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„Ich bin gern ein Fremder, spreche gern eine andere Sprache als meine Muttersprache. Ich mag Akzente“, meint der Gitarrist Wolfgang Muthspiel. In einer österreichischen Kleinstadt 1965 geboren, lebt er jetzt in New York. Beim Quinton Label in Wien können Wolfgang Muthspiel und andere Jazzstars aus der Alpenrepublik neuerdings eigene Austria-Akzente aufnehmen. Als „Continental Call“ etwa, einem Konzert für Gitarre und Jazz-Orchester von Ed Partyka, bei dem Wolfgang Muthspiel den Solopart übernommen hat und westlichen Stil einbringt, osteuropäische Idiome aber von der Big Band gesendet werden. Es beginnt makaber, als „Dirge“ (Grabgesang), ein Drei-Ton-Motiv, zu dem die Gitarre dezent improvisiert. Aus diesem Jazz-Grab entsteigt dann aber ein neues Thema, weitet sich swingend in Variationen aus, wobei sich der Energiepegel hebt und senkt. Überall fügt sich Wolfgang Muthspiel mit filigranen Solokadenzen ein und leitet zu einer Traummusik über, die als Fratzen-Walzer endet. Im vierten Satz noch einmal Religion, diesmal als Choral, der sich zu einem schnellen slawischen 9er Metrum wendet. In diesen aufgebauschten Sounds behauptet sich ein helles Gitarrensolo, gleicht aus und versöhnt. Solche kontinentalen Rufe, die Unterschiede des Jazzverständnisses nicht verleugnen, sondern zu Lernprozessen nutzen, hat Wolfgang Muthspiel auch in seinem ersten Trio-Album mit Marc Johnson (b) und Brian Blade (dr) vorgestellt: „Real Book Stories“ sind Standards des Modernen Jazz. Da ist ein intensives Gefühlsdenken zu Keith Jarrett’s „All The Things You Are“ zu erfahren, Seelenkunde zu Miles Davis’ „Someday My Prince Will Come“ oder bluesige moods zu Horace Silver’s „Peace“, kurz: lyrischer Jazz. Eine vollendete Triomusik. Auf einer ähnlichen Ebene bewegt sich das Trio mit Sabina Hank (p, voc), Georg Breinschmid (b) / Alex Meik (b) und Stefan Eppinger (dr). Die Sängerin / Pianistin hat elf Songs zu „Blue Moments“ arrangiert, davon sieben Eigenkompositionen. Nicht am Rande des Abgrunds zur Schwermut, sondern funky „Out In Birmingham B“ oder brodelnd in Duke Ellington’s „Caravan“ nähert sich Sabina Hank „an unprovable truth“ / einer unbeweisbaren Wahrheit dieses zwiespältigen Gefühls. Mit Sinn für Tonfärbungen, für Schattierungen des Gesangs und knappen Piano-Improvisationen wagt sie sich mit ihren exzellenten Begleitern in einige Zwischenräume von amerikanischer Tradition und europäischer Jetztzeit. Systematisch erkundet solche Zwischenräume die wohl bekannteste Jazzformation aus Österreich, das Vienna Art Orchestra. „A Centenary Journey“ nennt Chefkomponist und -arrangeur Mathias Rüegg seine Geschichte der Jazzstile. Sehr deutlich sind hier die Austria-Akzente, die Musik strotzt vor ironischem Respekt, etwa beim rasanten Tenorsaxsolo von Florian Bramböck während der „Golden Moments“ der Swing-Ära. Oder wenn der World Music Trend als „Anything Goes“ persifliert wird. Mathias Rüegg ist ein Noten belesener Zeitreiseführer des Jazz und auch ein Meister der Polyphonie. Der komplexe Tonsatz dieses Jazztrips ist deshalb stets stiladäquat, aber mit einer guten Prise verqueren Humors gewürzt. Auf dieser Spur gehen auch „Gansch & Roses“, wenn sie
das „Cop Girl“ im wackligen two-beat tagsüber Verbrecher
jagen und abends Flügelhorn spielen lassen. Trompeter Thomas Gansch
hat ein Faible für skurrile Jazztravaganzen, ob im Trio mit Florian
Bramböck (cl, ss, as) und Georg Breinschmid (b) oder im Nonett mit
Musikern aus der Wiener Szene wie Ed Partyka (tuba). Absurditäten
wie der „Flozirkus“-Tango oder der sehr schicke „5er
to Don Ellis“ haben fast immer turbulente Phasen. Etwas verrückt
ist die „Kobra“, ein Dixieland-Bebop, von Arkady Shilkloper
(fr-h), Alegre Corrêa (g) und Georg Breinschmid (b) aus dem Korb
gelockt. Die Musik dieses Trios entzieht sich klaren Begriffen, aber spanische
und latino Figuren tummeln sich oft in ihr. Tanz und Ulk, Flamenco und
„Funky Rag“ feiern auf „Mauve“ ihr eigenes Fest. Hans-Dieter Grünefeld Diskografie
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