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Jazzzeitung
2008/01 ::: seite 8
jazz heute
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Das Bundesjugendjazzorchester ist fraglos eine der erfolgreichsten Fördermaßnahmen
des Deutschen Musikrates. Der Miterfinder und bis 2007 auch der künstlerische
Leiter ist eine der wenigen Persönlichkeiten des deutschen Jazz,
die international wahr genommen werden: der Bassposaunist, Arrangeur
und Bandleader Peter
Herbolzheimer. Erst im Oktober 2007 wurde Peter Herbolzheimer die Ehrenmitgliedschaft
des Deutschen Musikrates verliehen. Präsident Martin Maria Krüger
würdigte die Leistungen Peter Herbolzheimers zur Förderung
des jungen Jazznachwuchses und im besonderen seine herausragenden Leistungen
und Erfolge als künstlerischer Leiter, Dirigent, Komponist und Arrangeur
des Bundesjazzorchesters von der Gründung 1988 bis zum Jahre 2006.
Gemeinsam wird man im Jahre 2008 das 20-jährige Bestehen dieses
in der Welt einmaligen Orchesterprojektes begehen. Andreas Kolb, Chefredakteur
der Jazzzeitung, traf sich mit dem Bandleader zum Gespräch.
jazzzeitung: Wie sind Sie als Musiker an den Deutschen Musikrat gekommen?
Wie kam es zur ersten Begegnung?
Herbolzheimer: Wie die Jungfrau zum Kind. Ich wusste gar nicht, dass
es einen Musikrat gibt. Nächstes Jahr vor 20 Jahren hat Dr. Krings,
Abteilungsleiter Musik Hörfunk beim WDR, mich gefragt, ob ich denn
nicht Interesse hätte, dieses Bundesjugendjazzorchester zu leiten
im Namen des Musikrats. Damals gab es schon das Jugendsinfonieorchester.
Ich habe sofort ja gesagt, denn zu meiner Zeit gab es überhaupt
nichts dergleichen. Es gab kein Notenmaterial, es gab keinen richtigen
Unterricht. Man hat sich ziemlich viel erkämpfen müssen.
jazzzeitung: Heutzutage gibt es keinen jungen
Musiker, der sich mit Platte oder Konzert in der Redaktion der jazzzeitung
meldet,
der nicht im BuJazzo
mal mitgespielt hat.
Herbolzheimer: Ja, das stimmt. Alle von Roger Cicero
bis Till Brönner
waren im BuJazzo. jazzzeitung: Der Name Peter Herbolzheimer steht
als Synonym für
den Erfolg im Jazz. Jazzmusiker haben es aber nach wie vor vielleicht
ein bisschen schwerer als klassische Musiker. Jazz zu machen, ist für
viele nach wie vor eine Art Luxus. Das Geld kommt über Film und
Fernsehen rein. Was ist denn da nicht in Ordnung?
Herbolzheimer: Jazz ist im Bereich der Kunst angesiedelt, da ist der
materielle Erfolg eine äußerste Seltenheit. Da müssen
verschiedene Sachen zusammentreffen, die sich außerhalb des Vorhersehbaren
ereignen. Das ist aber in der Klassik ähnlich. Man muss ein gewisses
Charisma haben, man muss im richtigen Augenblick auftreten. Das haben
ganz wenige Leute in der Neuzeit im Jazz gehabt. Im Moment kann man sagen,
ist Till Brönner ein gutes Beispiel.
jazzzeitung: In Mannheim gibt es die Popakademie.
Sie hat das ausgesprochene Ziel, kommerziell erfolgreiche Musiker zu
produzieren. Bisher hat das
noch nicht funktioniert. Warum?
Herbolzheimer: Das wird auch nicht funktionieren. Die
Popakademie ist für mich eine Seifenblase. In Mannheim gibt es eine gut funktionierende
Musikhochschule, die sehr gut ihre Leute betreut. Die Popakademie dagegen
nimmt Leute an, die unter dem Niveau einer Hochschule spielen. Die haben
sehr viel Gelder gehabt am Anfang, deswegen hat es viel Resonanz gefunden.
