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Als einzige deutsche Teilnehmerin gegen eine starke Konkurrenz von zwölf Semifinalisten hat Sabine Kühlich beim „Third Brussels International Young Jazz Singers Competition“ im Oktober 2007 den zweiten Preis gewonnen, ausgewählt von einer hochkarätigen Jury mit niemand Geringerem als Deborah Brown. Ein beachtlicher Erfolg für die in Köln lebende Vocalistin, aber dass sie auf die Frage nach den Highlights des vergangenen Jahres erst daran erinnert werden muss, ist charakteristisch für ihre professionelle wie persönliche Einstellung. Natürlich habe sie sich sehr gefreut, doch bei der enormen Vielfalt der Stilrichtungen des Jazzgesangs und des entsprechend breiten Angebots sei ein wirklicher Vergleich gar nicht möglich gewesen, und so hätte sie ebenso auf dem sechsten oder dem achten Platz landen können. So ist sie: Einerseits bescheiden und zurückhaltend, „A little too shy“, wie einer ihrer selbst komponierten und getexteten Songs heißt, andererseits initiativ und selbstbewusst, sonst hätte sie sich gar nicht erst in Brüssel beworben.
Sabine Kühlich, am 1. Februar 1973 in Gera geboren, erhielt mit sechs Jahren Klavierunterricht und entdeckte mit fünfzehn das Saxophon. Aber damals hatte sie, an Schlagern und Popmusik absolut desinteressiert, von Jazz höchstens eine leise Ahnung. Für die DDR-Abiturientin Sabine wurde die große politische auch zur persönlichen Wende. 1991 ging sie nach Würzburg, um Psychologie zu studieren, aber gewartet hatte dort auf sie der Jazz. Sie besuchte Jazzclubs und -konzerte, nahm Klavier-, Saxophon- und Klarinetten-Unterricht bei Studenten der Jazz-Klassen des Würzburger Konservatoriums. Bald wurde sie festes Mitglied im Saxophonsatz des „Jungle Orchestra“, einer Band, die mit originalen Cotton Club-Arrangements auf Tournee ging. Als der Jazz für sie unmerklich zum Beruf geworden war, entschloss sie sich zu einem systematischen Musikstudium, Inzwischen hatte sie ihr Talent auch für den Jazzgesang entdeckt. 1999 wurde sie am Maastrichter Konservatorium aufgenommen. Nach einem Jahr zog sie weiter an das Amsterdamer Konservatorium, wo der Studiengang Jazzgesang in Methodik und Didaktik fachspezifischer angelegt war und das Hauptgewicht auf der Stimmtechnik lag. Ihr Studium schloss sie mit dem Master’s Degree ab. Seit Januar 2006 ist sie selbst als Dozentin für Jazzgesang am Maastrichter Konservatorium tätig. Als großes Glück empfand es Sabine Kühlich, dass sie – erstmals wurden Vocalisten entsandt – im Austauschprogramm des Amsterdamer Konservatorium ein halbes Jahr an der Manhattan School of Music bei Kapazitäten wie Dave Liebman, Michael Abene, Phil Markowitz studieren konnte – nein, bewusst nicht Gesang, das hatte sie nun „drauf“, sondern Komposition und Arrangement. Das Erlernte wendet sie in überzeugender Weise in ihrer Arbeit an: „Was Dave Liebman, Coltrane oder Coleman mit ‚super imposing chords’ gemacht haben, versuche ich auf Stimme und Klavier oder Stimme und Saxophon zu übertragen, und das erzeugt dann eine enorme Spannung. Ich kenne niemanden, der so was bisher macht.