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Jazzzeitung

2003/07-08  ::: seite 21

dossier

 

Inhalt 2003/07

Inhaltsverzeichnis

STANDARDS

Editorial / News / break
musiker-abc:
Jean-Luc Ponty
all that jazz:
Furie des Verschwindens
no chaser:
Kunstpolitik
Farewell.
Mongo Santamaria


TITEL / DOSSIER


Es lebe das Zentralquartett
Geschichte einer Kultband des „freien Jazz“ der DDR
Dossier. Jazzstadt Regensburg


BERICHTE


Berichte aus
Augsburg, Berlin, Fürstenfeld, München, Neuburg und Ulrichsberg


 JAZZ HEUTE


Labelgründung: Jazzpartners, über Jugend jazzt und den Berliner Jazzclub „Schlot“


 PORTRAIT / INTERVIEW


Jugendjazzorchester Sachsen // Frankzone aus Weilheim // Das Label audio art


 PLAY BACK / MEDIEN


CD. CD-Rezensionen 2003/07
Bücher. Peterson-Buch mit interessanten Details // Jazzforschung/jazz research, Band 34 (2002)
Noten. Ausgaben für Triobesetzung, Trompete und Gitarre // John Valerio; Stride & Swing Piano
Instrumente. Warwick Streamer Jazzman 4
Medien.
Mehr Jazz im Radio


 EDUCATION


Abgehört 17. Monk spielt nichts als Monk
Aus Kamerun nach Köln. Der Trompeter Terrence Ngassa an der Kölner Musikhochschule
Ausbildung. Kurse, Fortbildungen etc.


SERVICE


Critics Choice

Service-Pack 2003/07 als pdf-Datei (kurz, aber wichtig; Clubadressen, Kalender, Jazz in Radio & TV, Jazz in Bayern und anderswo (558 kb))

Es tönt aus allen Gassen

Jazzstadt Regensburg – Bayerisches Jazzweekend und das Jazzinstitut

Vom 10. bis 13. Juli findet in diesem Jahr das 22. Bayerische Jazzweekend in Regensburg statt. Tausende von Besuchern können sich in historischen Höfen, Gebäuden und auf den Plätzen kostenlos um die 100 Bands zu Gemüte führen, was innerhalb Deutschlands immer noch Seinesgleichen sucht. Aber auch während der anderen elf Monate gehen vom mittelalterlichen Juwel an der Donau für Jazzfans in ganz Deutschland belebende Impulse aus – unter anderem ist hier ja auch der Sitz der Jazzzeitung. Anlass genug, die Jazzstadt Regensburg in einem Dossier in den Mittelpunkt zu stellen. Den Anfang machen die künstlerischen Leiter des Weekends, Richard Wiedamann und Sylke Merbold vom Bayerischen Jazzinstitut. Die Interviews auf den folgenden Seiten führte die koordinierende Redakteurin der Jazzzeitung, Ursula Gaisa.

Jazzzeitung: Seit wann gibt es das Bayerische Jazzinstitut, woher kam die Initialzündung?

Richard Wiedamann: Das ist eigentlich eine lustige Geschichte. Mitte der 80er sind wir – das heißt Professor Joe Viera und ich, ohne dass wir das voneinander gewusst hätten – vom damaligen Musikratspräsidenten Suder aufgefordert worden, für eine Fortschreibung des Bayerischen Musikplans (genreübergreifender Plan zur Förderung des bayerischen Musiklebens, ausgerufen von der bayerischen Staatsregierung, Anm. d. Verf.), uns Gedanken zu machen, wie man die Musikszene fördern könnte. Wir sollten also unabhängig voneinander einen Punktekatalog zusammenstellen. Während einer Pressekonferenz zur Jazzwoche Burghausen kam das zufällig zur Sprache, und nachdem wir uns zur Erheiterung aller so gegenseitig „entdeckt“ hatten, beschlossen Viera und ich, diesen „Auftrag“ ab sofort miteinander zu erfüllen. Einer der Förderpunkte war solch ein Institut zur Information, als Anlaufstelle für Beratung et cetera. Dann haben wir – oder besser ich – das Ganze jedenfalls ad acta gelegt und wieder vergessen. 1987 entstand das Landes-Jugendjazzorchester, und damit bekamen wir einen Fuß in die Türe des Ministeriums.

