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Wer auch immer die Idee hatte, Biréli Lagrène und Brad Mehldau an einem Abend, nur von einer Pause getrennt, aufeinander folgen zu lassen: an mehr als einer möglichst großen Schnittmenge potenzieller Fans kann er kaum interessiert gewesen sein. Denn welche Gemeinsamkeit ließe sich zwischen diesen beiden Musikern schon herstellen? Dass beide auf Platte schon mal das Beatles-Kleinod „Blackbird“ in ihren ganz verschiedenen Jazzdialekten ausformuliert haben? Dass beide als unbestrittene Meister ihres Instruments früh zur Legende geworden sind? Alles recht weit hergeholt und kaum nennenswert. Aber auch was die Anziehungskraft zweier so disparater Namen betrifft, ging die Rechnung bei dieser „Rolf Benz Jazznight“ in der Kölner Philharmonie nicht auf, wo sich zwar mehr als ein Schnitthäuflein, aber eben auch keine wirkliche Menge einfand. An der postexistenzialistischen Abendgarderobe meinte man schon ablesen zu können, wo die Präferenzen lagen. Und so schien die Mehrheit der Anwesenden auch Lagrènes „Gipsy Project“ als durchaus willkommenes, aber eben keinesfalls unverzichtbares „amuse-gueule“ aufzufassen. Ein Fehler, erwies sich diese Verneigung vor den Ahnen des Gipsy-Swing doch als eine mehr als nur nostalgische Rückschau auf höchstem instrumentalen Niveau. Vielmehr blitzte hinter aberwitzigen Tempoexzessen und augenzwinkernden Hommages manch harmonische Verfremdung auf, die Lagrène auf dem Weg hin zu einer Art „New Gipsy“ zeigte. Als treibende Kraft neben dem grandiosen, manch herbe Tongebung riskierenden Gitarristen erwies sich der umwerfend aufspielende Geiger Florin Nicolescu – in Sachen Spielwitz und Einfallsreichtum ein ebenbürtiger Partner für Lagrène. Nach der Pause dann das Kontrastprogramm: An die Stelle virtuoser Explosionen trat nun eine nach innen gerichtete Intensität, der unbedingte Wille zu wahrhaftigem, von aller Floskelhaftigkeit befreitem Ausdruck. Vor allem Mehldau selbst schien förmlich in den Flügel hinein zu implodieren. Die Krümmungen und Windungen, die er immer wieder vollführte, waren die sichtbare Außenseite weit ausholender Soli, mit denen er sich, auch wenn manchmal längere Anläufe in Kauf zu nehmen waren, immer wieder zu beglückender Leuchtkraft steigerte. Als besonders geeignet für diese Dramaturgie erwies sich die rhythmische Sogwirkung der 7/8-Nummer „Boomer“, während in anderen Stücken, etwa in Thelonious Monks „Skippy“, die weiten Wege, die Mehldau ging, weniger ereignis- und ertragreich ausfielen. Betörend aber immer wieder die bis ins Zerbrechliche zurückgenommene Feinheit des Anschlags und der Phrasierung, die seinen faszinierenden Lesarten von Balladen wie Henry Mancinis „Dreamville“ zugute kam. Und welch ein Genuss, dem traumwandlerischen Zusammenspiel mit Larry Grenadier am Bass und Jorge Rossy am Schlagzeug zu lauschen – zwei Musiker, die sich stets auf gleicher Augenhöhe in die improvisatorischen Prozesse Mehldaus eingebunden zeigen und auch selbst einiges zu sagen haben. Juan Martin Koch |
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