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Kürzlich bin ich wieder über das Wort „durchhörbar“ gestolpert. Keine Ahnung, warum das Durchhören bei uns so beliebt ist. Vielleicht weil man im Deutschen auch alles gerne bis zum Ende durchkämpft und durchkaut, durchleidet und durchsteht, sich durchmogelt und sich durchstylt, nur um sicher durchzukommen? Wie auch immer: Früher dachte ich, das Wort „durchhörbar“ gehöre irgendwie ins Perversionen-Repertoire audiophil veranlagter Klassik-Rezensenten. „Gut durchhörbar“ heißen dort die sinfonischen Strukturen, die bewegten Gegenstimmen in den Violinen, zuweilen die Nuancen, sogar die Bässe. Anscheinend brauchen die Kollegen dringend eine musikalische Entsprechung zum Augenbegriff „durchsichtig“. Wie wäre es denn, fällt mir dazu ein, mit dem schönen Neuwort „transaudient“? Ich sollte das mal mit meinem Nachbarn diskutieren, der ist Klassik-Freak und seine Opern-CDs sind auch immer bis zu mir im Erdgeschoss „gut durchhörbar“. Aber jetzt kommt’s: Neuerdings finde ich das Wort immer öfter bei der anderen Fraktion, den Elektronikern, Kompilatoren und Diskjockeln der Tanzflur-Szene. Neinnein, da geht es um keine sinfonischen Strukturen und bewegten Gegenstimmen, so was kennen die gar nicht. Und Bässe muss man dort nicht durchhörbar machen, die wühlen eh schon im Bauch wie Gallensteinzertrümmungsmaschinen. Aber was ist dann mit Sätzen wie „Der Sampler ist gut durchhörbar“? Heißt das vielleicht: durchstehbar? Bis zum Ende durchtanzbar, durchloungebar, durchpartybar, durchchillbar? Was für ein sprachliches Durcheinander! Es ist durch und durch verwirrend. Vielleicht sollte ich die ganze Musikszene einfach vergessen und bald etwas Vernünftiges tun. Zum Beispiel eine Kneipe aufmachen. Die nenne ich dann die Durchhörbar. Rainer Wein |
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