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Ganz links, also da, wo alles anfing, stehen die „Blues Brothers und Soul Sisters“. Das ist korrekt, denn mit dem Blues beginnt bekanntlich die Geschichte des Jazz. Trotz dieser historisch angemessenen Anordnung liefert die 18-CD-Box „Dive into Jazz“, die Ralf Dombrowski für die Süddeutsche Zeitung zusammengestellt hat, keine klingende Geschichte der afroamerikanischen Musik. Schon in der Blues-.Abteilung geht es nicht ums Historische. Man findet hier den Blues-Klassiker John Lee Hooker nicht weit vom Jazzgitarristen John Scofield, man begegnet der großen Ella Fitzgerald („I’m Walking“), und ein paar Schritte weiter singt Nat King Cole von der „Route 66“. Schon die dritte CD in der Box ignoriert die Zeitachse gänzlich und handelt von Folkloren und ihren Einflüssen auf Spielweisen und Themen des Jazz. Da findet man neben Jan Garbarek – von norwegischer Volksmusik beeinflusst – den deutsch-syrischen Ud-Virtuosen Rabih-Abou Khalil oder eine Interpretation des Liedes „Guten Abend, gute Nacht“ von dem Bassisten Dieter Ilg. Und so geht es weiter: anregend, vielgestaltig, überraschend und konsequent zugleich. Was Ralf Dombrowski an Jazz in der Box zusammengestellt hat, geht in die Richtung einer exemplarisch-panoramatischen Momentaufnahme. Wurzeln und Triebe erscheinen darin nicht streng voneinander getrennt, stets erkennt man das Eine im Anderen. Es gibt Mehrdeutigkeiten, Gleichzeitigkeiten, Ungleichzeitigkeiten und Zeitreisen, und ständig Kontraste, Verweise und überraschende, aber logische Funde. All das kann nur jemand zusammengestellt haben, der in seiner Beziehung zum Jazz mindestens drei Qualitäten aufweist: Erstens muss er sich auskennen, und zwar geradezu enzyklopädisch; zweitens muss er den Jazz lieben und ehren wie er ist, also in seiner Breitaufgestelltheit und seiner permanenten Beeinflussbarkeit und Mimikry, in seinen Widersprüchen und also gerade nicht nur innerhalb zu einer der konventionellen Grenzlinien, wie sie den Gegenwarts-Jazz spinnennetzartig durchkleben; drittens aber muss er über eine beträchtliche Portion guten Geschmacks verfügen, denn die Auswahl der Stücke ist anregend und entdeckungsreich und von untadeliger Qualität – eine reine, souveräne Kür unter Verzicht auf jegliche Pflichtübung. Eine Pflicht,. der der Herausgeber sich jedoch nicht entzogen hat, ist die einer sorgfältigen Gestaltung der Booklets. Keine Auswahl trifft sich, wenn man sie mit ernsthaftem Anspruch vornimmt, von selbst. Die 18-CD-Jazz-Tauchbox besteht nicht nur aus einer Palette von Künstlern und Stücken, sondern auch aus vorangegangenen Entscheidungen über die thematische Gliederung des Ganzen. Die Box liefert 18 Themen auf 18 CDs und legt jeweils historische Längs- oder auch Querschnitte durch die Jazzgeschichte. Chronologische Ambitionen spielen dabei eine Nebenrolle, Rückgrat der Auswahl ist eine intellektuell gut abgesicherte und von großem Kenntnisreichtum gefütterte Entdeckerfreude. Die einzige Schwäche daran ist, dass man auf diese Weise nicht leicht zu einem legitimen Ende kommt. Gäbe es nicht noch mehr Instrumental-Themen als nur das Saxofon, die Stimme? Gäbe es nicht neben Spiritualität etwa auch Politik als wichtiges Motiv? Neben der Stadt New York vielleicht sogar Köln? Neben den „Free Minds“ nicht vielleicht auch ein paar richtig verbohrte Kerle? Außer der Bigband nicht noch das Trio als Keimzelle der Innovation? Bei genauerem Hinsehen erweist sich diese scheinbare Schwäche als Stärke: Denn was kann man über eine Sammlung Besseres sagen, als dass sie anregt, sie im gleichen Geiste mit eigenen Zutaten und Ideen weiter zu treiben, am liebsten bis ins Unendliche, wo sich alle Parallelen schneiden! Hans-Jürgen Linke Süddeutsche Zeitung Jazz-Edition: Dive into Jazz, 18 CDs, 98 Euro. Die CDs 1 – 10 sind auch einzeln erhältlich. www.sz-neueprodukte.de |
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