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Jazzzeitung

2008/01  ::: seite 15

rezensionen

 

Inhalt 2008/01

Inhaltsverzeichnis

STANDARDS

Editorial / break / Nachrichten aus der Jazzszene / kurz, aber wichtig


TITEL - Musikerschicksal
Die Geschichte des Jazztrompeters Werner Steinmälzl – Teil 1


DOSSIER
- Musikbücher
Die wilden Zwanziger
Robert Nippoldt und Hans-Jürgen Schaal und ihr opulentes Buch über New York

Jazz-Visionen aus 40 Jahren
Ein Bildband von Siggi Loch

Drei Wünsche frei
Pannonica de Koenigswinter und ihre Labour of Love

Ein kleines Meisterwerk
Der Fotograf Jimmy Katz und seine Musikerporträts


Portraits

Stéphane Grappelli, Sabine Kühlich, Gilad Atzmon, Hyperactive Kid, Soulsängerin Ledisi, Daniel Glatzel

… und mehr im Inhaltsverzeichnis

analog -> digital

Von Marcus A. Woelfle

Roger Wolfe Kahn
Crazy Rhythm

Living Era

Heutige Jazzfreunde kennen von Kahn meist nur den Namen, als Fußnote aus den Biografien weit bekannterer Musiker. Nun kam zu seinem 100. Geburtstag 2007 ein Silberling heraus, der etwaigem Nachholbedarf mit 25 ausgewählten Stücken der Jahre 1925 bis 1932 entgegenkommt. Wer die Aufnahmen Beiderbeckes mit Goldkette oder Whiteman liebt, wird diese zumindest schätzen: Es findet sich die gleiche Verbindung aus oft genuiner Jazz-Solistik und guten, doch nicht immer jazzmäßigen Arrangements eines bei der High Society aufspielenden weißen Tanzorchesters. Für Kahn, Millionärssohn eines deutschen Bankiers in New York, spielte Geld keine Rolle, und so holte er sich Größen wie Joe Venuti, Eddie Lang, Arthur Schutt, Jimmy Dorsey, Miff Mole, Artie Shaw und Jack Teagarden, der bei ihm sein erstes Solo aufnahm. Erstklassisch auch die Songs, zum Teil spätere Standards der noch jungen Herren Berlin, Gershwin, Rodgers, Youmans, Donaldson und Kahn selbst, dessen „Crazy Rhythm“ unverwüstlich blieb. Ellingtons „It don’t mean a thing if it ain’t got that swing“ beendet die Sammlung und die musikalische Laufbahn Kahns bezeichnenderweise schon 1932 – mit Streichern und Ocarinas! Wäre er dieser Linie treu geblieben, hätte er wie Whiteman einem Fossil mit einst großem Namen in gewandelter Umgebung geglichen. Doch schon zu Beginn der Swing-Ära vertauschte er seine Leidenschaft für Musik gegen die zur Fliegerei.

Louis Armstrong
In Scandinavia

Storyville

Neun mal besuchte Satchmo im Laufe seiner Karriere Skandinavien. Wurde er in den ersten Kritiken schon mal als Nachfahre von Gorillas diffamiert, so wurde er im Laufe der Jahrzehnte im hohen Norden wie überall auf der Welt zur meistgeliebten Symbolfigur des Jazz. Oft genug waren offizielle oder versteckte Mikrophone zu Stelle, die seine Auftritte für die Nachwelt dokumentierten. Die Skandinavier waren 1933 so geistesgegenwärtig ihn zu filmen und bei Armstrong-Konzerten die angeblich ersten Live-Mitschnitte des Jazz zu machen. Selbst als er zum Ehrenmitglied der Kopenhagener Studentenvereinigung gewählt wurde, hat man ihn aufgenommen. Nun liegen auf vier CDs zwischen 1933 und 1967 entstandene, zum Teil zuvor unveröffentlichte Aufnahmen vor, die unserem Armstrong-Bild kaum neue Facetten hinzufügen, doch die Bewunderung für diesen liebevollen Giganten nur vergrößern können. Er schenkte sich seinem Publikum immer zu 100 Prozent, ob er nun, wie 1933, unvergessliche geniale Chorusse blies oder sich wie 1967 als alternder Mann mit Gesundheitsproblemen an der Routine festhielt und dabei freilich dennoch berührte. Ein eingehender, mit Anekdoten gespickter Text von Gösta Häggloff, der zunächst als Fan, dann als offizieller Jazzvermittler oft an Ort und Stelle war, dazu eine vollständiger Tourkalender, seltene Fotos, etwa von Satchmos Ständchen für Tankwarte im schwedischen Wald – was für eine liebevolle Veröffentlichung!

