkohol bestimmt war und so ein frühes Ende in einem Alter fand, in dem andere erst reif werden. Doch es geht schlicht an die Nieren und kann für sensible Gemüter ein schmerzhaftes Erlebnis sein, dem man sich ihm eher dann mit Gewinn unterzieht, wenn man ihr frühes Studiowerk kennt. Diese Box ist eine optimale Ergänzung für Sammler, die bereits die Studioaufnahmen kennen. Für alle, die bereits Anhänger Lady Days sind, ist alles hörenswert: ein längerer Probenmitschnitt gibt Aufschluss über ihre Arbeitsweise, Rundfunkaufnahmen bringen persönliche Statements und man hört, wie sie einem Kind „My Yiddishe Momme“ vorsingt. Der Begleittext, eine Mischung aus Chronik und Diskografie, ist trotz seiner Fehler interessant. Lester Young Auch den späten Young zu hören kann eine schmerzliche Erfahrung sein. Wie seine Freundin Billie Holiday legte er in seiner Musik mit unbeschönigter Aufrichtigkeit bloß, wie ihm ums Herz war: offensichtlich ein goldenes, sanftes Herz, von Kummer gedrückt, trotz all jener Weisheit, die sich seiner Musik eingeprägt hat. Ausgerechnet in den 50er-Jahren, als er das gefeierte Idol einer ganzen Saxophonisten-Generation war, deren coolen Sound er geprägt hatte, mußte „Pres“ mit gesundheitlichen und gelegentlich instrumentaltechnischen Problemen kämpfen. Doch mit seiner Musik, die selbst den mildernden Balsam gegen die durchklingende Schwermut mitliefert, konnte er sich bis Mitte der 50er-Jahre zu den Höhen der Kunst, wenn auch nicht zur einstigen Leichtigkeit emporschwingen. Solche begeisternde Augenblicke kann man hier erleben. Young-Mitschnitte aus dem New Yorker Birdland gibt es viele, doch diese vom 7. Januar 1953 sowie vom 7. und 15. August 1956 waren zumindest mir neu. 1956 musizierte Young mit dem Trompeter Don Ferrara und einem Trio aus Bill Triglia, Gene Ramey und Gus Johnson. 1953 spielte er in Gesellschaft des jungen (von seinem Schüler Getz entdeckten) Horace Silver, dem Rhythmusteam Franklin Skeete und Lee Abrams sowie dem Trompeter Jesse Drakes, der mit seiner boppigen Trompete damals oft eine animierende Kontrastfolie zu Young bildete. Marcus A. Woelfle |
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