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Wer zum ersten Mal durch die Räume der Musikakademie Marktoberdorf streift, kann sich eines Eindrucks nicht erwehren: Hier hat man bei der Planung endlich einmal jemanden gefragt, der sich damit auskennt. Akustik, Ausstattung, Atmosphäre: ausgezeichnet. Der Verantwortliche, Dolf Rabus, Leiter der Akademie und musisch versierter Architekt, ist niemals weit. Er hält ein Team zusammen, das mit viel Energie und Charme alles für seine Gäste tut – besonders für die jungen Jazzer, die seit Jahren dem Haus die Treue halten. Auch im Jahr 2002 fanden sich junge Musiker aus ganz Bayern vom 29. November bis 1. Dezember ein, um beim achten Landeswettbewerb für Solo und Ensemble musikalisch ihre Kräfte zu messen. Schon am Freitagabend trat die prominent besetzte Jury zu einer ersten Sitzung zusammen. Johannes Herrlich, Johannes Klose, Axel Prasuhn, Harald Rüschenbaum, Tiny Schmauch und Thomas Zoller berieten gemeinsam mit dem organisatorischen Leiter Willi Staud den Ablauf der am nächsten Tag anstehenden Vorspieltermine. Obwohl es für die Jury bequemer gewesen wäre, sich aufzuteilen, wollte man den Nachwuchsmusikern nicht die Chance auf eine gemeinsam erarbeitete konstruktive Kritik nehmen. Und so waren die sechs Juroren am nächsten Tag von 9.00 Uhr morgens bis 23.00 Uhr in der Nacht mit den maximal 15minütigen Wertungsspielen, den Juryrunden und den Beratungsgesprächen beschäftigt. „Ich sehe ‚Jugend jazzt’ weniger als Wettbewerb, sondern viel mehr als Begegnung.“ – der nächste Tag macht Willi Stauds Leitspruch alle Ehre. Keiner der Anwesenden war scharf darauf, ein Treppchen zu erklimmen oder eine Kristallschüssel nach Hause zu schleppen (so was gab es auch gar nicht). Der olympische Gedanke, „dabei sein ist alles“, durchzog die gesamte Veranstaltung. Viel mehr als dem Ergebnis fieberte man dem Beratungsgespräch durch die Jury entgegen. Deren Ensembleleistung war erstaunlich. In den Juryrunden ergänzten sich messerscharfe Analysen mit Erfahrungswerten, spezifische Beobachtungen kulminierten zu Gesamteindrücken. Die Beteiligten erwiesen sich als Meister des Zuhörens, deren Aufmerksamkeitsspanne auch am Ende des Tages kaum nachzulassen schien. So war es möglich Stärken und Schwächen der Jungmusiker ganz gezielt anzusprechen und ihnen wertvolle Tipps für die Zukunft zu geben. Überflieger des Tages war die Gruppe „Etna“ (B II: Altersschnitt bis 24 Jahre) der in München beheimateten Pianistin Andrea Hermenan. Unterstützt von Vlado Grielj (g), Ivo Fischer (b) und Manuel Dacoll (d) spielte die sympathische junge Frau ihre musikalischen Stärken gekonnt aus. Der Jury blieb nichts anderes übrig, als sich der in einer Atempause zwischen zwei selbst geschriebenen Stücken geäußerten Meinung im Publikum anzuschließen: „Wow!“ – oder, in der Wettbewerbsterminologie gesprochen, „hervorragend“. ‚Etna’ winkt jetzt auf Einladung des bayerischen Rundfunks, Redaktion Laienmusik, eine Studioproduktion. Nur einem gelang es außerdem noch, sich die höchste Bewertung zu erspielen: Der Pollinger Gitarrist Max Frankl lief zu Höchstform auf. Sein Talent soll durch Solo-Unterricht bei einem namhaften Dozenten seiner Wahl gefördert werden. Er spielte außerdem gemeinsam mit Robin Auld (b) und Peter Gall (d) in der Formation ,Frank Zone’ (B I: Altersschitt bis 19 Jahre) von Magnus Schriefel (tp), die Anfang Mai dank ihres „sehr guten“ Erfolgs Bayern bei der Bundesbegegnung „Jugend jazzt“ in Bonn vertreten wird. Während der drei Tage ebenfalls anwesend war Richard Wiedamann, Gründungsvater des Landes-Jugendjazzorchesters und Leiter des Bayerischen Jazzinstituts, der inoffiziell als Talentscout für die Jugendbühne beim Bayerischen Jazzweekend (10. bis 13. Juli 2003) unterwegs war. Er erlebte in einer der Spielpausen eine besondere Überraschung. Einer der jungen Musiker kommt zielstrebig auf ihn zu: „Wahrscheinlich können Sie sich nicht an mich erinnern.“ Als ein fragender Blick ihm Recht gibt, fügt er hinzu: „Wir haben beim letzten Jazzweekend miteinander gespielt.“ Sofort fällt der Groschen: Es ist der junge Gitarrist. Er war derjenige, der in einer von Richard Wiedamann solo gefüllten Spielflaute beherzt einstieg und zum Auslöser einer Session wurde, die unter anderem auch Harald Rüschenbaum auf die Bühne des Kulturspeichers zog. Das wird keiner der Anwesenden so schnell vergessen – ein nostalgisches, glückliches Lächeln huscht über die Gesichter. Die bayerische Jazzwelt ist nicht nur klein, sondern für einen Moment auch heil. Während sich die restlichen Jurymitglieder einzelne Mitwirkende zu den vorab abgestimmten Beratungsgesprächen holten, gestalteten am Abend Harald Rüschenbaum, der den Fortgeschrittenen neue Perspektiven eröffnete, und Tiny Schmauch, der sich der weniger erfahrenen Musiker annahm, zwei Workshops. Tiny Schmauch brachte aber nicht nur den Jungmusikern den Blues nahe. Einige Teilnehmer einer Fortbildung aus dem Klassik-Genre hatten sich in den Konzertsaal verirrt und waren sofort sängerisch eingespannt worden. Erst als ihre eigenen Leute die Verschollenen entdeckten und energisch aus dem Saal winkten, zogen sie, den Blues immer noch auf den Lippen, zu ihrem eigenen Veranstaltungsraum. Missionsarbeit vom Feinsten. Angelika Lutz-Fischer vom Verband der Sing- und Musikschulen und „Jugend jazzt“-Schirmherr Dr. Georg Simnacher, Bezirkstagspräsident von Schwaben und Präsident des Verbandes der Bayerischen Bezirke, überreichten am Sonntag den etwas übermüdeten aber glücklichen Teilnehmern beim Matineé-Konzert ihre Urkunden. Ein Resümee zu ziehen fällt nicht schwer. „Jugend jazzt“ in der Musikakademie Marktoberdorf ist ein Glücksfall für Bayern, und, wenn man die aktuelle Trefferquote bei der Bundesbegegnung mit fünf Preisträgern in Folge bedenkt, auch für den Rest der Republik. Doch auch dieses Vorzeige-Projekt muss bei steigender Nachfrage mit stagnierenden Geldmitteln auskommen, für die weitergehende Förderung der Jungmusiker müssen dringend privatwirtschaftliche Sponsoren gefunden werden. Trotzdem hoffen alle, dass 2003 beim Big Band Wettbewerb sich eine Menge bayerische Schulorchester ein Herz fassen, und sich die Chance zur kompetenten, kostenlosen Manöverkritik nicht entgehen lassen. Infos zum Wettbewerb und der diesjährigen Ausschreibung im Internet unter www.modmusik.de Sylke Merbold
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