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Zum Tode von Billy Higgins
Seit Anfang des Jahres zeichnete es sich ab, dass es nicht gut um Billy
Higgins stand. Spendenaufrufe für eine Lebertransplantation geisterten
durch das Internet, Musikerkollegen spielten Benefizkonzerte. Die Hilfe
kam zu spät. Am 2. Mai starb der Schlagzeuger im Kreise der Familie an
den Folgen einer Lungenentzündung. Er wurde nur 64 Jahre alt, in denen
er jedoch die Stilistiken des modernen Jazz nachhaltig veränderte. Geboren
am 11. Oktober 1936 in Los Angeles im Schwarzenviertel Watts hatte Higgins
sich zunächst mit Rhythm&Blues-Jobs durchgeschlagen. Über Don Cherry kam
er mit den Vordenkern der jungen Avantgarde zusammen und traf 1957 auf
Ornette Coleman. Higgins’ Gespür für den Puls der Musik jenseits der dominanten
Oberfläche des Rhythmus empfahl ihn für dessen legendäres Album „Free
Jazz“ (1960). Es folgten kurze Auftritte bei John Coltrane, Sonny Rollins
und Engagements als Studiomusiker, die ihn Szene-Hits wie Herbie Hancocks
„Watermelon Man“ und Lee Morgans „The Sidewinder“ trommeln ließen. Systematisch
perfektionierte Higgins seine Tonsprache: sein polymetrisches Feingefühl
begeisterte Sun Ra ebenso wie Charlie Haden und Charles Lloyd, mit dem
er noch im Winter 1999 gemeinsam zu hören war. rd Foto: Ssirus W. Pakzad
Auftakt für ein neues Jazz-Label
Stilvolle Stilvielfalt ist das Credo eines unter dem Dach des Weinheimer
Emanon-Musikverlags neu gegründeten Jazz-Labels: JazznArts
will getreu seinem Motto Its not about style, its about
quality. für alle Stilrichtungen des Jazz offen sein. Die Gründungsväter
Fritz Münzer, Olaf Schönborn und Thomas Siffling, alle drei
selbst Jazzmusiker, wollen in ihren Produktionen vor allem musikalisches
Können, ein ausgefeiltes Bandkonzept und hohen technischen Aufnahmestandard
kultivieren. Und so präsentieren sie nunmehr stolz ihre ersten drei
Produktionen, angesiedelt im Modern Jazz und der Tradition des West Coast
Jazz. Die Cover der CDs abstrakte Malereien des Künstlers
Oliver Zwink , deuten auf ein weiteres Konzept des Labels hin: In
gleichsam grafischer Umsetzung der jeweiligen Musik werden alle JazznArts-Cover
durch die Werke bildender Künstler gestaltet.
Doch noch etwas anderes ist bemerkenswert: Das JazznArts-Programm
ist keineswegs bereits übervoll, sondern man ist durchaus noch auf
der Suche nach neuen Bands, weshalb alle ambitionierten und aufnahmewilligen
Ensembles und Musiker aufgerufen sein sollen, per Demo-Tape bei JazznArts
anzuklopfen. Auf Tuchfühlung kann man schon mal unter www.jazznarts.de
gehen. eb
Themba Mkhize Preisträger des DaimlerChrysler Awards for South
African Jazz 2001
Ich hatte den Eindruck, in Südafrika gibt es mehr Jazzradiosender
als Nachrichtenprogramme, dieser Satz in Peter Herbolzheimers Laudatio,
die er anlässlich der Verleihung des DaimlerChrysler Awards 2001
in Sindelfingen hielt, machte deutlich, welchen Stellenwert Jazzmusik
in der jungen Republik Südafrika einnimmt. Preisträger 2001
ist der Pianist, Komponist Arrangeur und Bandleader Themba Mkhize aus
Durban, trotz Tourneen mit Miriam Makeba und Sibongile Khumato in Europa
bislang ein Unbekannter. Das Preisgeld beträgt 100.000 Mark und ist
größtenteils projektgebunden: Unter anderem wurde damit das
Mastering von Mkhizes CD Lost and Found finanziert, die bereits
bei Sony South Africa erschienen ist und für September auch in Deutschland
und anderen europäischen Ländern auf den Markt kommen wird.
Seine Musik nennt Mkhize S.afro-Jazz und weist damit auf die
spezielle südafrikanische Komponente seiner Musik hin; populäre
Melodien aus Südafrika, tanzbare Rhythmen und Arrangements mit Anklängen
an Zulu-Chöre sind ihre Kennzeichen. DaimlerChrysler-Vorstandsvorsitzender
Jürgen E. Schrempp übergab Mkhize den Preis am 10. Mai, seit
der Beendigung der Apartheid Südafrikas Nationalfeiertag. Nach der
Preisvergabe, die durch Ansprachen des Botschafters der Republik Südafrika,
Sibusis M.E. Bengu, und dem baden-württembergischen Ministerpräsidenten
Erwin Teufel zum Staatsakt wurde, spielte der 44-jährige Jazzmusiker
dann live: Für das deutsche Publikum klangen seine Jazzarrangements
durchaus neu, die südafrikanischen Gäste waren dafür mit
viel Heimatlichem in Jazzverpackung konfrontiert. Im Rahmen des DaimlerChrysler
Awards wird Mkhize auch an der Sommerarbeitsphase des Bundesjugendjazzorchesters
in Alteglofsheim bei Regensburg teilnehmen (9. bis 20. September). Mehr
über Themba Mkhize, seine neue CD und seine Arbeit mit dem BuJazzO
lesen Sie in unserer Septemberausgabe. ak
World Jazz
Als Europa noch das Zentrum der Welt war, war Klassik die Musiksprache,
die man in der ganzen Welt verstand. In dieser Funktion wurde sie längst
vom Jazz und natürlich von der kommerziellen Popmusik abgelöst.