Leiter Richard Wiedamann und Stellvertreterin Sylke Merbold. Foto: Gaisa

1989 oder 1990 rief mich der Ministerialrat und Musikbeauftragte des Bayerischen Staatsministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst, Dirk Hewig, an und erzählte mir, dass jetzt 100.000 Mark für ein solches Institut zur Verfügung stünden. Er fragte, ob ich damit etwas anfangen könnte. Worauf ich ihm sagte: „Anfangen kann ich damit schon.“ Leider blieb die Förderung dann aber jahrelang bei besagter Summe. Konzept und Personalplanung wurden zu den Akten gelegt – für bessere Zeiten. Erst viel später realisierte ich, dass man im Staatsministerium quasi unter Zugzwang gestanden hatte, da man für den Pop/Rock-Bereich bereits etwas getan hatte und der Jazzsektor durch den von uns erarbeiteten Katalog ja ebenfalls fest im Plan verankert war.

Sylke Merbold: Das ist die berühmte Unterscheidung zwischen Theorie und Praxis – theoretisch gab es ein Konzept mit der entsprechenden Personalplanung, praktisch wurde daraus nie etwas. Das heißt, es gab eine Art Geschäftsführer-/Sekretärinnenposten, der bezahlt wurde, alles andere, Buchpublikationen, Jazzweekend, Beratung et cetera, wurde ehrenamtlich – in erster Linie von Richard Wiedamann – betreut und erledigt. Seit letztem Jahr wird meine Stelle bezahlt, dafür haben wir keine Sekretärin mehr – nur Aushilfen auf Stundenbasis. Ein großer Vorteil des Instituts ist, dass es zumindest räumlich wachsen kann, da das Gebäude, in dem es untergebracht ist, Richard Wiedamann gehört. Wir zahlen heute immer noch dieselbe Miete, die bei der Gründung festgelegt wurde – beanspruchen mit Archiv und Bibliothek aber inzwischen mehr als die doppelte Fläche. Das Archiv kann auch weiter wachsen, wir können flexibel auf neue Anforderungen reagieren, wenn zum Beispiel ein Nachlass an uns weitergegeben wird. Aber ganz allein gelassen hat man uns nicht – die Stadt Regensburg hat im Laufe der Jahre ihren Zuschuss verdoppelt, während der Staat zumindest 15 Prozent drauflegte.

Jazzzeitung: Die Stadt Regensburg hat also die Bedeutung des Instituts und des Jazzweekends erkannt?

Merbold: Die Zusammenarbeit mit der Stadt ist sehr erfreulich, weil man tatsächlich miteinander spricht und Ideen austauscht. Das beste Beispiel ist das Bayerische Jazzweekend. Die Stadt ist alleiniger Veranstalter und wir leiten es künstlerisch. Das ganze Projekt funktioniert nur, weil alle eng vernetzt an einem Strang ziehen, was in dieser Form ziemlich einmalig sein dürfte, denn auch die Musiker tragen einen großen Teil dazu bei, indem sie für dieses geringe Entgelt (80 Euro pro Musiker und Auftritt) spielen.
Wiedamann: Das war von Anfang die Idee dahinter: eine konzertierte Aktion von Musikern und der Kommune. Was klein begonnen hat, hat sich inzwischen aber zu einer echten landesweiten Veranstaltung entwickelt, die eben in Regensburg stattfindet und von der Kommune für die Besucher zum Nulltarif zur Verfügung gestellt wird. Dass dabei der gesamten bayerischen Szene die Möglichkeit gegeben wird, sich in so vorteilhafter Umgebung einem interessierten Publikum zu präsentieren, wird leider vom Freistaat und den Bezirken jenseits der Oberpfalz nicht wirklich gewürdigt. Dabei ist es ein wirklich besonderes Konstrukt.

Merbold: Auch weil darauf verzichtet wird, mit allen Mitteln Geld einzutreiben. Wenn diese Superkommerz-Stände mit Plastikschund sich beteiligen wollten, beißen sie auf Granit, weil man versucht, Kommerz aus dem Fest rauszuhalten.

