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Kevin Hays Mit seinen vierundzwanzig Einzelnummern wirkt die
Produktion von Kevin Hays etwas überladen. Doch der Titel „Variations“ zeigt,
wohin der Pianist seine Fühler ausstreckt: Von Weitem winkt die
klassische Klaviermusik, die – außerhalb des Jazz – ein
prägendes Merkmal jahrhundertealter Musik darstellt. Und noch etwas
verrät der Blick vor dem Hören der CD auf die Titelliste: Der
Romantiker Robert Schumann hat seine Hand im Spiel. Dreimal variiert
Kevin Hays ein Thema des von Johann Sebastian Bach beeinflussten Komponisten,
der einen gewaltigen Batzen Klavierliteratur hinterlassen hat. Kevin
Hays versucht in seinen komplexen, überwiegend kurzen Stücken,
die Intentionen Schumanns beizubehalten, ohne als allzu dreister Epigone
dem Meister zu viel abzugucken. Ihm gelingt insbesondere in den beiden „Contrapunctus“ genannten
Etüden eine überzeugende Darstellung des Kontrapunktbegriffs,
in dem er die „Gegenstimmen“ dezent dem Hauptgeschehen zuordnet,
um dadurch ihre Selbständigkeit herauszukehren. Im Titel „Langsam“ steht
die Musik fast, Ton für Ton nähert sie sich einem Punkt, an
dem sich musikalische Erzählstruktur fast in Sprachlosigkeit erschöpft.
Wo der suchende Kevin Hays fündig wird, wo seine Klangvorstellungen
die Tradition verlassen, wo er dem Modernismus – wie in „The
Dervish of Harlem“ – eine Bühne bereitet, da steigern
sich seine Ideen zu einer Pyramide: Auf ihrer Basis, dem Klassizismus,
entstehen in kleinen Schritten Variationen aus minimalistischen Klangerlebnissen. Fjoralba Turku Ruhig, heiter, gelassen und gleichzeitig abgeklärt kommt die zweite
Veröffentlichung der Ausnahmesängerin Fjoralba Turku daher – nomen
est omen: „Serene“. Mit neuer Besetzung und immenser Kraft
wird ihr beeindruckendes 2010er-Debut „Joshua“, das bereits
eine kleine Sensation war, fast in den Hintergrund gestellt. Jonas Burgwinkel
und Florian Trübsbach sind diesmal mit von der Partie, den israelischen
Pianisten Tal Balshai gilt es zu entdecken, und am Bass spielt der großartige
Paulo Cardoso. Gesanglich hat sich Turku in riesigen Schritten entwickelt,
ihren Ausdruck weiter verfeinert und die intensive Zusammenarbeit mit
Paulo Cardoso, der nicht nur ein paar wundervolle Kompositionen beisteuerte,
sondern auch sämtliche Arrangements übernahm, vermittelt eine
hochkarätige musikalische Leichtigkeit. Das weitere Liedgut der
CD, bis auf ein paar traditionelle albanische Volksweisen, stammt aus
Turkus eigener Feder. Schon beim ersten Hören stellt sich der Eindruck
ein, als höre man Vertrautes, eine solche Intensität strahlen
die Lieder aus. Fjoralba Turku weiß ihre vielseitige Stimme auf
den Punkt genau einzusetzen und beherrscht präzise Zwischentöne
und Nuancen, auf die es ankommt. Nach zwei so besonderen Alben muss man
sich fragen, was da noch alles kommen wird. Trotz ihres erst relativ
kurzen Erscheinens in der Szene verharrt sie nicht oder genießt
Lorbeeren, sondern zieht wieder weiter mit neuen Gedanken und Projekten
