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Da freuen sich die Schlagzeuger dieser Welt. Dennis Chambers stellt mit „Outbreak“ sein erstes Soloalbum vor. Wer großartige, technische Kabinettstückchen erwartet, wird vergeblich suchen. Chambers groovt. „Endlich wieder“, wie er sagt. Befreit vom Joch des Mitspielens, zeigt Dennis Chambers eindrucksvoll, was ein richtiger Schlagzeuger können sollte: im Hintergrund bleiben und dezent den Weg weisen. Die Welt ist verrückt. Meinungen werden täglich gedreht, ausgetauscht oder revidiert. Dabei muss man gar nicht auf Politik zurückgreifen, Wahlergebnisse analysieren oder Prognosen einschätzen. Die Wahrheit und die damit verbundenen Sehnsüchte liegen näher. Viel näher als man es zugeben würde. Wüsste man es vorher und besser. Denn in der Musik liegt die Wahrheit, nicht im Wein. Dennis Chambers ist die Bestätigung dafür. Sein musikalischer Lebenslauf liest sich furchterregend für jeden ambitionierten Musiker, insbesondere für Schlagzeuger: Chambers spielt und spielte mit den Besten. Victor Bailey, The Brecker Brothers, George Clinton, Bill Evans, John Scofield oder aktuell immer wieder oder noch mit Carlos Santana. Er prägte maßgeblich den Sound der P-Funk All Stars und ist berüchtigt für seine ausgefeilte Technik und seine abgefeimten Soli. Umstände, die Dennis Chambers den Ruf eines Universal-Schlagzeugers einbrachten. Nicht unberechtigt. Aber gerecht? Wer hätte gedacht, dass Chambers diese Soli-Sachen eigentlich schon mag, dennoch trotzig darauf verweist, „dass er auch grooven kann“? Er sieht das nämlich folgendermaßen: „Bei Carlos Santana muss ich während des Konzertes diese Soli spielen. Carlos möchte das so. Ich versuche mich zu wehren und sage ihm, dass ich nur den Groove spielen möchte. Aber es hilft nichts. Ich muss die Soli spielen. So entsteht bei vielen Leuten, die mich kennen, der Eindruck, dass ich nur Soli spielen könnte. Aber das stimmt nicht. Ich habe zehn Jahre bei P-Funk gespielt. Ich liebe es zu grooven und ich kann grooven“. Punkt. Aus. Mehr sagt Dennis Chambers nicht. Da denkt man, alles wäre in Ordnung, der Mann sitzt bei den Größten hinter dem Schlagzeug, doch offensichtlich fühlt er sich fehlinterpretiert. Nicht missverstanden, aber falsch eingeschätzt. Als müsste er den Gegenbeweis nachhaltig antreten, hat sich Dennis Chambers entschlossen sein erstes Album unter eigenem Namen und eigener Regie zu veröffentlichen. „Outbreak“ heißt das Groove-Werk. Der Titel als Hilfeschrei? Weniger. Vielmehr ein Aufschrei. Einem musik-päpstlichen Konzil kommt die Aufnahme von „Outbreak“ gleich. Gesandte wie The Brecker Brothers, John Scofield, Dean Brown, Bobby Malach oder sein langjähriger Begleiter Jim Beard als Produzent fanden sich im Studio ein. Obwohl der Weg dorthin kein kurzer war, wie Chambers rückblickend erzählt: „Joachim Becker von ESC Records hat mich mehrmals in den letzten fünf Jahren gefragt, ob ich mit ihm oder ESC etwas zusammen machen würde. Ich musste lediglich das Zeitproblem in den Griff bekommen, denn ich hatte eine Menge Verpflichtungen bei Platten anderer Leute mitzuspielen oder auf Tour zu gehen“. 