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Dresden bleibt sich treu. Das ist dort auch im Jazz so. Zwar hat die sich so gern barock gebende Stadt an der Elbe eine veritable Clubszene und Veranstalter, die schon mal Ambitionen ausleben und Risiken auch künstlerisch eingehen, doch firmiert unter dem Namen Jazztage Dresden eher ein gediegenes Unterhaltungsfest. Im Herbst 2007 wurde es zum zweiten Mal in der einstigen Residenzstadt abgehalten, nachdem es zuvor überwiegend vor der Stadtgrenze ertönte. Neu war diesmal jedoch ein deutlicher Bezug zu jungen Ensembles. Die hatten im Vorfeld von namhafteren Gästen mehrfach ihre Chance – und sie nahmen sie wahr! Der hauptsächliche Eindruck der diesmal zehn Jazztage ist zwiespältig. Vielleicht muss das bei der Gattung so sein? Das Spektrum reichte vom höchst professionellen Auftritt etwa des Vienna Art Orchestra, das auf seiner Jubiläumstour zum 30-jährigen Bestehen auch in Dresden Station machte, über Stars und Legenden ihrer selbst wie James Morrison und Jacques Loussier, aber auch die Damen Ruth Hohmann, Uschi Brüning und Jacqueline Boulanger sowie Pascal von Wroblewsky und Maria João mit der hr Bigband unter Mário Laginha, bis hin zu Mogeljazz à la „Bolschoi Bambule“ (für Kinder) und „Opera meets Cuba“ (für Unerschrockene). Da klangen die fünf Franzosen von NoJazz wesentlich ehrlicher, denn die zelebrierten wirklich Jazz in einem vitalen Mix unterschiedlichster Stile. Das Kinderprogramm war gut gemeint, hatte aber mit Jazz so viel zu tun wie der Auftritt der Klazz Brothers ausgerechnet in der Semperoper mit der sonst dort heimischen Gattung. Da wurden vierhundert Jahre Opernschaffen zerpflückt, mit hausbackenem Humor interpretiert und in lausigen Arrangements karibisch aufgehübscht. Wer in Jazz und Oper nur Zaungast ist, konnte sich schenkelklatschend amüsieren. Die allermeisten im Saal taten das auch, allesamt Oper- und Jazzdebütanten? Gewiss, auch ein Loussier hat die Gemeinde entzweit, Bach-Puristen und Jazzer waren reichlichst empört; doch er beweist sich seit fast fünfzig Jahren souverän, wirkt inzwischen abgeklärter und zeigte sich bei seinem Auftritt in Dresden geradezu altersweise, was einige Ehrfurcht verdient. Ganz anders plünderte von Wroblewsky die Musikwelt und stimmwunderte sich durch jüngere Rock- und Pop-Geschichte. Auch ein Pianist wie David Gazarov nutzte vorhandenes Material und rieb sich an Bach und Vivaldi, Ravel und Satie, nicht zuletzt an Chopin, doch bewies sich der armenische Aserbaidschaner eher im puren Jazz und weniger im klassischen Zitatenschatz. Im Verbinden von Überlieferung mit heutigem Ausdruck übten sich auch Echos of Swing, die im zehnten Jahr ihres Bestehens für Frische sorgten, ohne dabei Zugeständnisse etwa an populistischen Flachsinn eingehen zu müssen. Unterm Strich also erneut eine Mogelpackung mit Jazz-Etikett? Mehr denn je Spielstätten wurden bedient, von der Dorfkirche bis zur Automobilwerkstatt war beinahe alles dabei – und vielleicht auch musikalisch etwas für (fast) jeden Geschmack? Nun, ein Festival, das sich Stars wie James Morrison und das Vienna Art Orchestra zu sichern versteht, muss gar nicht mogeln. Der exzellente Posaunist, Trompeter und Pianist feierte mit seinem Quartett ein Feuerwerk aus atemraubender Virtuosität und überzeugte mit einnehmendem Witz, die Jubilare um Mathias Rüegg hingegen nahmen sich in aller Ernsthaftigkeit Europas Geistesgrößen vor, um sie in musikalischen Kurzporträts zu präsentieren. Alles in allem: Streuobst statt Stringenz. Michael Ernst |
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