Jazzzeitung: Ein Fest von Musikern für die Bürger also…

Merbold: Genau, ein Fest für alle, kein Festival, wo große Stars vor einem dezidierten Jazzpublikum auftreten. Darum geht es hier nicht. Und die Musiker – einige davon seit Anbeginn dabei, manche absolute Profis – fühlen sich sehr wohl und wollen wieder kommen, weil es einfach Spaß macht, dabei zu sein. Wer zu uns kommt, ist hoch motiviert und bereit einen Beitrag zu leisten. Wir wollen hier auch ältere, erfahrene Musiker mit dem Nachwuchs zusammenführen. Das passiert unter anderem während der abendlichen Sessions. Spontan fällt mir in diesem Jahr eine Konstellation am Bismarckplatz ein, die für unseren Spielplan typisch ist: Erst spielt der Wiener Vollprofi Harri Stojka mit seiner Gruppe Gitancoeur und danach die Nachwuchsband Frankzone, die nicht nur den bayerischen Landeswettbewerb Jugend jazzt in ihrer Altersgruppe für sich entschieden haben, sondern auch grade auf Bundesebene erfolgreich waren (siehe auch unser Portrait auf Seite 14). Die beiden Bands stehen im Spielplan gleichberechtigt nebeneinander und nutzen die Chance, sich zu beweisen.

Jazzzeitung: Stichwort Nachwuchsförderung. Im letzten Jahr gab es zum ersten Mal Konzerte mit Nachwuchsbands im Kulturspeicher als neuem Auftrittsort…

Merbold: Wir haben das im letzten Jahr versucht, aber in diesem Jahr leider keinen Sponsor gefunden, der sich dessen angenommen hätte. Da es aber nur mit massiven Werbemaßnahmen gelingt, dort ganztägig ein Publikum zu bekommen, haben wir in diesem Jahr die jungen Bands auf die anderen Auftrittsorte verteilt. Wir haben deswegen nicht weniger Nachwuchs im Boot, die beiden ersten Preisträger „Jugend jazzt“ aus Bayern werden spielen, außerdem haben wir die Bundespreisträger aus Baden-Württemberg, Jazz Attack, eingeladen und diverse andere hochkarätige Nachwuchstalente aus dem ganzen Bundesgebiet.

Den Kulturspeicher nutzen wir in diesem Jahr für Abendveranstaltungen mit Gitancoeur, da wir gewährleisten wollen, dass sie auf jeden Fall einmal auftreten können, und am Sonntag gibt es eine Blues-Night. Wir sind ja bei den Plätzen abhängig vom Wetter. Bei massivem Regen werden wir einige Tagesveranstaltungen von den großen Plätzen aus der Innenstadt in den Kulturspeicher verlegen.

Jazzzeitung: Und alle bekommen dieselbe Gage?

Merbold: Ja, das ist ein Grundprinzip, daran wollen wir nichts ändern. Natürlich sind wir darüber hinaus immer auf der Suche nach Sponsoren, die uns zum Beispiel Übernachtungen finanzieren könnten. Denn es gibt Bewerbungen von tollen Musikern aus ganz Europa, die mitmachen würden für das geringe Entgelt, das vielleicht einmal gerade die Fahrtkosten abdeckt, die aber wenigstens eine Übernachtung finanziert bräuchten. Das können wir nicht leisten.

Jazzzeitung: Wie viele Bewerbungen gab es in diesem Jahr?

Merbold: 258, davon werden ungefähr 100 Bands spielen. Eine Programmjury hat alle Einsendungen bewertet. Die Organisation ist anstrengend, aber immer wieder auch erheiternd, vor ein paar Tagen mussten wir einen Vertrag noch mal rausschicken, weil den ersten ein Hase gefressen hatte. Es ist ein Auftrittsort weggefallen, dafür sind zwei neue dazu gekommen: der Andechser am Dom mit dem Herzogssaal und wahrscheinlich der Augustiner.

Jazzzeitung: Im vorigen Jahr gab es einen Schwerpunkt Osteuropa, was gibt es 2003 Besonderes in dieser Richtung?

Merbold: Die Janne Ersson Big Band wird mit ihrem Buddy-Rich-Programm auf dem Weg nach Montreux bei uns Station machen und so schlagen wir dieses Mal eine Brücke nach Schweden.

Wiedamann: Wir hätten gerne diese Band mit Gitancoeur zusammengebracht, also die Wikinger mit den Österreichern, die in Richtung Gipsy Jazz gehen, aber das hat aus terminlichen Gründen nicht geklappt. Das wäre eine Wahnsinnsmischung gewesen.

Merbold: Motto des Weekends ist „Keep swinging“, um bei aller wirtschaftlicher Tristesse zumindest mit dem Jazz eine positive Nachricht nach außen zu tragen. Das Jazzweekend hat schon immer gute Laune verbreitet. Und das soll auch so bleiben. (Weitere Programmdaten, Bands und Termine im Flyer, der dieser Ausgabe der Jazzzeitung beiliegt.)

