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Jede Menge Amerikaner in Europa präsentierte uns die erste Jazz-Icons-Serie vor etwa eineinhalb Jahren. Erstklassige Konzert- und Studiofilme waren das, überdies hervorragend kommentiert (neue musikzeitung 11/06). Für die Fortsetzung hat nun das Label gewechselt (Naxos statt TDK), ohne dass sich aber an Qualität und Ausstattung der DVDs etwas geändert hätte. Stilistisch wagt sich die zweite Folge allerdings in modernere Regionen improvisierter Musik vor, deren Intensität das bewegte Bild noch einmal steigert. So können wir John Coltrane ein Stück weit bei seinem Aufbruch in die Klangwelten des legendären Quartetts der Jahre 1962 bis 1965 begleiten, die sich bei der Aufnahme mit der Miles-Davis-Rhythmusgruppe (März 1960) noch eher unterschwellig andeuten. Im Dezember 1961 schlägt Eric Dolphy (mit verstimmter Flöte) schon andere Töne an und Coltrane steigert sich, angetrieben von Elvin Jones, zu einer kraftvollen Version von „Impressions“. 1965 in Belgien steht das Quartett mit Jones, McCoy Tyner und Jimmy Garrison schon am Ende dieser Entwicklung. Tyners Solo über „My Favourite Things“ ist Lichtjahre von der Studioaufnahme von 1960 entfernt, alle vier scheinen nicht nur gegen die kühle Witterung anzuspielen, sondern auch gegen das Moment der Auflösung, das Coltranes kompromissloses Konzept in sich birgt. In sich geschlossener die Mitschnitte von Charles Mingus’ bahnbrechender
Europa-Tournee 1964: Wie sich die Bläser Eric Dolphy, Clifford Jordan
und Johnny Coles um Mingus und Drummer Dannie Richmond als ein Kollektiv
im Halbkreis postieren (Jaki Byard am Klavier bleibt nur optisch ein
wenig im Abseits), das signalisiert Mingus’ einzigartiges Bandkonzept
zwischen Komposition und Kollektivimprovisation. Und wie verschieden
sich die gleichen Nummern in den unterschiedlichen Kontexten entwickeln
konnten, machen die Alternativversionen des Abschiedsblues auf Dolphy „So
long Eric“ und die grandiosen „Meditations on Integration“ deutlich.
Fabelhaft der Konzertmitschnitt aus Oslo, faszinierend die Arbeitsatmosphäre
der Studiosessions samt Probenelementen. Eine weitere klassische Besetzung auf dem Höhepunkt ihres kreativen Potenzials ist mit dem Dave Brubeck Quartet zu erleben. Reizvolle Vergleiche erlauben hier zum einen der „Koto Song“, den Brubeck bei seinen Soli 1964 in Belgien als Weltmusik, in Berlin 1966 dagegen als ein Stück zeitgenössischer E-Musik präsentiert, und natürlich das unverwüstliche „Take Five“. Die alternative Akkordstruktur seines Solos von 1964 macht Brubeck 1966 zur Standardbegleitung. Zusammen mit Paul Desmonds unnachahmlich melodiösen Chorussen und dem traumwandlerischen Zusammenspiel Eugene Wrights und Joe Morellos ist dies ein ebenso zeitloses Dokument wie der Amsterdamer Mitschnitt eines kompletten Konzerts des Duke Ellington Orchestras von 1958. Den Schwung seiner „Wiedergeburt“ von Newport 1956 im Rücken treibt der Duke seine Traumbesetzung zu einem erstklassigen Auftritt an, den wohl einzig ein etwas feurigeres Publikum noch hätte steigern können – Zwischenschnitte zeigen hier eher ehrfürchtig huldigende Mienen denn ausgelassene Stimmung, außerdem einige leere Sitzreihen. Glanzlichter setzen Clark Terry („Harlem Air Shaft“), Jimmy Hamilton („My Funny Valentine“), Ellington selbst mit seinem lässigen „Kinda Dukish“ (also Intro zu „Rockin’ in Rhythm“) und natürlich der unvergleichliche Johnny Hodges („All of me“), der sich beim Abbau in einem vermeintlich unbeobachteten Moment gar zu einem Lächeln hinreißen lässt. Der vokale Jazz ist diesmal mit der großen Sarah Vaughan vertreten, deren Stimme zwischen den Aufnahmen von 1958 und dem Mitschnitt von 1964 noch an Volumen und Nuancierungskunst zugelegt zu haben scheint. Und doch haben gerade die älteren Aufnahmen, bei denen „Sassie“ trotz ihrer bis dahin schon reichlichen Bühnenerfahrung noch eine gewisse Scheu an den Tag legt, ihren ganz besonderen Reiz. Neben zwei klassischen Versionen von „Lover Man“ gelingt ihr eine berückende, stimmlich überragende Interpretation von „Over the Rainbow“. Schließlich gibt es noch einen Amerikaner zu bewundern, der in Europa zu diesem Zeitpunkt schon heimisch geworden ist: Dexter Gordon besticht in seinen Aufnahmen von 1963 und ’64 (der Schweizer Mitschnitt fällt in Klang- und Bildqualität etwas zurück) mit warmem Balladenton („What’s new“, „Body and Soul“) und inspirierter Beweglichkeit in den Uptempo-Nummern („Blues Walk“, „Lady Bird“). Die Produzenten der Serie haben eine dritte Folge angekündigt. Gut so. Juan Martin Koch
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