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Seit den 90er-Jahren kennt man die vielfältigen Projekte des Pianisten Hans Lüdemann, in der Nähe von Köln seit Jahren zuhause: das Trio Ivoire mit Aly Keita, den Solo-Pianisten, das Duo mit Reiner Winterschladen und verschiedene Trio-Projekte. Natürlich war er auf dem Geburtstagskonzert des Kölner Stadtgartens im September dieses Jahres zu hören. Und vor kurzem präsentierte er ein neues Projekt, das Duo „piano & kora magic“ mit dem Kora-Spieler Toumani Diabaté. Im Kölner Stadtgarten aufgeführt, wurde es vom WDR aufgezeichnet und wird am 13. Februar 2012 in WDR3 gesendet.
Die afrikanische Musik hat ihn erfasst seit vielen Jahren. Mehrfach war er auch mit seinen Projekten auf Tour in Afrika, unterstützt vom Goethe-Institut Seine Verbindung von Jazz und afrikanischer Musik war einer der Gründe, die das renommierte US-College Swarthmore, in einem Vorort von Philadelphia, auf ihn aufmerksam gemacht hatte. Man wollte ihn zunächst für ein Konzert engagieren. Daraus wurde eine einjährige Gastprofessur, das „Cornell Visiting Professorship“ auf die er vom Herbst 2009 bis zum Herbst 2010 berufen wurde. Swarthmore ist eines der Colleges, in denen man in den USA bis zum Bachelor studiert. Danach geht es zum Beispiel zu dem nicht weit entfernten Harvard, um dort den Master zu machen. Swarth- more College hat ungefähr 1.500 Studenten von besonders hohem Niveau, denn nur circa 10 Prozent der Bewerber werden angenommen. Und es ist teuer, an einem solchen College zu studieren. Dort ist Lüdemann einem ganz anderen Bildungssystem begegnet, als man es in Europa und speziell in Deutschland kennt: „Das System ist ganz anders als bei uns. Es gibt nur ganz wenige Institute, die unseren Musikhochschulen vergleichbar sind. Etwa das Curtis Institute in Philadelphia oder die Juilliard School in New York, die klassisch orientiert sind. Die Colleges haben eine ganz andere Funktion. Verglichen mit Deutschland könnte man diese als eine Mischung aus gymnasialer Oberstufe und den Anfangsjahren des Studiums beschreiben, auch in Hinsicht auf das Alter der Studenten. So ist auch die Art zu unterrichten viel verschulter. Es gibt einen dichten Stundenplan aus Kursen und Vorlesungen, der vergleichbar ist mit einer deutschen Schule. Man ist nicht so frei in der Fächerwahl. Erst ab dem dritten Jahr spezialisiert man sich. Am Anfang gibt es ein weites Spektrum, breite Allgemeinbildung. Musik ist am Anfang genauso wichtig wie alle anderen Fächer. Der Kurs wird voll für den Bachelor-Abschluss angerechnet. Mein erster Kurs war ‚Jazz Today‘, von 1970 bis heute, und im zweiten Semes- ter gab es ‚African Music in a transcontinental context‘, also mit vielfältigen Bezügen zur Diaspora. Das war nicht wie an der Musikhochschule praktischer Unterricht, sondern eine spezielle Mischung mit Vorlesungs-Anteilen, die ich selbst entwickelt habe. Ich war in der Gestaltung frei und habe auch selber gespielt, was besonders als Hintergrund während der Klausuren beliebt war. Wir haben Texte gelesen und analysiert, Transkriptionen studiert, gemeinsam musiziert und nicht zuletzt das Hören von Musik geübt. Gastmusiker kamen in die Klasse und gaben zusammen mit mir Workshops und Konzerte: Trio Ivoire, Aly Keita, Chiwoniso und Mark Feldman. Ich hatte dafür ein extra Budget im Rahmen meiner Professur, so dass ich Leute einladen konnte. Unter den Studenten waren einige, die Musiker werden wollten, aber auch angehende Juristen oder Mediziner. Es waren sehr intelligente Studenten, etwa die oberen zehn Prozent des amerikanischen Bildungssystems, außerdem ausländische Studenten, asiatische und afrikanische aus Ghana, und auch Europäer. Schön war, dass diese Leute mit Begeisterung die vielen Anregungen aufgenommen haben. Es gab große Erfolgserlebnisse, etwa wenn man am Anfang noch keine Trompete von einem Saxophon nach Gehör unterscheiden, nun aber Stilistiken, Musiker und Formen mit dem Ohr erkennen konnte.