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Ralf Dombrowski: John Coltrane: Sein Leben, seine Musik, seine Schallplatten, Collection Jazz Bd. 28, Oreos-Verlag Waakirchen, 241 Seiten, ISBN 3-923657- 63-3 Der Glorifizierung und Mystifizierung John Coltranes als Lichtgestalt der Avantgarde ein historisch-kritisches Gegengewicht entgegenzusetzen ist mitnichten ein Unterfangen, das den notwendigen Respekt vor dem Genie missen ließe. Im Gegenteil: Die Lebensleistung eines Menschen wird um so deutlicher, je mehr er Mensch bleibt und nicht in Sphären entrückt wird, in denen Leid und Schwäche sich von selbst auflösen in ein fernes Nirwana, das den Heros in der Aura des Numinosen sich verflüchtigen lässt. Andererseits kann er Mensch nur bleiben, wenn er nicht zum reinen Objekt wissenschaftlicher Neugier und kühl rationaler Analyse herabgewürdigt wird, sondern wenn zum kritischen Respekt auch die Empathie tritt. Ralf Dombrowskis John-Coltrane-Monografie gelingt in eindrücklicher Gleichzeitigkeit von Nähe und Distanz eine profunde Darstellung von Person und Werk einer der bedeutendsten Persönlichkeiten der Jazzgeschichte. Der so detaillierte wie flüssig zu lesende biographische Teil begleitet den Jungen aus der Provinz über die „Lehrjahre“ auf seinem Weg zum eigenen Stil, durch die „Emanzipation“ von Lehrern und Leadern hin zur gleichberechtigten „Freiheit“, über Kind of Blue an der Seite von Miles und die eigenen Giant Steps hin zum „Erfolg“. Ralf Dombrowski bleibt nicht stehen bei „Spiritualität und Ende“, sondern widmet sich auch der Bedeutung und Begabung von „Alice und Ravi“ sowie „Coltranes Erben“. Ein eigenes Kapitel „Sound und Stil – der Klang der Moderne“ analysiert Sound und Wirkung, Konstruktion und Kontraste sowie jene Freiheit, die an ihre Grenzen stößt, wo Musik zum extrem individualisiert erfahrbaren, jedoch kaum noch nachvollziehbaren Innenphänomen wird: „Seine Klangwelt bestimmte sich immer deutlicher aus dem Energiefluß der eigenen Persönlichkeit und wurde damit zum spirituellen, aber auch hermetischen Phänomen… Trotzdem blieb bis zum Schluss das Wechselspiel der eigenen Entfaltung und des Soundkörpers der Band ein wesentlicher Bestandteil von Coltranes Klangsuche.“ (S. 96) Auf mehr als 120 Seiten finden sich – wie in der Collection Jazz üblich – Besprechungen von John Coltranes Musik auf Tonträgern. Der Besprechungsteil berücksichtigt alle veröffentlichten und erhältlichen Aufnahmen von John Coltrane als Leader, außerdem eine „repräsentative Auswahl“ seiner Tätigkeit als Sideman. Dabei wird das Wirken des Saxophonisten differenziert, kritisch, kenntnisreich und angemessen ausführlich gewürdigt. Bei aller Detailfülle und bei aller Nüchternheit des Blicks beansprucht Dombrowskis Buch jedoch nicht alle Rätsel zu lösen, die Coltrane den Nachgeborenen aufgibt. So bleibt der Mythos in seinem Recht, „ohne den auch die schillerndste Künstlerpersönlichkeit eines Tages verblaßt.“ Tobias Böcker |
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