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Auf die Frage „Wie er sich wohl fühle, als Teil eines Festivals zu wirken, dass sich eher an Figuren wie Giya Kancheli und Arvo Pärt orientiert“ meinte Charlie Mariano gelassen: „Ich komme zurecht. Aber im Ernst, hey, alles ist für mich Musik und wir brauchen alle Arten von Musik. Jede Musik ist also gültig. Das offizielle Label ist nicht wirklich wichtig. Man muss für alles offen sein.“
Und so bescherte der fast 79-jährige Saxophonist während der 16. Dresdner Tage der zeitgenössischen Musik im Alten Schlachthof vor mehreren hundert Zuhörern drei glückliche Stunden Musik. Am Anfang stand die Idee, ein Projekt zusammenzustellen, dass in Form einer Zeitreise die wichtigsten Stationen des Musiker Mariano – Asien, Lateinamerika, Nordafrika und natürlich die amerikanischen Clubs – umreißt. So produzierte Charlie Mariano (gemeinsam mit Bert Noglik) ein Projekt, was Musiker aus den USA, Indien, Algerien, Argentinien und Deutschland vereinte. Ein Projekt, was es in dieser Form noch nie zuvor gab und einen freien Blick auf das musikalische Universum und die Fusionen des Weltbürgers Marianos ermöglichte, der vor über einem halben Jahrhundert als „größter Musiker Bostons“ seine Heimatstadt verließ, um sich auf das große Abenteuer Musik einzulassen und letztendlich sogar Musikgeschichte schrieb. So war es auch in Dresden. Zuerst musizierte Mariano mit Chaouki und Yahia Smahi. Hier ließ er sich inspirieren vom Klang des Oud und den percussiven Mustern und ungeraden Takten nordafrikanischer Trommelkunst. Kein Draufsetzen, kein Kolonialisieren, sondern eher ein inspirierendes Sich-Darauf-Einlassen auf die Möglichkeiten musikalischer Analogien. Mit dem argentinischen Gitarrsiten Quique Sinesi – mit ihm entstand vor zwei Jahren die CD „Tango Para Charlie“ – begab sich der Saxophonist in die Welt des Tango Nuevo, Condombe, Milonga und natürlich des davon beeinflussten Jazz. Fesselnd die Virtuosität und der Ideenreichtum beider. Kurze Einschübe in Richtung „Echtem Jazz“ und stark individuell geprägter Improvisation wurden mit Dave King und Mike Herting aufgezeigt. Mit Rama Mani, Gesang, T.A.S. Mani, Percussion, Ramesh Shotham, Percussion, (plus Herting und King) kam Marianos Polystilistik am umfassendsten zur Geltung. Für europäische Ohren immer noch exotisch und unbegreiflich kompliziert, wurde hier ein Wissen, eine Virtousität, ein Harmonieverständnis und eine Geisteshaltung – gepaart mit Weisheit und Fröhlichkeit – offenbar, die erahnen lassen, was Mariano damit meint, wenn er sagt: „Ich denke, wir leben alle in dieser einen Welt, und alle Musik ist zugleich ‚Musik der Welt‘.“ Die Zugabe, wie selbstverständlich, ein alle Stile und Welten umfassender Nonett-Auftritt. Ein unvergessliches, ein großartiges Konzert. Matthias Creutziger |
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