im Kopf, auf die wir bereits jetzt gespannt sein dürfen. Lars Danielsson Entschleunigen. Abdämpfen. Weiche Melodik für die Ohren, damit
sie Gelegenheit haben, einen Song als solchen wahrzunehmen. So möchte
der schwedische Bassist Lars Danielsson „Liberetto“, also
freien, der Folklore entlehnten Kantilenen, zu einem dennoch dichten
Stil geschmeidiger Improvisationen kommen. Bewegliche Klavierfigurationen
des armenischen Pianisten Tigran verbinden sich da im Titelsong sanft
mit lyrischen Basslinien. Fee
Stracke: Vertreibung aus dem Paradies „New
Tunes“ So herausfordernd offen, wie einen die Berliner
Pianistin und Komponistin Fee Stracke mit blondem Kurzhaarschnitt und
zu großer Brille anschaut,
klingt auch ihre Musik. Das Album mit dem eigenartigen biblisch konnotierten
Titel fällt auch in der Besetzung aus dem Rahmen. Klarinette und
Bratsche, respektive Violine spielen sich statt Saxophon und Gitarre
improvisierend die Bälle zu. Der Aufbruch aus dem Paradies gleicht
als „Express ins Glück“ so ganz und gar nicht einer
Vertreibung – mit Bimmelglöckchen und heiter schnaufender
Oldtimer-Lok eher einer höchst vergnüglichen Reise durch eine
melodisch blühende Jazzwelt, durchsetzt mit Folkrocksträuchern,
Romantik und einem Windhauch Klassik. Nur in wenigen Nummern präsentiert
sich die junge Musikerin zurückgenommen, lässt aber auch dann – wie
im dramatisch gestalteten „New Tune“ mit einem intensiven
lyrischen Solo von Oliver Fox (cl, sax) – viel Raum und weiten
Atem in ihren Kompositionen: eifrig genutzt von den Mitgliedern ihrer
Band, allen voran Bratschist Valentin Gregor (v), Sergio Gomez am Bass
und Hampus Melin am Schlagzeug. Dabei geht es keineswegs zu ernsthaft
zu: Witz und lakonischer Humor spielen in „Der Wurm“ ebenso
eine gewichtige Rolle, wie im „Unterwasserkarussell“ und
auf dem Weg zur „Ameisenstraße“ – wohin auch
immer die, lateinamerikanisch swingend, führt. Tänzerische
Lebenslust treibt in einer angelehnten Tarantella, einem Tango und volkstümlich-knackig
in „Verloren auf dem Fest“ ausgelassene Blüten – nachdem
die Schwermut vertrieben ist. Jens Magdeburg Venedig als heiter-verspielte Landschaftsmarke mit
feinem Latinswing? Leichtfüßig, tänzelnd und ein wenig verschmitzt-neugierig.
Jens Magdeburgs musikalische Sicht auf die Lagunenstadt muss man nicht
teilen, aber mögen, mögen kann man sie schon. Der Nürnberger
Pianist – mit KB‘s Jungleband und On Cue Bigband noch in
anderen Besetzungen und Stilen unterwegs – legt mit dem bildhaft
betitelten Album seines Trios mit Gunther Rissmann (b) und Jens Liebau
(dr) ein überaus geschmackvolles, rundes Debüt vor. „Landscape“ zeichnet
sich durch eine feinsinnig-melancholische Grundstimmung bei melodischer
Kultiviertheit und spielerischer Eleganz aus. Wenn in einer Kritik über
Magdeburgs Musik – die Stücke stammen alle aus der Feder
des Pianisten – zu lesen ist, dass sie „sich unauffällig
in die Gehörgänge schmiegt, dort aber umso hartnäckiger
haften bleibt“, entspricht das freilich nur der halben Wahrheit.
