Anzeige |
|
|
Anzeige |
|
In seinen vier letzten Lebensjahren (er starb 1982) machte Art Pepper so viele Aufnahmen wie niemals zuvor er spürte wohl, dass er nach all den Exzessen, die er seinem Körper als junger Mann zugemutet hatte, nicht alt werden würde. Überdies hatte seine Frau Laurie, die er in einer Reha-Klinik kennen gelernt hatte, die Karrierezügel in die Hand genommen und dafür gesorgt, dass er nicht allzuweit auf Abwege geriet und stets genügend Arbeit hatte. Solche zu finden, war nicht schwer, spielte er doch so gut wie nie zuvor. Wer bislang glaubte, er hätte mit den monumentalen 16 CDs der Complete Galaxy Recordings das komplette
Spätwerk Peppers im Regal stehen, sieht sich getäuscht. Parallel dazu nahm er für den japanischen Markt
sieben Platten mit dem Serientitel ...and his West Coast Alle Aufnahmen, für die jeweils zwei Tage zur Verfügung standen, fanden in den Sage & Sound Studios in Hollywood mit immer demselben Toningenieur statt, was für ein bei solchen Editionen ungewöhnlich einheitliches Klangbild sorgte. Schwierigkeiten habe ich jedoch mit dem flachen Sound von Art Peppers Lieblingsschlagzeuger Carl Burnett, der auf vier der sieben Sessions trommelt: Er klingt etwa so, als würde er auf Telefonbüchern herumklopfen anstatt auf Trommelfellen. Bassist Chuck Domanico ist immerhin noch auf drei Terminen vertreten, das restliche Personal darunter Bob Cooper und Russ Freeman wechselt. Der Produzent verfolgte den lockeren Plan, mit den noch greifbaren Repräsentanten des coolen Westküsten-Sounds der Fünfziger und vielen Stücken, wie sie damals gerne gespielt wurden, den Sound von vor fünfundwanzig, dreißig Jahren wieder aufleben zu lassen. Während die anderen Spieler sich meist widerstandslos für diese Nostalgieveranstaltung vereinnahmen lassen, spielt Art Pepper, der eigentlich niemandem etwas beweisen müsste, ganz und gar nicht wie früher; er befindet sich vollständig in der Gegenwart. Während die anderen den zutreffenden Eindruck vermitteln, als nähmen sie an einer relaxten Jam Session unter alten Freunden teil, wirkt Pepper paradoxerweise, als stünde er unter enormer emotionaler Anspannung: Sein Ton ist unversöhnlich und harsch, seine Attacke abrupt, die Phrasen durch lange Pausen aufgebrochen. Die Musik scheint sich in diesen spannungsvollen Momenten in ihm aufzustauen, um sich dann geradezu explosionsartig in sein Saxophon zu ergießen als wäre durch den enormen Innendruck bloß gedachter Töne, die danach drängen, klingende Wirklichkeit zu werden, ein Damm gebrochen. Interessanterweise ist eben dies Peppers Art, wahrhaftig und sich selbst treu zu bleiben und seiner Vision musikalischer Schönheit nachzujagen. Der Eindruck ästhetischer Schlüssigkeit stellt sich jedoch nur ein, wenn man berücksichtigt, dass es Harmonien verschiedener Ordnung gibt. Nicht umsonst wurde die Musik von Parker und Gillespie unter anderem ihrer verminderten Akkorde wegen anfangs als Chinesenmusik verunglimpft; Coltrane und Coleman gingen da noch einen Schritt weiter. Auch Pepper integrierte die klanglichen Neuerungen frei spielender Bläser dort in seinen alten Sound, wo es der Steigerung des Ausdrucks diente. Angesichts traumatischer außermusikalischer Erfahrungen er musste unter anderem den Verrückten spielen, um von seinen Knastbrüdern nicht behelligt zu werden hätte Pepper unmöglich so klassisch ausgewogen musizieren können wie früher. Diese geradezu schmerzliche Authentizität hat immer wieder etwas vom sprichwörtlichen Aufschrei der geschundenen Kreatur. Sie macht eine Box, die ohne Art Peppers Mitwirkung als Sideman das Etikett ganz nett verdiente, zur wichtigen Veröffentlichung. Einen zusätzlichen Kaufanreiz bieten die detaillierten und psychologisch einfühlsamen Erinnerungen von Arts Witwe: Die sollte man als Ergänzung zur erschütternden Autobiografie Straight Life lesen, die 1978 endet. Mátyás Kiss CD-Tipp
|
|