2002 war es aber dann soweit. Die Voraussetzungen zur Aufnahme waren laut Chambers relativ einfach: „Für mich war es wichtig, auf dem Album mit den Brecker Brothers zu arbeiten, denn ich liebe sie einfach. Und mir lag sehr viel daran, wieder mit Jim Beard und meinem Kumpel Rodney ‚Skeet‘ Curtis aufzunehmen“. Nichts, das unerfüllbar wäre. Dennis Chambers hatte alle Vorkehrungen getroffen um endlich sein Album zu machen. Nicht die der Anderen. Verantwortung für die eigene Musik zu übernehmen. „Ja, die Verantwortung trägt man bei einer Soloplatte. Das kann ich nicht leugnen. Schließlich steht mein Name darauf und ich erwarte ein gewisses Niveau, wenn ich verantwortlich bin. Das, was ich spiele, muss sitzen und vorzeigbar sein. Es geht aber nicht soweit, dass diese Verantwortung große Auswirkungen hat. Die Arbeitsweise ist bei jeder Aufnahme ähnlich. Alle Musiker kamen ins Studio und wir entwickelten gemeinsam die Songs, bei denen zu Beginn oft nur eine Note als Idee stand. Egal ob es nun Cover Versionen wie Talkin Loud and Say Nothing von James Brown oder Eigenkompositionen waren. Es war mir nur wichtig, kein Schlagzeug Album zu machen.“ Gott sei Dank blieb die Welt vor einem weiteren „Getrimmsel“-Album mit technischen Schnörkeln und „Taktmitzählerei“ verschont. Dennis Chambers wäre niemals so penetrant. Bei „Outbreak“ hält er sich dezent im Hintergrund. Liefert den Estrich für den Soundteppich. Ohne aber schüchtern oder zurückhaltend zu wirken. Chambers führt die Songs. Da gibt es nichts wegzudiskutieren. Schlagzeuger kommen lediglich bei „Paris on my Mind“ auf ihre Kosten. Und erfahren schmerzhaft die eigenen Grenzen. Dennis Chambers sieht das Album extrem bodenständig: „Man kann sehr viel Groove hören, dennoch sind genügend kleine technische Highlights eingebaut, die derjenige hören kann, der sie hören will.“ Sehr konsumfreudlich angelegt. Das muss man Chambers lassen. Ein Album zum Auswählen. Was immer man hören will. Aber auch eine Platte des „Nach Hause Kommens“, mal gestelzt ausgedrückt. Chambers hat nicht etwa seine Wurzeln wiedergefunden. Eher sein „Zuhause“. „All die Jahre habe ich viele unterschiedliche Stilrichtungen mit den verschiedensten Musikern gespielt. Bei diesem Album habe ich wieder mit meinen langjährigen Freunden gespielt. Es geht mehr um das musikalische ‚Nach Hause Kommen‘. Wenn man eines hat. Wie Dennis Chambers. Er kann sogar wählen. Zwischen musikalischer und familiärer Heimat. Wobei er den Mittelweg als beste Lösung empfindet: „Ich bin viel unterwegs. Die Familie bringt den richtigen Ausgleich und erspart mir, eine lange Auszeit oder Pause zu nehmen. Ich wüsste wirklich nicht, was ich mit mir anfangen sollte, würde ich eine große Pause einlegen. In der Familie finde ich die nötige Atmosphäre, um abzuschalten.“ Auch vom Rummel und Aufsehen um seine Person und seine schlagenden Fähigkeiten. „Machmal geht mir das ganze Getue so richtig auf die Nerven. Vor kurzem ging ich in einen Club in Baltimore um ein paar Freunde anzuhören. Sobald ich den Club betreten hatte, ging das Gerede los. Es ist erstaunlich, über was und wie manche mit Dir reden wollen. Über schlichtweg gar nichts. Das kann man sich nicht vorstellen. Gut, wenn es um Musik geht, hält sich das noch in Grenzen, ist aber nicht wirklich erfüllend. Wenn sie dann noch wissen möchten, wie es ist, mit Santana zu spielen, reicht es mir einfach. Oder wenn sie mich mit ihren Problemen fast schon belästigen. Und das nur, weil ich es bin oder der, für den sie mich halten. Ich musste den Klub leider viel zu früh verlassen. Das ging zu weit. An diesem Punkt beginnt die Sache verrückt zu werden.“ Und zwar richtig. Sven Ferchow
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