Anzeige |
|
|
Anzeige |
|
So ganz langsam muss sich der sardische Trompeter und Flügelhornist Paolo Fresu mit dem Status anfreunden, ein Star zu sein. An vielen Fronten ist der Instrumentalist, der immer ein wenig wie ein ungemachtes Bett aussieht, derzeit aktiv und damit so präsent wie kaum ein Musiker aus seiner Heimat (in Einbeziehung des italienischen Festlands). Mit seinem Landsmann Antonello Salis (Akkordeon) und dem hannoverschen Pianisten Jens Thomas stellte er kürzlich das für ACT aufgenommene Ennio-Morricone-Tribut You Cant Keep A Good Cowboy Down live auf den bedeutenden europäischen Festivals vor, er veröffentlichte mit Melos (RCAViktor) ein neues Solo-Album, ist nach wie vor ein Viertel der Gruppe Palatino, die gerade ein neues Werk auf den Markt brachte (Universal), und leider gibt es derzeit auch eine etwas maue Chet-Baker-Hommage (bei Label Bleu) zu hören, bei der er sich mit dem Trompeter Enrico Rava die Verantwortung teilt. Die größte Aufmerksamkeit dürfte Fresu aber die CD Sonos `E Memoria (ACT) bescheren. Die enthält die Musik zu einem Film des in Rom lebenden sardischen Regisseurs Gianfranco Cabiddu. Der entdeckte vor einigen Jahren altes Film-Material, das er zu einer Collage zusammenstellte. Szenen aus dem Sardinien der 30er- bis 50er-Jahre sind da zu sehen, Ausschnitte, die Feldarbeit, das trübe Schuften in Kohlebergwerken, rauschende Dorffeste oder Pferde-Rennen zeigen. Die klangliche Untermalung oder Begleitung wird live zu den bewegten Bildern improvisiert, nach Vorlagen aus der Volksmusik Sardiniens. Seit sechs Jahren gibt es das Projekt bereits, das sich international schon auf vielen Bühnen präsentieren durfte. Doch erst jetzt wurde der musikalische Teil für die Nachwelt dokumentiert. Neben Paolo Fresu, der nicht nur als Bläser fungiert, sondern auch die Leitung des Ensembles übernahm, ist mit Elena Ledda eine Legende der sardischen Volksmusik zu hören, sowie allerlei Prominenz von der Mittelmeerinsel, neben anderen der Akkordeonist Antonello Salis, der Bassist Furio di Castri, der Regisseur selbst am Violoncello sowie der Chor Coro Su Concordu e Su Rosariu di Santulussurgiu, der sonst nur zu Festlichkeiten zusammenkommt. Alle Versuche, die bisher unternommen wurden, die traditionelle Musik Sardiniens in die Gegenwart zu transponieren, sind fehlgeschlagen, weil meist keine Klischees ausgelassen wurden oder der Musik ihre Urwüchsigkeit genommen wurde. Mir lag daran, die Modernität unserer reichen musikalischen Historie aufzuzeigen, sagt Paolo Fresu. Dabei ging es mir darum, die immer noch vorhandene Gültigkeit und Zeitlosigkeit bestimmter musikalischer Formen aus unserer Tradition zu zeigen und was sich aus ihnen heraus entwickelt hat. Das musikalische Resultat ist sehr anrührend, bewegt Vergangenheit und Gegenwart aufeinander zu, präsentiert eine reiche, vielschichtige Kultur, die immer noch nicht ganz erschlossen ist und deshalb bisweilen auch durchaus mysteriöse Färbungen trägt. Deutlich ist die besondere geografische Lage Sardiniens aus der Musik herauszuhören, weil sich sowohl Elemente aus dem Nordafrikanischen als auch von verschiedenen europäischen Mittelmeeranrainern in der Klangwelt der Insel manifestiert haben. Dazu kommt noch der Hauch einer Jazz-Note und bereichert das Gesamtklangerlebnis. Ssirus W. Pakzad |
|||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
|