So wie die Weltsprache Englisch in Deutschland zum Dinglish
mutiert oder in Singapur zu Singlish, so haben sich in den
vergangen drei Jahrzehnten weltweit nationale Jazzdialekte ausgebildet.
Ein neuer ACT-Sampler (Global Magic, ACT 9290-2) versammelt neue musikalische
Beiträge von Global Players des Jazz .
Tony Scott feiert Achtzigsten
Am 17. Juni kann Tony Scott in Rom, wo er seit 1972 wohnt, seinen achtzigsten
Geburtstag feiern. Tony Scott wurde als Sohn sizilianischer Einwanderer
in New Jersey geboren. Er studierte von 1939 bis 1942 an der renommierten
Juillard School in New York, dann beim Komponisten Stefan Wolpe. Er fand
bald zum Jazz, war beeindruckt von den Balladen Ben Websters wie den Improvisationen
Dizzy Gillespies und Charlie Parkers (Er ist mein Idol). Ende
der 40er-, Anfang der 50er-Jahre war Scott bei zahlreichen Jazzgrößen
tätig als Klarinettist, Saxophonist, Pianist und Arrangeur und zählte
zum Kern der New Yorker Szene. Der mächtigste Sound aller Klarinettisten
wurde ihm nachgesagt. Er leitete Bigbands und förderte neue Talente
wie Bill Evans, dessen legendäres Trio aus seinem Quartett hervorging.
1953 bis 1956 gewann Scott die Umfragen als bester Klarinettist, verabschiedete
sich aber bald von der frustrierenden Jazz-Szene. Sein Album Music
for Zen Meditation, 1964 eingespielt, wurde zum Klassiker von überragender
Bedeutung, dessen Wirkung bis heute anhält. Es machte Scott, den
Pionier der Weltmusik, über die Jazz-Szene hinaus bekannt. rk
Zusatzstudiengang Jazz im Saarland
Ab 2002 bietet die Hochschule des Saarlandes für Musik und Theater
ihren Studierenden einen Zusatzstudiengang Jazz an. Die finanziellen Mittel
für Professur und Lehrbeauftragte stammen aus einer privaten Stiftung
des Unternehmers August-Wilhelm Scheer, der selbst aktives Mitglied und
Förderer der Jazz-Szene ist. Mit seiner Stiftung will er eine solide
Jazz-Ausbildung garantieren. Der Rektor der Hochschule lobt die Initiative
als einen Meilenstein in Richtung einer Öffnung zum Jazz.
Kulinarischer Jazz in der Pfalz
Ein Festival der ganz besonderen Art ist das überregionale weinkulinarische
Pfälzer Jazzfestival Palatia Jazz 2001. Bereits zwei
Stunden vor dem Veranstaltungsbeginn können Konzertbesucher ab 18.00
Uhr gutes Essen und gepflegte Weine in romantischen Burgruinen oder Park-
und Schlossanlagen genießen. In Annweiler kann man etwa am 2. Juni
die Night of Candle-Light Jazz mit Soriba Kouyaté besuchen,
in Edenkoben spielt Luis di Matteo am 23. Juni, Maceo Parker spielt am
30. Juni in Bad Dürkheim.
Info: www.palatiajazz.de
Irene Schweizer sechzig
Für sie ist improvisierte Musik eine ständige Herausforderung.
Seit ihrem ersten Auftritt mit 14 Jahren als Schlagzeugerin hat die Pianistin
Irene Schweizer das Gefühl für Rhythmus und Perkussivität
entwickelt. Sie waren entscheidend für ihre Hinwendung zum Jazz.
Nachdem sie 17-jährig ihr Debüt beim Zürcher Amateur Jazz-Festival
gab, traf sie zu Beginn der 60er-Jahre in London Joe Harriett, den Pionier
des europäischen Free Jazz. Während ihr 1963 gegründetes
Trio noch Einflüsse von Bop, Funk und Soul reflektierte, agierte
es zwei Jahre später ohne Grundrhythmus und ohne Bindung an vereinbarte
Harmonieschemata. Als Irene Schweizer 1966 erstmals Cecil Taylor live
hörte, war sie so geschockt und aufgewühlt, dass sie ernsthaft
erwog, das Klavierspiel aufzugeben. Doch: Es blieb mir nichts anderes
übrig als konsequent meinen Weg zu gehen. Das bedeutete für
ihr Spiel Ablösung von kontinuierlich fixiertem Beat und die Aufhebung
der Funktionsteilung in Solisten und Begleiter. Nach der Zusammenarbeit
mit Pierre Favre, dann mit Rüdiger Carl gab Schweizer 1976 erstmals
Solo-Konzerte. Bis heute hat sie diese Präsentationsform beibehalten.
rk
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