Jazzzeitung: Welche Projekte, Vorhaben wird das Bayerische Jazzinstitut in nächster Zukunft außerdem verwirklichen?

Merbold: Wir arbeiten ganzjährig an unserer Homepage (www.bayernjazz.de) mit laufenden Projekten wie dem Festival- oder dem Fernsehkalender, die ständig betreut werden müssen. Viel Zeit beanspruchen auch die Rechercheanfragen. Wir bekommen inzwischen Anfragen zu jazzrelevanten Themen aus der ganzen Welt. Studenten und Schüler, die Arbeiten schreiben, Hollywood-Produzenten, Sammler aus Österreich, fragen um Rat, sei es nach Literatur, nach einer bestimmten LP, einer bestimmten Session – die Recherchen sind natürlich sehr zeitaufwändig. Wir haben im vergangenen Jahr außerdem angefangen, unter dem Motto „Jazz (er-)leben“ den pädagogischen Arbeitskreis wiederzubeleben, der nächste Termin ist der 20. Juli, Interessierte können sich noch per E-Mail anmelden, die Teilnahme ist kostenlos. Dabei beschäftigt uns die Frage, wie man den Jazz in die Bildung, die Schulen integrieren kann, wobei wir großen Wert auf eine praxisbezogene Arbeit legen. Die Teilnehmer werden untereinander vernetzt, die Nachfrage ist groß, weit über die Grenzen Bayerns hinaus.

Wiedamann: Das ist in der Hinsicht auch ein interessantes Projekt, weil sich gezeigt hat, dass es Genre-übergreifend laufen muss, denn inzwischen geht es sogar darum, die Kunst des Zuhörens zu vermitteln, und das ist ein Thema, dass sich quer durch die ganze pädagogische Landschaft zieht. Wir sind da auf etwas gestoßen, was uns noch sehr beschäftigen wird. Das wurde während des ersten Treffens bereits klar.

Merbold: Stichwort Praxisbezogenheit, wir haben zum Beispiel letztes Mal den Film „Tic Code“ vorgestellt, den man fächerübergreifend in den allgemein bildenden Unterricht integrieren kann – was wir anhand des aktuellen bayerischen Lehrplans demonstriert haben. Wir wollen nach jedem Treffen den Beteiligten konkrete Handreichungen zur Verfügung stellen.

Momentan sind wir außerdem an den Vorbereitungen zu einer faszinierenden Publikation von Bear Family Records beteiligt, die eine der ganz frühen Radioübertragungen, aus dem Jahr 1931, Live-Aufnahmen aus dem Cotton Club unter anderem mit Cab Calloway, erstmals zugänglich machen wird.
Weiterhin werden wir jetzt die elektronische Archivierung angehen. Wir haben das große Glück, mit einer Firma in Wien zusammenarbeiten zu können, CMB-Informationslogistik, die eine Software für das historische Museum von BMW entwickelt hat, Artefakt. Dieses Programm möchten wir – mit finanzieller Unterstützung von BMW – auf unsere Bedürfnisse als Musikarchiv hin modifizieren und dann sobald wie möglich einsetzen. Die Software unterscheidet sich von den normalen Bibliotheksprogrammen in der Hinsicht, dass sie uns ermöglicht, ein echtes Wissensnetz zu knüpfen. Wenn wir einen anschaulichen Bestand zusammen haben, können wir unser Archiv sogar mehrsprachig der Öffentlichkeit zugänglich machen, das ist der Hintergedanke. Wir hoffen, dass wir letztlich mit unseren Erkenntnissen anderen Musikarchiven weiterhelfen können. Doch bevor es soweit ist, werden wir auch in diesem Bereich noch nach weiteren Sponsoren suchen müssen. Über den Stand aller Projekte informieren wir in unserm E-Mail-Newsletter, den man auf unserer Homepage abonnieren kann.

Jazzzeitung: Simple Frage zum Abschluss: Was wünschen Sie sich für das Jazzweekend 2003?

Beide unisono: Sonne.
Merbold: Alles andere findet sich.

Interview: Ursula Gaisa

Weitere Informationen zum Jazzinstitut und zum Bayerischen Jazzweekend unter

http://www.bayernjazz.de
http://www.bayerisches-jazzweekend.de

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