Haften bleibt der Eindruck eines homogen agierenden Trios, das sich
intuitiv versteht. Das ist ganz sicher nicht das Schlechteste. Musikalisch
aber hängt es, auf gutem Niveau, eher in der jüngeren (Jazz-)Vergangenheit
und lässt wenig Ecken und Kanten erkennen. Die kultivierte Ästhetik
bewegt sich bisweilen am Rand des Geschmäcklerischen, hängt
sich harmonisch an allzu bekannte Formen und Mustern an. Vielleicht
hat das auch mit dem thematischen Aspekt des Landschafts- oder Naturraumbildes
zu tun. Giancarlo Schiaffini & Sebi Sie knurren, plappern, fauchen und stottern. Sie
lehnen sich entspannt zurück und tratschen wie die Waschweiber. Nur dass sich bei den
fast eine Generation auseinanderliegenden Posaunisten die Ohren zufällig
Umstehender nicht spitzen – wie sonst bei Tratsch üblich – sondern
meist einklappen. Der Römer Giancarlo Schiaffini und der Sizilianer
Sebi Tramontana sind Improvisationsmusiker oder Freejazzer, je nach
Standpunkt des Behörers. Und als solche kommen sie auch bei der
Masse der Jazzliebhaber weniger gut an. Extrapoliert auf die Masse
der Popularmusikhörer oder die der Klassikhörer… ach,
lassen wir die blöde Rechnerei. Kommen so oder so immer nur wenige
hundert Auflage raus, egal wie man das unterhaltsame Scheibchen dreht
oder wendet. Bei aller Ernsthaftigkeit und Intensität der musikalischen
und ästhetischen Auseinandersetzung, ist „Wind & Slap“ tatsächlich
auch ungemein anregend und ergötzlich. Auf einigen Stücken
tauschen sie wechselweise ihre Zugposaune gegen Euphonium oder Tuba,
was mehr Farbe ins Spiel bringt. Aber die beiden sind technisch – vom
Spiel mit Klappen, Geräuschen, Überblasen, Ins-Horn-singen
oder sprechen – wie intellektuell derart sattelfest und musikalisch
beweglich, dass sie selbst mit ihren dunklen Hörnern locker eine
Stunde und mehr Zuhörer bei Stange halten können. Für
ungeübte Hörer ist so etwas ganz sicher immer erst einmal
eine Herausforderung. Tim Berne Nach acht Jahren das erste Studioalbum, nach Engagements
bei David Torn und Michael Formanek der dritte Auftritt bei ECM:
Tim Berne steht
erstmals bei einer Manfred Eicher-Produktion als Boss an vorderster
Linie. Entschlossen und selbstbewusst schraubt der Altsaxophonist die
sechs Stücke auf „Snakeoil“ von einer Improvisationsplattform
hinauf in frei schwebende Klangmomente. In perfekter Harmonie ergänzen
sich Bernes punktgenaues Spiel mit dem ruhigen Klangfluss von Oscar
Noriegas Klarinette. Das Quartett, mit Matt Mitchell (Piano) und Ches
Smith (Drums) vervollständigt, kommt ohne Kontrabass aus. Dessen
Part übernimmt punktuell die Bassklarinette von Oscar Noriega.
Genial, wie Noriega mit diesem Tieftöner in „Scanners“ die
Vorgaben Bernes kontert, dessen plötzliche Improvisationen er
nicht kommentiert, sondern auf Augenhöhe begleitet, während
Matt Mitchell in möglichst hohen Oktaven einen Kontrastandpunkt
einnimmt. Wo „Scanners“ noch sprunghaft und hektisch agiert,
scheint das folgende „Spare Parts“ in den Gefilden der
Neuen Musik angekommen zu sein. Gänzlich unbeeindruckt von vorgegebenen
Traditionen schafft Berne es hier, in konzentrierter Form die Freiheit
des Jazz mit der schulterzuckenden Hochnäsigkeit eines unabhängigen
Musikverständnisses zu verknüpfen. Struktur und Freiheit,
Komposition und Improvisation, Gruppendynamik und Solounternehmungen… Rudi Zapf & Zapf‘nstreich „Bayerische Weltmusik“ nennen Hackbrettvirtuose Rudi Zapf und
sein Ensemble ihren Stil. Dabei erstreckt sich die musikalische Bandbreite
von Jazz über Klezmer, Latin und Klassik bis hin zur Volksmusik.
