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Wenn Ennio Morricone im Kino seine Filmmusik zu „Spiel mir das Lied vom Tod“ live hätte spielen müssen – er wäre so geschafft und ausgelaugt wie Jens Thomas, der seit Monaten nur noch eines gibt: Den Psycho-Soundtrack zu Luk Percevals „Othello“ an den Münchener Kammerspielen. Live. Und improvisiert.
Was der Pianist zu „Othello“ spielt, hat mit einer bloßen
musikalischen Untermalung so wenig zu tun, wie die Installation (Katrin
Brack) in der Bühnenmitte mit einem normalen Konzertflügel:
Zwei miteinader fickende Flügel, der obere schwarz, der andere weiß.
Weiß wie Desdemona, dem Objekt der Begierde in einer von Jagos (Wolfgang
Pegler) Rassismus und Sexismus angetriebenen Hasswelt, in der sich Othello
(Thomas Thieme) in den Eifersuchtsmord an Desdemona (Julia Jentsch) hineinmanipulieren
lässt. Auf diesem seltsamen Instrument erzählt Thomas die Geschichte
vom „Mohren von Veenedig“ mit der Sensibilität und Flexibilität
des frei improvisierenden Musikers. Er schlüpft in jede Rolle und
Szene, er greift Gefühle und Stimmungen auf und verstärkt sie.
Die Inszenierung gewinnt dadurch auf einer zweiten musikalischen Ebene
eine psychologische Stringenz, zu der sie ohne Jens Thomas nie gefunden
hätte. Manchmal ist die emotionale Wucht des Stücks, das sich in der Neubearbeitung durch Feridun Zaimoglu („Kanak Sprak“) und Günter Senkel in der drastischen Diktion des Gangsta-Rap über den Zuschauer ergiesst, so stark, dass der Flügel nicht mehr ausreicht. Dann fängt Jens Thomas in einer hohen Falsettstimme plötzlich zu singen an. Zuvor hatte er solche Regungen immer unterdrückt, weil er sie komisch fand und weil sie so viel Kraft kosten: „Im Theater habe ich mich geschützt gefühlt. Überhaupt habe ich dort gelernt, stärker meinen Impulsen und denen anderer zu folgen. Dadurch bin ich besser auf Solokonzerte vorbereitet. Ganz zu schweigen von der Improvisations-Kondition, die ich mir bei Othello mit bis zu vierstündigen Proben erspielen musste.“ Als Kontrast zum düsteren „Othello“ ist für Jens Thomas mit seiner zweiten Duo-CD mit dem Saxophonisten Christof Lauer erst einmal „Pure Joy“ (ACT 9415-2) angesagt. Der Titel hat für Jens Thomas einen doppelten Bezug. Da ist zum einen die Freude, nach der Morricone-CD und dem Sting-Projekt („Shadows in the Rain“; ACT 9297-2) endlich eine CD ausschließlich mit eigenen Kompositionen des Duos aufgenommen zu haben: „Ich hatte schon Angst, als Hommage-Spezialist abgestempelt zu werden. Deswegen wollte ich auf keinen Fall ‚Jens Thomas spielt Morricone, Vol. 2‘ aufnehmen. Das hätte sich zwar verkauft, aber mich hätte es frustriert.“ Claus Lochbihler |
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