“ Und der Vergleich zu dem Bildungssystem in Deutschland: Auch für ihn persönlich war die Begegnung mit dem völlig anderen System sehr interessant: „In meinem eigenen Musikstudium hat mich die Theorie nicht sehr interessiert. Ich stand sehr früh auf der Bühne und das war aufregend. Es ging für mich darum, als Spieler sehr gut zu sein. Das war die Priorität, alles andere war dem nachgeordnet. Durch meine Lehrtätigkeit in den USA habe ich jetzt entdeckt, dass man unendlich viel aus der Beschäftigung mit Theorie und Musikwissenschaft ziehen kann. Man kann sich schon vorstellen, dass bestimmte Elemente aus dem amerikanischen System unserem Lehrbetrieb gut tun könnten. Dass es noch eine andere Balance geben kann zwischen künstlerischer Freiheit und dem Lernen von viel Stoff. So dass man auch sagen kann, dass ein Musikstudent sein Studium mit einem breiten Horizont abschließt. Meine Gastprofessur, das so genannte Cornell Visiting Professorship, eine Stiftungsprofessur, die von dem Ehepaar Cornell gestiftet wurde, ist etwas Besonderes. Sie ist nicht speziell für Musik eingerichtet, sondern wird an interessante Persönlichkeiten aus unterschiedlichsten Bereichen vergeben, damit die Studenten auch außerhalb des normalen Unterrichts besondere Angebote bekommen, besondere Projekte und Ideen kennenlernen können. Ich war der erste Musiker, der diese Gastprofessur erhalten hat, vor mir gab es einen japanischen Choreographen, danach einen Archäologen aus Sri Lanka.“ Das eine Jahr war sehr anstrengend für ihn. Denn seinen Beruf als Musiker hatte er nicht aufgegeben, ist ungefähr einmal im Monat mit dem Flieger unterwegs gewesen, um in Europa zu spielen. Und die Unterrichtszeit hat ihn über vieles nachdenken lassen, ihm eine neue Sicht auf sein Leben, seinen Beruf vermittelt. Ein Ergebnis war, dass er sich dafür entschied, sich intensiv um das Thema des Trios zu kümmern. In 2007/2008 hatte er mit fünf verschiedenen Besetzungen fünf ganz unterschiedliche Trio-Projekte im Loft in Köln aufgeführt. Da das Loft gleichzeitig Studio ist, konnten die Konzerte auch immer aufgenommen werden. Obwohl sie einmalige Projekte sein sollten, die eben nur einmal aufgeführt wurden, setzte er zwei davon wider eigenes Erwarten fort. Das Trio mit Robert Landfermann und Jonas Burgwinkel war das eine, aber vor allem das Trio mit Sebastien Boisseau (b) und Dejan Terzic (dr) entwickelte eine eigene Dynamik. Im November 2009 spielten sie auf dem JAZZDOR Festival in Straßburg, wo sie sofort einen Vertrag für eine Aufnahme bei dem ungarischen Label BMC bekamen. Seit etlichen Monaten ist die CD „Rooms“ auf dem Markt und findet viele Freunde. Aber es ging weiter. Im Frühjahr 2011 ergab sich die Perspektive,
die fünf Konzerte ebenfalls bei BMC zu veröffentlichen. Und
nun sind sie da, unter dem Titel „Hans Lüdemann – die
Kunst des Trios 1–5“ (BMC CD 196), schön künstlerisch