Viele kleine Versatzstücke sind es, die jedes Lied ausmachen,
gespielt mit Gitarre, Kontrabass, Pedalhackbrett, Steirischer, Vibrandoneon,
Saxophon, Querflöte und – ein richtiges Highlight – der
Bassklarinette. Traditionelle Stücke aus Russland, Lateinamerika,
Afrika, Bayern und anderswo sind auf „Unterwegs“ vereint.
Rhythmuswechsel, Stilwechsel, Taktwechsel – nie bleibt etwas
so, wie es am Anfang schien. Da kommt der Zirtaki daher – vermeintlich –,
denn gespielt im 7/8-Takt mündet er tatsächlich in ein leises
Wiegenlied der Akustikgitarre; Zwiefache in Moll („Leidl müsst‘s
traurig sei“) nach Dur und wieder zurück und zum Schluss
Schostakowitschs Walzer Nr. 2. Mit „Unterwegs“ haben Rudi
Zapf und sein Bandtrio eine entschleunigte Instrumentalplatte geliefert – Stubenmusik
hinausgetragen in die Welt ist das. Die Songs selbst sind intelligent
arrangiert, das neue Album entwickelt in seinen elf Stücken einen
musikalischen Spannungsbogen bis zum Schluss. Live gespielt entwickelt
das instrumentale und virtuose Spiel der vier Vollblutmusiker zusätzlich
einen faszinierenden Sog, den man auf diesem Studioalbum leider missen
muss. Nichtsdestotrotz eine hervorragende CD mit viel Raum zum Träumen
zwischen Heimat und Fernweh. Christian Muthspiel‘s
Yodel Group Jodler aus dem österreichischen Alpenraum exportiert Posaunist
Christian Muthspiel in einen Bereich, der außerhalb des traditionellen
Volksmusikgetümmels, gepaart mit genrefremden Einflüssen,
dem Wagnis Experiment die besondere Würze gibt. Strenggenommen
entsteht eine eigene „Volksmusik“, deren allgemein akzeptierte
Basis sich mit den Ausdehnungsmöglichkeiten improvisierter Musik
bestens versteht. Der „Präbichler“ ist am gleichnamigen
Gebirgspass am Erzbachtal und dem Vordernbergertal in der Steiermark
zu Hause, während der „Kollerschläger“ aus dem
oberösterreichischen Bezirk Rohrbach stammt. Beide Jodler sowie
sieben andere verfeinern wegen ihres archaischen Klanginhalts die jazzhaltigen
Rezepturen auf zurückhaltende, gleichwohl unüberhörbare
Art. Weit jenseits in TV-kompatible Massenunterhaltung gepresster Pseudovolksmusiken
gelingt es der Yodel Group, den traditionellen Klangrahmen zu erhalten
und ihn mittels dazu passenden „fremden“ Melodien und Harmonien
zu erweitern. Wenn Muthspiel vom „Blues der Alpen“ spricht,
trifft er den Kern seines Anliegens auf den Punkt: die Idee einer Erweiterung
im Grunde ausgelutschter Traditionsmusiken auf eine neue Ebene zu hieven.
