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Jazzzeitung

2008/01  ::: seite 1

titelstory

 

Inhalt 2008/01

Inhaltsverzeichnis

STANDARDS

Editorial / break / Nachrichten aus der Jazzszene / kurz, aber wichtig


TITEL - Musikerschicksal
Die Geschichte des Jazztrompeters Werner Steinmälzl – Teil 1


DOSSIER
- Musikbücher
Die wilden Zwanziger
Robert Nippoldt und Hans-Jürgen Schaal und ihr opulentes Buch über New York

Jazz-Visionen aus 40 Jahren
Ein Bildband von Siggi Loch

Drei Wünsche frei
Pannonica de Koenigswinter und ihre Labour of Love

Ein kleines Meisterwerk
Der Fotograf Jimmy Katz und seine Musikerporträts


Portraits

Stéphane Grappelli, Sabine Kühlich, Gilad Atzmon, Hyperactive Kid, Soulsängerin Ledisi, Daniel Glatzel

… und mehr im Inhaltsverzeichnis

Musikerschicksal

Die Geschichte des Jazztrompeters
Werner Steinmälzl – Teil 1

Werner Steinmälzl ist Trompeter und studierte vier Jahre Jazztrompete an den Hochschulen Köln und München. Bislang spielte er an der 2. Trompete des Landes-Jugendjazzorchesters Bayern, überlebte zwei Arbeitsphasen mit dem Bundesjugendjazzorchester und spielt zum Geldverdienen, wie er gegenüber seinen Kommilitonen immer wieder bekräftigt, in der Party- und Bierzelt-Combo „HauRock!“. Ebenso hat er eine Zwei-Tages-Stelle an der Kreismusikschule Forchheim auf Lohnsteuerkarte, wo er neun Trompetenschüler unterrichtet und aus Ermangelung an Lehrpersonal den Kurs „Rhythmische Früherziehung für Vier- bis Fünfjährige“ von Musikschulleiter Bruno Pfaff aufs Auge gedrückt bekommen hat.

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Werner lebt mit seiner Freundin Maria in Nürnberg. Anstatt eines Sommerurlaubs mit ihr leistete sich Werner letzten Sommer zwei Tage in den „Musicpole“-Studios“ in Forchheim zum „Summerspecial“-Preis von 750 Euro und nahm dort mit drei Mitstudenten aus seiner Kölner Studienzeit zehn Titel auf: drei Eigenkompositionen („Blue’s delight“, „Enhance“ und „Maria’s Dream“), einige Standards sowie eine eigene Bearbeitung des Beatles-Klassikers „Let It Be“ im Siebenviertel-Takt.

Sehr stolz auf das Werk, brannte er in fleißiger Heimarbeit 25 CDs und versandte dieselben an 25 ihm bekannte Jazzlabels, deren Adressen er im Internet ergoogelt hatte. Nach einer Woche bereits, verspürte Werner eine gewisse Spannung bei jedem Klingeln seines Handys und auch der morgendliche Gang zum Postkasten war eher von einer gewissen Vorfreude geprägt als von der Angst vor unerwarteten Rechnungen. Als er nach zwei Monaten wieder einmal auf dem Weg zur Musikschule Forchheim im Zug saß, klingelte sein Handy mit einer unbekannten Münchner Nummer im Display.

„Steinmälzl.“

„Hallo, sprech‘ ich mit Werner Steinmälzl?“

„Ja, der ist dran.

„Hallo, mein Name ist Hans-Peter Göhring von „Edition fromage“ München.“

„Ja, hallo.“ (Werner versucht cool zu klingen.)

„Ja, Sie haben uns ihre Aufnahmen geschickt, und ich muss sagen, wir haben uns die Sachen angehört und sind hier alle ziemlich begeistert.“

„Ja, äh, super, freut mich.“

„Haben Sie denn schon einen Deal?“

Werner, aufgeregt und uncool schwindelnd: „Nein, ich meine, es haben sich ein paar gerührt, also ich verhandel’ da noch, aber so richtig ist da noch nichts, also eher nein.“

„In jedem Fall, wir hätten Interesse und wenn von Ihrer Seite auch Interesse da wäre, kurz, wir sind noch ein recht junges Label, aber (– Kunstpause –) wir kümmern uns um unsere Künstler und haben exzellente Kontakte vor allem nach Osteuropa und da entwickelt sich momentan ja ein ungeheurer Markt, gerade für diesen feinen, eher introvertierten Jazzstil, den sie repräsentieren.“