“ Beispiele finden sich auf der von der Fachpresse hoch gelobten CD „fly away“ mit der aus Würzburger Musikern bestehenden Band „CRISP“, wobei vor allem der Tenorist Hubert Winter ihr ein kongenialer Partner ist. Mit CRISP, zu der noch Tine Schneider (p), Rudi Engel (b) und Bill Elgart (dr) gehören, lancierte Sabine Kühlich im vergangenen Jahr in eigener mühsamer, hartnäckig durchgefochtener Organisationsarbeit eine erfolgreiche Tournee durch Clubs etwa in Berlin („A-Trane“), Leipzig, Würzburg, Frankfurt und München („Unterfahrt“). Gaststar dieser Tournee war Sheila Jordan, die legendäre Bebop-Sängerin, die mit ihren 79 Jahren heute aktiver ist denn je. Sabine und Sheila hatten sich vor drei Jahren in New York kennen gelernt, und es entwickelte sich bald eine innige musikalische Verbindung und persönliche Freundschaft zwischen den beiden nicht nur altersmäßig, sondern auch in ihrer äußeren Erscheinung so unterschiedlichen Frauen – hier die zierliche alte Dame, dort die hoch gewachsene junge Deutsche. Aber auf der Bühne wirken sie wie ein lang eingespiel-tes Duo, werfen sich beim Gesang und der Moderation fangsicher die Bälle zu, improvisieren bebopige, fast rappende Dialoge, um schließlich in synchronem Scat zu landen. „Ich verehre Sheila“, beschreibt Sabine ihr Verhältnis zu der großen kleinen Kollegin, „aber Verehrung steht fast erst an zweiter Stelle. Als ich sie das erste Mal in New York auf der Bühne sah und sie eine derart unmittelbare Lebensfreude ausstrahlte, so unvermittelt mitteilte, welchen Spaß sie an der Musik hat, und das alles auf einem unfassbaren Niveau, hat mich das ungemein berührt. Und jetzt bin ich ein Teil davon und kann mich selber in meiner Musik ausleben. Und Sheila schätzt das, was ich mache ebenso, wie ich ihre Art zu singen und ihre Performance. Da besteht eine große Liebe beider zur eigenen und zur Musik der Anderen und auch eine große Liebe zueinander. Darüber bin ich sehr, sehr glücklich. Das Alter spielt überhaupt keine Rolle.“ In einigen Monaten werden die beiden zum dritten Mal auf Tournee durch Deutschland gehen, dieses Mal wieder wie bei einer ersten Gastspielreise mit Sabines „Hausband“, dem vielseitigen Pianisten, Komponisten, Arrangeur Stefan Michalke, ihrem Partner im Leben und in der Musik, und dem einfühlsamen und virtuosen Bassisten Stefan Werni. Unter Anspielung auf die vier Vornamen bezeichnet Sheila diese Band liebevoll ironisch als „The Four S’s“. Bei allem künstlerischen Ehrgeiz lautet Sabines Credo: „Ich bin nicht Jazzmusikerin geworden, um mich im Konkurrenzkampf gegen andere durchzusetzen, sondern weil mir diese Musik mehr am Herzen liegt als jede andere Lebensaufgabe, weil sie großartigen Spaß macht und kreative Energien freisetzt, und natürlich auch, weil ich seit Jahren mit ihr meinen Lebensunterhalt verdiene, und schließlich unterrichte ich wahnsinnig gern, auch wenn das viel Zeit kostet.“ Neben ihrem Lehrauftrag in Maastricht läuft einmal monatlich im Kölner „Stadtgarten“ ein „Vocal Spot“, den sie eröffnet, um dann dem Nachwuchs Gelegenheit zu geben, unter ihrer Anleitung bei technisch hervorragenden Bedingungen Live-Erfahrungen zu sammeln. Großen Spaß bereitet ihr das pädagogische Projekt „Jazz for Pänz“ ( = „Kinder“ auf Kölsch). Zusätzlich zu ihrem Hauptfach Gesang spielt Sabine Kühlich auch weiterhin Altsaxophon, Klarinette und Klavier oder Keyboard, wie immer es zum Konzept ihrer Auftritte passt. Ihr vielfältiges Solo-Repertoire ergänzt sie ständig mit eigenen Kompositionen und Arrangements, mit eigenen deutschen, englischen, französischen oder portugiesischen Texten, ohne dass sie Standards vernachlässigt. Mit ihrer exzellent ausgebildeten, ganz individuellen, nuancenreichen, mal sanft geschmeidigen, mal angerauten Stimmte bietet Sabine Kühlich zweifellos eine weitere deutsche Alternative zur Welle nordischer Sängerinnen, wie sie seit einigen Jahren zu uns herüber schwappt. Dietrich Schlegel
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