Da kommt „Ein schöner Verkehrter“ gerade zur rechten
Zeit vorbei, und was die Österreicher als einen sehr hellen Milchkaffee
bezeichnen, entwickelt sich bei Muthspiel zu Geschmacksverstärkern
und Nervenreizstoffen. Louis Jordan Richard Weize und seiner Firma BEAR FAMILY RECORDS,
einem der wichtigsten Re-Issue-Labels in Europa, verdanken wir diese
umfassende Begegnung
mit dem Altsaxophonisten und Sänger Louis Jordan, dessen Tympany
Five (er behielt diese Bezeichnung auch später bei größeren
Besetzung bei) vor allem in den 40er-Jahren in den USA ungemein populär
war. Geboren 1908 wurde er zunächst vor allem durch sein Engagement
von 1936 bis -38 bei Chick Webb bekannt. Schon bald danach gründete
er seine eigene Band, in der er mit packenden Solos und antreibendem
Gesang stets den Mittelpunkt bildete. Er war ein geborener Showman
und Entertainer, der die witzigen, manchmal anzüglichen, manchmal
auch albernen Texte seines Repertoires sehr effektvoll in Szene setzte.
Stücke wie „Five guys named Moe”,“Choo-Choo
Ch-Boogie”, „Ain‘t nobody here but us chickens”, „Let
the good times roll”, „Beans and Cornbread”, und „Saturday
Night Fish Fry” sind untrennbar mit ihm verbunden, ebenso „Life
is so peculiar” und „You rascal you” mit Louis Armstrong
als Gast. Terry Gibbs Quartet Wenn vom Vibraphon im Bebop die Rede ist, taucht
meistens gleich der Name Milt Jackson auf – und Tery Gibbs, der ihm in vielem ebenbürtig
war, wird vergessen. Ein Jahr jünger als Jackson machte er seine
ersten Aufnahmen 1946 (mit Aaron Sachs). Wie Lionel Hampton kam er
vom Schlagzeug her (Jackson vom Klavier) und wie jener – sogar
noch brillanter – beherrschte er auch das virtuose Klavierspiel
mit zwei Fingern, was er gleich im ersten Titel, „Seven come
eleven“, mit unerhörtem swing bewies (ein Meisterstück!).
Allein wegen dieser Aufnahme muss man die Platte besitzen. Dazu begegnen
wir in Terry Pollard einer hervorragenden, leider sehr unbekannt gebliebenen,
Pianistin dem zweiten Grund für den Erwerb dieser CD. Sie muss
auch eine sehr gute Vibraphonistin gewesen sein, denn bei Clubauftritten
spielten Terry & Terry manchmal Duette auf einem Vibraphon. Gibt
es davon Aufnahmen? Sebastian Schunke Eine Aufzählung von Zutaten ergibt noch kein Rezept, ganz zu schweigen
von einem Konzept. Deshalb ist, was Sebastian Schunke für sein
Album „Life And Death“ vorbereitet hat, vielleicht am besten
als Extensionen diverser Latin-Groove-Modelle zu beschreiben. Und zwar
lenkt er eine Cuba-Clave so variabel durch „Berlin“, dass
seine Band und er ganz ungezwungen die Wahrnehmungsmodi des urbanen
Milieus auch in swingenden Klangmustern aus Modern und Free Jazz verändern
können. Sie haben den Blick stets noch vorne gerichtet, nämlich „Adelante“ im
ungeraden Ostinato zu unerwarteten perkussiven Kicks von Pernell Saturnino
und expressiven Sax-Motiven, die Dan Freeman einfügt. Manchmal
erreicht das Quintett „Misterioso” in komplexen Rhythmen
auch gewisse Trancezustände, doch kontrolliert, sodass „Susanne” sogar
Accelerando sehr lässig flanieren kann. Die Struktur der Musik
bleibt organisch, denn Sebastian Schunke agiert am Klavier als spontan
gestaltender Komponist und gibt Gelegenheiten zu kollektiv kreativem
Interplay. Seine exzeptionellen Qualitäten als Jazzpianist sind
in einigen Solowerken zu hören, wo er „Herzklopfen” (seiner
Tochter Leona gewidmet) impressionistisch nachempfindet. Sein Stil
ist eher lakonisch, kleine Motive vernetzt er diskret zu dichtem Gewebe.