Charles Mingus Sextet with Eric Dolphy – Cornell 1964
Blue Note

Freilich gab es bereits Live-Aufnahmen des Sextetts mit Johnny Coles (tp), Eric Dolphy (as, fl, bcl), Clifford Jordan (ts) Jaki Byard (p) und Dannie Richmond (dr), sogar ausgezeichnete, mit ähnlichem Repertoire. Sie sind legendär als dramatische Aufnahmen von Schlüsselfiguren der Umbruchszeit zwischen Bop und Free Jazz. Der bislang unveröffentlichte Mitschnitt eines Konzertes, das am 18. März 1964 an der Cornell University stattfand, überragt sie, nicht nur, weil er umfassender und von guter Aufnahmequalität, sondern schlicht noch packender ist: Die Musiker des damals noch neugegründeten Sextetts scheinen inspirierter, gelöster, auch witziger, die Band integrierter, organischer als auf der spannungsreichen, von dramatischen Umständen geprägten Europa-Tournee. Wir erleben die energieberstende Gruppe kurz bevor viel Unglück über sie hereinbrach: Coles erkrankte in Paris schwer, schied monatelang aus; Dolphy verließ am Ende der Tournee im Zwist mit dem jähzornigen Mingus die Band und starb kurz darauf in Berlin. In Cornell Mingus spielte einige der denkwürdigsten Soli seiner Diskografie, etwa in „Faubles Of Faubus“, das verblüffende Zitatverdrehungen von „God Save The Queen“ zum „Trauermarsch“ bereithält. Dolphy, dessen Beiträge das Highlight unter vielen Höhepunkten darstellt, spielte drei Monate vor seinem Tod wie um sein Leben. Die wichtigste Erstveröffentlichung jazzhistorisch relevanten Materials des Jahres 2007.

George Shearing/Niels-Henning Ørsted Pedersen/Louis Stewart
The MPS Trio Sessions (MPS)

Im Zusammenhang mit Pianisten denkt man beim legendären Schwarzwaldlabel MPS zunächst meist an Oscar Peterson und auch beim Bassisten Niels-Henning Ørsted Pedersen fällt als idealer Klaviergefährte zunächst der jüngst verstorbene Kanadier ein. Dabei harmonierte er kaum weniger überzeugend mit George Shearing. Der wieselflinke und druckvoll antreibende Däne und der britische Gentleman mit seinem leichten Anschlag und der trotz aller Virtuosität vornehm zurückhaltend wirkenden Spielweise, das ist ein Gespann aus Biss und Grazie. Es ist ebenso wunderbar wie das spiegelverkehrte Paar Brown und Peterson, wo der Bassist der relaxtere Partner war. Man denkt auch aus anderem Grund an den in diesen Tagen allgegenwärtigen Peterson, wegen der heute so seltenen Besetzung aus Klavier, Bass und Gitarre, die beide von ihren Vorbildern Art Tatum und Nat King Cole „geerbt“ hatten, beim erfolgreichen Quintettler Shearing nur den Ausnahmefall darstellt. Louis Stewart, Irlands Geschenk an die Jazzgitarre, agiert vergleichsweise zurückhaltend, erweist sich aber mit kristallklarem Sound, Fingerfertigkeit und Einfallsreichtum als kongenialer Dritter im Bunde. Die 35 Stücke wurden 1977 und 1979 für fünf Alben aufgenommen, von denen eines hiermit erstmals vorliegt. Das letzte wurde von Robert Farnon mit einem orchestralen Gewand ausgestattet, das Jazzpuristen weniger begeistern dürfte.

Dewey Redman Quartet
The Struggle Continues

ECM

Der vor anderthalb Jahren verstorbenen Tenorist Dewey Redman findet gemeinhin in drei Zusammenhängen Erwähnung: Er war einer der wichtigsten frühen Weggefährten Ornette Colemans, Vater des berühmteren, doch keineswegs neutönerischen Sohnes Joshua und prägte den Sound des amerikanischen Keith Jarrett Quartetts der 70er. Seltener entsinnt man sich seiner eigenen Alben. Um so besser, ein Meisterwerk unter eigenem Namen, das 1982 mit drei hervorragend interagierenden Musikern, dem Pianisten Charles Eubanks, dem Bassisten Mark Helias und dem Drummer Ed Blackwell, entstand, endlich wieder veröffentlicht zu sehen. Obwohl man Redman gern allzu schnell in die Avantgarde-Schublade steckt, war seine Musik, das belegen hier etwa seine berührende Ballade „Love Is“ oder sein schlichtes, bluesiges „Turn Over Baby“, oft leicht zugänglich. Es hängt auch mit seinem prächtigen Sound zusammen, den man durchaus noch auf seine texanische Wurzeln zurückführen konnte, auf die Texas Tenors, die in der Swing Ära einen kraftvollen expressiven Sound pflegten. Selbst als (fast schon unerwartet) im vorletzten Stück „Combinations“ scheinbar alle Bodenständigkeit aufgegeben wird, alle Akkordschemata wegfallen und Redman unter Hochdruck ganz frei bläst, bildet dieser sinnliche Sound ein Brücke, die so manchen konservativen Hörer bei der Hand nehmen dürfte.

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