|
|
|
|
Jazzzeitung
2008/01 ::: seite 5
jazz heute
|
|
|
|
|
|
|
|
Heute: Kriminalkommissar Erik Winter, Göteborg. Leider muss man
sagen: ein ziemlich unsympathischer Snob. Einer von denen, deretwegen
der Ausdruck „Yuppie-Jazz“ erfunden wurde. Söhnchen
aus reichem Hause, Turbo-Karrierist, raucht Zigarillos aus Gründen
des Stils, trägt schweineteure italienische Anzüge (Armani
ist ihm zu trivial), kocht Nouvelle Cuisine (als Beilage: Austernsalat
mit Zuckererbsen, Omelettescheibchen und Limetten-Dressing), fährt
privat Mercedes – und hört Coltrane. Seine Lieblingsplatte
ist „Lush Life“ von 1957, vor allem „Trane’s
Slo Blues“. Von dort dringt er zuweilen vor zu Lee Morgan, Charlie
Haden, Don Cherry. Angeblich kann er sich besser konzentrieren, wenn
er Jazz hört. Aber eigentlich will er nur Eindruck machen mit seiner
elitären Musik: „Psst, der Chef hört wieder diesen Coltrane!“ Im
Kommissariat mal so richtig laut aufzudrehen, das traut er sich dann
aber doch nicht. Musikgeschmack hat er natürlich null. Außer
den paar Jazzplatten, die er immer wieder auflegt, kennt er nur The Clash
(weil sein prolliger britischer Kollege Macdonald darauf steht) und Bruce
Springsteen (wegen seiner Freundin Angela natürlich). Eine Meinung
dazu hat er nicht. Aber wenn man eine Platte nur oft genug hört,
gewinnt sie schon irgendwie an Bedeutung. Manchmal kauft er sogar eine
aktuelle Jazz-CD, aber auch hier zeigt er wenig Originalität: Pat
Metheny, Bobo Stenson, ruhige Sachen, wahrscheinlich vom Dagbladen empfohlen.
Die hört er dann auf seinem tragbaren Panasonic-Spieler, sogar die
Kollegen finden’s erträglich. Das müsste ihm eigentlich
zu denken geben: Da droht ja Nimbus-Verlust, das Charisma wackelt. Denn
Jazz sollte schon ein bisschen exklusiv sein, sonst verpufft noch das
Snobistische daran. Und was dann kommt, weiß nur Ake Edwardson.
Rainer Wein (rainer.wein@gmx.net)
|