Nicht Verzweiflung oder gar Todesangst bestimmt daher seine Musik,
sondern Intensitäten des Lebens: „Life And Death” ist
eine klare Quintessenz dieser Erkenntnis. What’s
up neighbor? Genau genommen hat er die Phase des freien Spiels
schon seit etlichen Jahren hinter sich gebracht. Wer jedoch Lajos
Dudas auch in letzter
Zeit zugehört hat, weiß, dass der gebürtige Ungar die
Freiheit im Spiel über alles schätzt. Eigentlich schon immer:
Nachzuhören nicht zuletzt auf der Doppelscheibe „50 Years
With Jazzclarinet“ anlässlich seines 70. Geburtstags. So
ist es folgerichtig, dass der Klarinettist dem Impuls des Augenblickes
folgend die Gelegenheit beim Schopf ergriff, die sich bot, als er die „Werkstatt
für improvisierte und neue Musik“ in Überlingen am
Bodensee besuchte, wo er seit einigen Jahren zu Hause ist. Prompt fand
sich mit Hubert Bergmann, dem Initiator des Studios, ein irgendwie
Seelenverwandter. Obwohl beide aus ganz verschiedenen Ecken kommen,
der in der Wolle gefärbte Jazzer und der in der Neuen Musik aktive
Pianist, fand sich eine große spontane Schnittmenge an kreativer
Energie und Sympathie. Ohne Angaben von Tempi, Themen oder Tonarten
legten die beiden los, fanden zu faszinierender gemeinsamer Sprache.
Der schlanke, kultivierte Klarinettenton von Lajos Dudas, sein an Bach,
Bartók und Blues geschultes, intuitives Gespür für
eine stets überraschende melodiöse Logik und seine Liebe
zum klanglichen Detail finden ein ideales Gegenüber in den kreativen
Impulsen, die Bergmann den 88 Tasten entlockt, mal fragmentarisch karg,
dann wieder lyrisch, fast schwelgend in wundersamem Feingefühl.
Mehr als eine Momentaufnahme! Chick Corea – Stefano
Bollani: Orvieto Das Spiel im Duo, vor allem Klavierduos, hat bei
Chick Corea mittlerweile eine jahrzehnte lange Tradition. Ob gemeinsam
mit Economou (endlich
auch auf CD erhältlich), Hancock, Gulda oder Rubalcaba, der Hörer
bekommt die Gelegenheit, zwei Meistern zu lauschen, die sich nicht
miteinander messen, sondern kommunizieren, und dies gelingt zweifellos
am besten live. So geschehen beim Umbria Jazz Winter Festival 2010
bei einem Treffen Coreas mit dem italienischen Pianisten Stefano Bollani.
Die beiden spielten sowohl Coreas „Armandos Rhumba“ als
auch Bollanis „A Valsa Da Paula“. Ansonsten spickten sie
ihr Programm mit gemeinsamen Improvisationen oder superben Klassikern
wie Fats Wallers „Jitterburg Waltz“, Miles „Nardis“ oder
anderen nie langweilig werdenden Klassikern. Die CD „Orvieto“ ist
die erste Veröffentlichung der Begegnung Corea-Bollani und eine
großartige dazu. Beeindruckend, mit welcher Leichtigkeit und
Witz die beiden pointiert spielen und es gelingt, den Zuhörer
mit Ihrer Konversation an 176 Tasten uneingeschränkt in Bann zu
ziehen. Ein weiterer spannender Ausflug Bollanis, diesmal ins Bigband-Gefilde
zusammen mit der NDR Bigband, ist ebenfalls gerade auf CD erschienen.
Wiederum besticht Bollani hier mit erfrischend cleverem Spiel im Umgang
mit seinen von Geir Lysne für Bigband arrangierten Kompositionen.
Beide Aufnahmen zeigen Bollani von einer besonderen Seite und zeugen
von der Lebendigkeit des Duos und den vielseitigen Möglichkeiten
einer Bigbandaufnahme. Spannend! |
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