Allmählich zieht sich die Industrie zurück, mal schauen, was
daraus wird.
jazzzeitung: Auch wenn Jazz – insbesondere durch Ihre Arbeit – eine
anerkannte Musik geworden ist. Nicht jeder junge BuJazzo-Instrumentalist
kann ein Till Brönner werden. Der Arbeitsmarkt ist begrenzt.
Herbolzheimer: Ins BuJazzo ließen wir wirklich nur die Besten durch.
Ich habe von Anfang an gesagt, ich möchte ein Ziel umsetzen, dass
jeder Musiker, der im BuJazzo war, jederzeit ein Topjob verrichten kann.
Das ist mir auch gelungen. In diesen ganzen 20 Jahren kann ich mich an
zwei oder drei Musiker erinnern, wo ich gesagt habe, Junge, das hat keinen
Sinn. Und das war meistens nicht spielerischer Eigenschaften, sonder
die haben den falschen Zielen nachgejagt.
jazzzeitung: Das BuJazzo war bisher stark an
Ihre künstlerische
Persönlichkeit gebunden. Jetzt hat der Musikrat ein Modell mit wechselnden
künstlerischen Leitern eingeführt. Alles hervorragende Musiker,
aber nicht über den engeren Kreis der Kenner hinaus wirklich bekannt.
Braucht das BuJazzo in Zukunft wieder einen Star des Jazz, einen populären
Bandleader?
Herbolzheimer: Unbedingt braucht es so jemand. Wechselnde
Leitungen halte ich für sehr fragwürdig, denn die Leute, die jemanden etwa
für einen Auftritt engagieren, wollen genau wissen, wer der Bandleader
ist und was er macht.
jazzzeitung: Für einen Künstler gibt es kein Pensionsalter.
Was für Projekte machen Sie zur Zeit?
Herbolzheimer: Ich bin Künstlerischer Leiter der Europäischen
Jazzakademie und leite seit diesem Jahr die Grey Hair-Convention, eine
Big Band für Erwachsene. Fangen wir chronologisch mit der Jugend
an. Die Europäische Jazzakademie ist eine Jugendband, die im Augenblick
noch in erster Linie deutsche Musiker und Sänger beinhaltet, aber
ungefähr ein Drittel Anteil an Ausländern hat. Das sind natürlich überall
wiederum die Besten. Die Altersstruktur ist ähnlich wie im BuJazzo.
jazzzeitung: Wie alt muss man denn sein, damit
man in die Grey Hair-Convention darf? Und was genau macht man da?
Herbolzheimer: Also im Sommer musste man noch 45 sein,
beim nächsten
Mal ist es egal. Der älteste Teilnehmer der GreyHair-Band war 78,
das war Herb Geller. Es sind aber nicht nur Berufsmusiker gefragt, es
kann sich jeder melden, der denkt, er will dort mitspielen, der einfach
nicht mehr in dieser Masterclass, sprich Jugendband, sich artikulieren
kann.
jazzzeitung: Wer unterstützt die Grey Hair Convention?
Herbolzheimer: Diese Big Band wird von Skoda, Yamaha,
dem Verband deutscher Musikschulen unterstützt.
jazzzeitung: Peter Herbolzheimer, Bassposaunist
und Bigband-Leiter. Wie fing denn alles an?
Herbolzheimer: Ich habe von Anfang an eigentlich Musik
gemacht, aber ziemlich spät studiert. Denn ich war von den Eltern aus eigentlich
programmiert drauf, Architekt zu werden Studium kann man zu meiner „Ausbildung“ aus
heutiger Sicht auch nur mit Vorsicht sagen. Ich hab’s halt gemacht
nach den Möglichkeiten, die mir damals zur Verfügung standen.
Ich war Gasthörer in Nürnberg am Konservatorium.
jazzzeitung: Zunächst spielten Sie Gitarre…
Herbolzheimer: Genau, aber dann hab ich auch gleich
Bassposaune angefangen.
jazzzeitung: Wann genau war der Punkt, als
Sie bemerkten: Ich bin Musiker und ich werd den Teufel tun und nicht
Architektur studieren?
