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Die 97. Arbeitsphase des Bundesjugendorchesters (BJO) in Weikersheim (27.12.2002 bis 18.1.2003) sollte für die jungen Musiker und Musikerinnen eine außergewöhnliche werden. Denn nicht nur so genannte „ernste Musik“ galt es einzustudieren. Das Repertoire sollte diesmal erweitert werden und durch Jazz eine andere Farbe gewinnen. Dieses Experiment vereinte das BJO erstmals mit den Musikern des Bundesjugendjazzorchesters (BuJazzO). Ab 3. Januar galt es für das BJO, von Sergej Rachmaninoff auf Duke Ellington „umzusteigen“. Gunther Schuller leitete die Proben und die darauf folgende Konzerttournee. Vor dem Konzert in Augsburg sprach Jazzzeitungs-Redakteurin Barbara Lieberwirth mit dem künstlerischen Leiter des BuJazzO, Peter Herbolzheimer, über die Probephase, den Deutschen Musikrat und über Jugendförderung im Jazzbereich. Jazzzeitung: Wie lief die Probephase und waren Sie mit dem ersten Konzert in Bielefeld zufrieden? Peter Herbolzheimer: Die Proben verliefen sehr gut. Für uns war es keine direkte Probephase, wir sind ja nur für zwei Tage zur Winterarbeitsphase des BJO dazugestoßen. Im Konzert hat das BJO mit der 2. Sinfonie von Rachmaninoff begonnen, dann kam Ellingtons Stück „Night Creature“, das er in den 50er Jahren extra als Komposition für Big Band und Sinfonisches Orchester geschrieben hat. Und nach der Pause spielte dann das BuJazzO seine Titel. Jazzzeitung: Sind alle Konzerte der Tournee in Anbetracht der Lage des Deutschen Musikrates gesichert? Herbolzheimer: Die Konzerte sind alle gesichert. Und soweit man die Verantwortlichen ernst nehmen kann, sind auch die Projekte nicht gefährdet. Auch die Winterarbeitsphase in Trossingen ist nicht gekürzt wurden. Es wäre auch ein Unding, wenn die Arbeitsphasen scheitern würden. Jazzzeitung: Hat die Insolvenz des Musikrates Auswirkungen auf die Arbeit des BuJazzO ? Herbolzheimer: Durch die Insolvenz direkt nicht, aber es ist im gesamten Gefüge eine Unruhe zu spüren. Konkret ist es so, dass den Teilnehmern der BuJazzO-Arbeitsphase im vergangenen September in Rheinsberg noch keine Reisekosten zurück erstattet wurden. Die Summen sind jetzt in der Insolvenzmasse und selbst das BuJazzO ist einer der Gläubiger des Deutschen Musikrates. Das ist alles nicht nachzuvollziehen. Es stimmt schon, dass Kulturausgaben kontrolliert werden müssen, aber es muss auch eine gewisse Sicherheit da sein. Und die ist im Moment sehr wacklig. Jazzzeitung: In dieser Situation ist es doch nur folgerichtig, dass auf Initiative der Union Deutscher Jazzmusiker, deren Präsident Sie ja sind, jetzt ein Bundesverband Deutscher Jazzmusiker gegründet wurde. War das eine Flucht nach vorn? Herbolzheimer: Nein, das kann man nicht so sehen. Es ist einfach praktikabler und eine logische Weiterführung, die kleineren Verbände und Institutionen zusammen zu schließen. Jazzzeitung: Welche Aufgaben hat sich der Bundesverband gestellt? Herbolzheimer: Er soll ganz einfach die Situation der Jazzmusiker verbessern. Die Chancengleichheit, vor allen gegenüber den amerikanischen Musikern die hier permanent spielen, muss gegeben sein. Wenn man zum Beispiel die Konzerte und Festivals anschaut, finden Sie mehr als 80 Prozent Amerikaner. Deutsche Musiker müssen dort auch vertreten werden. Vor allem junge Musiker, die zum Teil sehr hoffnungsvoll sind, fühlen sich hier total unterlegen. Auch die Geldgeber müssen darauf achten, für welche Zwecke die Fördermittel ausgegeben werden. Es werden oft Mittel eingesetzt, die ganz andere Zwecke verfolgen sollten. Jazzzeitung: Junge Musiker haben es wirklich schwer, sich selbst zu vermarkten. Ich sehe hier auch ein Manko im Bereich der Ausbildung. Studenten müssten doch zumindest einen Kurs angeboten bekommen, der sie auf die marktwirtschaftlichen Gegebenheiten vorbereitet. Was nützt die Perfektion auf dem Instrument, wenn man nicht mal mit einer Steuererklärung zurechtkommt. Herbolzheimer: Da haben es die Amerikaner mit ihrem einfachen
Steuersystem wieder besser... Ich empfinde die Betreuung nach dem Studium
aber auch als sehr wichtig. Die Musiker können sich nicht selbst
überlassen werden. Das ist nur die Bequemlichkeit und fatale Meinung
von Politikern. Kunst kann sich nicht selbst tragen. Wenn man das wirklich
praktiziert, gibt es innerhalb von vier Wochen keine Opernhäuser,
keine Spielstätten mehr. Herbolzheimer: Das ist unerträglich und wird immer unerträglicher. Jazzzeitung: Wie sieht der Beitrag zur die Finanzierung des BuJazzO durch Sponsoren aus? Herbolzheimer: Wir haben unter anderem DaimlerChrysler als Sponsor, der ein sehr zurückhaltender Geldgeber ist. Er mischt sich nicht ein und verlangt auch nicht, dass wir uns sein Logo aufs T-Shirt schreiben. Ähnlich ist es bei Yamaha, die wir kürzlich für uns gewinnen konnten. Nur dem WDR, der seit 15 Jahren unsere Konzerte mitschneidet, fehlt das Geld. Da gibt es nur Schnürsenkel, die nicht abgemischt werden. Aber die Zeiten sind überall nicht sehr erfreulich, und dadurch treten die unerfreulichen Seiten besonders hervor. Jazzzeitung: Haben Sie die Befürchtung, dass sich Sponsoren, wie die Stiftung Kunst und Kultur NRW oder die Sparkasse Bonn aufgrund der ungewissen Zukunft des Deutschen Musikrates zurückziehen? Herbolzheimer: Ich kann es mir nicht vorstellen, dass sich die Sponsoren wegen dieser Sachen zurückziehen. Aber möglich ist alles und auch Sponsoren brauchen Sicherheit. Es ist eben leider so, dass es zur Zeit diese Unsicherheit gibt, die bestimmt noch einige Monate andauern wird. Ich hoffe, es geht nichts kaputt. Jazzzeitung: Ja, das hoffen wir alle. Ich bedanke mich für dieses Gespräch und wünsche noch viel Erfolg bei den nächsten Konzerten mit dem BJO.
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