Werner ist innerlich aufgebracht und begeistert darüber, fein und introvertiert zu sein: „Ja, echt?“

„Also, wie gesagt, wir sind sehr angetan von Ihrer Scheibe und würden Sie gern einladen, sich mal mit uns wegen einer möglichen Veröffentlichung zu treffen.“

„Ja ja, klar, super, wann, äh, ich meine, wie würde es ihnen denn so passen?“

„Jetzt lass’ mich mal schauen, also nächsten Montag ist es schwierig, Dienstag ist die Promobesprechung mit den Jungs aus Singapur, aber Mittwoch, hmmm, ja Mittwoch wäre klasse.“

„Mittwoch, der 21.?“

„Ja, so gegen zwölf auf ein kleines Essen, da lässt‘s sich besser quatschen.“

„Ja klar, Mittwoch ist perfekt, und wo?“

„Vielleicht im HaVaDan, ein echt toller Thai gleich an der Ecke Hohenzollern- und Leopoldstraße, kann man nicht verfehlen.“

„Ja wunderbar.“

„Super, also bis dann am Mittwoch.“

Natürlich war Mittwoch ein denkbar ungünstiger Termin für Werner. Er musste die „Musikalische Früherziehung für Vier- bis Fünfjährige“ verlegen und ebenso sechs seiner Trompetenschüler. Was eine Telefonaktion von bis zu einem halben Tag zwecks eines Nachholtermins bedeutete.

Aber in Anbetracht eines Plattendeals mit „Edition fromage“, diesem Wegbereiter zukünftiger Jazzlegenden, musste man halt Opfer bringen. Und sei es die Sisyphusarbeit, die Terminkalender von 16 hysterischen, sexuell unbefriedigten Nervensägen und ihren völlig unbegabten, hyperaktiven und psychopathischen Monstern zu koordinieren. So nannte Werner seine Schüler und deren Mütter in solchen Zeiten.

Das Treffen am Mittwoch mit Hans-Peter lief nicht hundertprozentig, wie Werner sich die Sache vorgestellt hatte. Anstatt eines mehrstelligen Vorschusses auf die zu erwartenden Einnahmen aus nationalen und internationalen Verkäufen nebst Tantiemen aus Weiterverkäufen von Verlagsrechten, war der Deal mit „Edition fromage“ im Wesentlichen so beschaffen: Die Firma würde eine erste Auflage von 1.000 Exemplaren produzieren und natürlich alle wichtigen Rundfunk- und Sendeanstalten bemustern.
Wie Hans-Peter erklärte, hätte „Edition Fromage“ erstklassige Kontakte speziell zum BR, zum WDR und auch zu Walter Hanse-Bernthaler, dem Jazzpapst unter den Journalisten. Werner meinte: „Aaaahh wirklich, zu Walter Hanse-Bernthaler?“ , obwohl er den Namen noch nie zuvor gehört hatte.

Darüber hinaus gäbe es natürlich eine Präsentation auf der Homepage von „Edition fromage“. Und diese Seite wäre derzeit sensationell frequentiert.

Im Gegenzug musste Werner sich verpflichten, von der ersten Auflage 300 CDs zum Stückpreis von 6,50 Euro plus Steuer abzunehmen. „Um das Risiko für die Plattenfirma kalkulierbarer zu machen“, wie ihm Hans-Peter erklärte. „Es ist ja so, dass wir hier erst mal investieren, obwohl wir uns, und das hat Heike auch gesagt, eigentlich ziemlich sicher sind, dass wir hier einen neuen Wallace Rooney im Hause haben“.

Bis heute weiß niemand, wer Heike ist.

Egal.

Das gefiel Werner und auch, dass „Edition fromage“ die Rechnung im HaVaDan bezahlte. Ja, so würden zukünftige Jazzstars behandelt.
Nach weiteren drei Tagen bekam Werner den Vertrag zugesandt und am selben Tag sandte er ihn zurück. Per Einschreiben, dass ja nichts passierte.

Doch nicht alles blieb so einfach.

So war die Gestaltung des Covers mit allerlei Schwierigkeiten verbunden.

Gerwin Eisenhauer

Lesen Sie im nächsten Heft: Wie Werner mit Marias Sexverweigerung wegen eines abgelehnten Coveraquarells und um den internationalen Soundstandard seiner CD zu kämpfen hat.

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