Herbolzheimer: Das kann ich schlecht sagen. Als ich
aus den USA zurückkam,
habe ich geheiratet und bei meinem Vater mitgearbeitet. Aber ich machte
nebenher andauernd Musik. Irgendwann fand ich das unfair meinem Vater,
aber auch mir gegenüber, eigentlich Musik machen zu wollen und in
beiden Feldern mehr schlecht als recht zu funktionieren. Ich war damals
so um die 25, als ich mich dazu entschloss, nur noch Musik zu machen.
Es folgten schwere Jahre, denn ich hatte schon eine Familie: zwei Kinder
waren schon da, das dritte war unterwegs. Wir hatten große finanzielle
Schwierigkeiten. Das war eine Zeit, die für Musiker bei weitem nicht
so war wie heute. Ich bin reihenweise aus Wohnungen rausgeflogen. Einmal,
weil ich die Miete oft nicht zahlen konnte, aber auch sehr oft, weil
die Nachbarn sich immer beschwert haben, weil ich geübt hatte. Meine
Frau, mit der ich heute noch, seit über 50 Jahren verheiratet bin,
hat mich aber immer unterstützt. Die hat damals Monatspläne
gemacht, wie wir mit dem Geld auskommen. Meine Kinder machen alle Musik
als Amateure, der eine macht`s auch beruflich.
jazzzeitung: Wann würden Sie sagen, war Ihr kommerzieller Durchbruch?
War’s die Gründung von Rhythm, Combination and Brass? War’s
der erste Fernsehauftritt? Wo war der Punkt, wo Sie dann wirklich Erfolg
hatten?
Herbolzheimer: Materiellen Erfolg fing ich an zu haben
so ab 1972. Da hab ich die Musik für die Eröffnung der Olympiade komponiert.
Die Platte wurde sehr schnell im Zuge der Olympiade die meistverkaufte
Instrumentalplatte in Deutschland. Ich hatte insgesamt vielleicht so
180.000 D-Mark eingenommen. Wenn ich mich recht entsinne, hieß die „Olympia-Einzug
1972“ oder so ähnlich… Damals hatte ich eben das erste
Mal wirklich Geld auf dem Konto. Seitdem wurde ich natürlich auch
bekannt, vor allem auch durch „Bios Bahnhof“.
jazzzeitung: Was soll der Musikrat denn in
den nächsten 20 Jahren machen,
damit es dem Jazz weiterhin gut geht? Was wäre Ihr Wunsch?
Herbolzheimer: Mein Wunsch wär, mindestens so intensiv weiterzumachen
wie bisher. Je älter ich werde, umso vehementer kämpfe ich dafür,
dass Kultur ein wesentliches Bedürfnis der Menschen ist, das auch umgesetzt
werden muss. Dieser Satz „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein“ hat
immer mehr Bedeutung, vor allem heute. Sie erleben diese schlechten Beispiele überall.
Es werden Universitäten, Musikhochschulen zusammengelegt in Deutschland,
in Holland, in Spanien. Nie mit dem Ziel, etwas für die Studenten zu machen.
Sondern immer unter der Prämisse, sparen, wir müssen schlanker werden.
Das ist ein großer Unsinn. Es ist ganz wichtig, Kulturpolitik zu betreiben.
Ich habe in Südosteuropa, im ehemaligen Jugoslawien, im Kosovo, überall
ein Kulturbewusstsein erlebt, ein Wunsch nach kulturellen Dingen, der ungleich
viel ausgeprägter ist als bei uns. Bei uns wird Kultur sehr oft konsumiert.
Dort wird sie gemacht. Ich habe im Kosovo dieses Jahr Künstler kennengelernt,
die alle arriviert waren im Westen, die in den Kosovo zurückgekommen sind
und gesagt haben: „Mein Land braucht mich, ich muss was machen“.
Das ist Kulturbewusstsein und das muss bei uns auch so werden. Die Kunst
und Kulturpolitik nicht zu trennen, das ist eben zum Beispiel bei dieser
europäischen
Big-Band-Geschichte immer im Vordergrund, und ich hoffe, da auch Maßstäbe
setzen zu können.
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