gestaltet wie bei BMC üblich. Ich habe sicher den Abstand, das Jahr in den USA gebraucht, um mir die Aufnahmen richtig anhören zu können und überhaupt zu verstehen, dass die Dimension des Projektes sich erst im Zusammenhang erschließt. Dann erlebt man mit fünf völlig verschiedenen Trios verschiedene musikalische Welten, obwohl der gleiche Ort, die gleichen Bedingungen vorhanden sind. Wenn man es in diesem Vergleich hören kann, ist dies total abwechslungsreich und spannend. Das ist etwas, was den Jazz auszeichnet, sich mit Musikern, mit denen man noch nie beziehungsweise noch nie in der Besetzung gespielt hatte, zu treffen und eine besondere musikalische Konzeption zu entwickeln. Und das nicht nur einmal, sondern in fünffacher unterschiedlicher Ausprägung. Das erste Trio mit Robert Landfermann (b) und Jonas Burgwinkel (dr), ‚Nu RISM‘, ist eine Art Fortsetzung meiner Besetzungen aus den 90er-Jahren, sehr am Rhythmus orientiert, zum Teil auch sehr vertrackt. Ich habe jedes Programm so zugeschnitten, dass es auf die Musiker passt. Und die haben besondere Stücke mitgebracht. Die CD fängt an mit einem vom Bassisten Robert Landfermann komponierten Vierteltonthema. Beim zweiten Album, ‚Eisler’s Exil‘, geht es um die Musik von Hanns Eisler. Es ist mit Widersprüchen und Schwierigkeiten verbunden, ein deutscher Musiker im Jazz zu sein. Jazz gilt immer noch als die amerikanische Musik. Als nichtamerikanischer Musiker ist man damit ständig konfrontiert und als Deutscher auf spezielle Weise. Ich habe dieses Trio, mit Dieter Manderscheid (b) und Christian Thomé (dr) bewusst als ein ‚deutsches‘ Jazztrio angelegt. Ausgangspunkt sind die Lieder des „Hollywood songbook“ von Eisler, die im amerikanischen Exil entstanden sind. Die Stücke sind sehr kurz und inhaltsreich und besonders geeignet, sie auszuspinnen und darüber zu improvisieren. Nummer drei, ‚Rooms‘, ist aus der Begegnung mit Dejan Terzic
entstanden, einem Schlagzeuger, von dessen Klang, Sensibilität und
seiner Art zu swingen ich begeistert war und der ebenfalls Lust hatte,
etwas Gemeinsames zu unternehmen. Uns wurde der französische Bassist
Sebastien Boisseau empfohlen. Das war ein Glücksgriff: Sofort war
ein musikalischer Fluss da, eine unangestrengte Kommunikation. Das ist
bis heute so geblieben, in einem gleichberechtigten Trio mit einem Gefühl
von großer Freiheit. Das fünfte Trio, ‚Chiffre‘ mit Eric Schaefer (dr), verfolgt ein Konzept, das Berührungspunkte mit der Neuen Musik hat. Henning Sieverts hat mit Bass und Cello besondere Akzente beigefügt. Die Stücke sind sowohl kompakt wie filigran. Die Musik ist so konzentriert, dass komponierte und improvisierte Passagen eine geschlossene Einheit bilden. Interessant wäre es, die Idee der ‚Kunst des Trios‘ fortzuführen und weitere einmalige Trios zu entwickeln. Es könnte auch ein Impuls für Veranstalter sein, eigene Projekte zu initiieren, in die sie etwa ihre Szene vor Ort einbringen könnten.“ Und nach der Zukunft befragt: „Ich habe viele Projekte, die mich sowohl als Musiker als auch kompositorisch beschäftigen. So soll es eine Fortsetzung der Zusammenarbeit mit Toumani Diabaté geben. Im Januar gibt es eine Tournee des Trios ‚Rooms‘ mit Konzerten in Deutschland, der Schweiz und Frankreich, im Sommer eine neue CD-Produktion mit Reiner Winterschladen und im Februar eine Produktion mit dem Trio Ivoire und der NDR Big- band – und viele weitere Ideen, auch für neue Soloprogramme und großformatige Projekte. Ich bin glücklich, nach meiner Zeit in den USA nun frei und unabhängig künstlerisch arbeiten zu können.“ Hans-Jürgen von Osterhausen CD-Tipp Hans Lüdemann: Die Kunst des Trios 1–5 |
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