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Thilo Wolf Thilo Wolfs Big Band hat sich in den letzten Jahren mit „Swing
it!“ als feste Größe im Bayerischen Rundfunk und als
Fernsehorchester in der Prime-Time der deutschen Abendunterhaltung etabliert.
Anlässlich des 15-jährigen Bestehens der Band und bislang 20
eingespielten CDs mit Jazz-Größen aus dem In- und Ausland,
nahm Wolf in großer und kleiner Besetzung eine neue CD auf, die
ihn und seine Ensembles persönlich – in a personal mood – widerspiegeln
soll. Jan Lundgren Was die Vielseitigkeit angeht, ist der schwedische Pianist Jan Lundgren
schwer zu übertreffen. Glücklich 1 Eine Rumpelkammer mit Ikea-Holzregal. Darin verstaut, Hängetoms,
Motorradhelm, Pappkarton und Filmrollen, Requisiten der Vergangenheit.
Aus diesem Erinnerungstrash hat die Sängerin Winnie Brückner
mit ihren drei zu „Glücklich 1“ geeinten Musikerfreunden
aus Weimar, Marco de Vries, Hannes Daerr und Janis Görlich, ihr
Debütalbum „K.ill Y.our D.arling“ bestückt. Songs
in deutsch und englisch, darunter einen von Irving Berlin und Ralph Towner.
Letzteren hat Brückner mit einem berückend poetischen Text
umstrickt und als „Liebe nur“ uns als ewige Metapher und
unerträgliche Frage aus dem Regal der eigenen Rumpelkammer geholt.
Es ist ein bemerkenswertes Debüt, inhaltlich wie formal, mit reizvoller
Besetzung: Bassklarinette, Gitarre und Casio, Schlagzeug. Sängerin
Brückner steuert noch Elektronisches bei. Die Musiker – akademische
Jazzer aus Weimar und Berlin (HfM Hanns Eisler), die parallel alle in
ganz verschiedenen Projekten – darunter BundesJazzOrchester, Berliner
JugendJazzOrchestser – stecken und engagiert sind. Als Produzenten
haben sich die Vier Glücklichen Gitarrist Frank Möbus geholt,
der über das Bandprojekt mit einem seiner Schüler ins Schwärmen
geraten ist: „Die Zusammenarbeit mit Glücklich1 gehört
zweifelsohne zu den künstlerisch spannendsten Aufgaben, die mir
in letzter Zeit begegneten!“ Man kann den Ex-Nürnberger verstehen,
eine musikalisch wie textlich derart interessante und eigenwillige Entdeckung
im gefährlichen Gestrüpp zwischen Pop, Jazz und Avantgarde
hat absoluten Seltenheitswert. Paul Bley Paul Bley kehrt nach Jahrzehnten dorthin zurück,
wo er 1972 mit seinem Solo Album „Open, To Love“ bereits
einen Meilenstein setzte. Rechtzeitig zu seinem 75. Geburtstag veröffentlicht
ECM nun sein für das Label zweites Soloalbum „Solo in Mondsee“.
Eingespielt bereits im April 2001 in der wundervollen Atmosphäre
von Schloss Mondsee in Österreich auf einem herrlichen Bösendorfer
Imperial, der mit seiner unübertroffenen und berührenden Klangfülle
dem Anschlag und Spiel Paul Bleys sehr entgegenkommt. Michael Brecker Es ist schwer die letzte Aufnahme eines gerade verstorbenen Musikers
zu würdigen und dabei objektiv zu bleiben. Aber Michael Breckers
CD „Pilgrimage“ ist (s)ein Vermächtnis, konzipiert und
eingespielt in den kurzen Zeitspannen, in denen er trotz seiner schweren
Krankheit noch die Kraft hatte zu spielen. Das Ganze mutet elegisch an,
bedenkt man Hintergründe und Tragik, die mit der im Jahre 2005 bei
Michael Brecker diagnostizierten Krankheit MDS verbunden ist, aber die
Musik ist alles andere als trauernd. Mit unbändiger und enormer
Kraft spielt Brecker noch einmal auf, unterstützt von Herbie Hancock,
Brad Mehldau, Pat Metheny, John Pattitucci und Jack DeJohnette. Die neun
Stücke der CD, alle aus Breckers Feder, ziehen den Hörer von
Anfang an in den Bann. Fast spielt Brecker kraftvoller denn je, bläst
riesige, wuchtig kantige Statements auf seinem EWI und Tenorsaxophon.
Allein mit dem Opener „The mean time“ oder seinem „Tumbleweed“ setzt
sich Michael Brecker ein Denkmal. Erst nach mehrmaligem Hören erschließen
sich Themen, Improvisationen und Feinheiten, die das facettenreiche Album
ausmachen, zumal seine Kompositionen herrlich vielfältig und zugleich
alles andere als eingängig sind. Michael Brecker ist einer der ganz
großen Meister gewesen. Mit seinen kongenialen Mitstreitern entfacht
er durch sein großartiges Spiel ein letztes, leidenschaftliches
Feuer, das noch lange nachglühen wird. Josh Roseman Womöglich wären den Pilzköpfen bei Josh Rosemans Dub-Version
ihres niedlichen Liebesliedchens „I Should Have Known Better“ und
dem am Ende folgenden Live-Remix die Haare zu Berge gestanden. Da aber
sind heute die Tantiemen vor. Fette Posaunenlinien verzwirlen sich auf
dem neuen Album des New Yorker Posaunisten mit uurrgs-Electronic, ssshhoouie-Samples,
cool groovenden Reggaerhythmen, Bläsersätzen und anderen verwirrenden
und mitreißenden Sounds zu einer aparten Mischung. Auf „Live
In Vienna“ verwandeln sich Reggae-Roots, Ska und Dub in interstellare
Klangausflüge. Neben neu arrangierten jamaikanischen Klassikern
von den Skatalites, Paragons und Abyssinians gibt es auch einige ungewöhnliche
Originals des Bandleaders. Abenteuerlustige Bläsersoli, aktuelle
Rechnertechnologie und experimentelle Abläufe sorgen dafür,
daß das alte Ska-Material zum Sprungbrett in die Zukunft wird.
Nach zwei höchst unterschiedlichen und hoch gelobten Alben mit Rocksongs
und Acid-Jazz, wechselt Roseman damit erneut die Richtung. Eine aufregende
Musik, die vor Ideen, Energie und den wildesten Schlenkern zu bersten
scheint. Josh Roseman gehört heute zu den eindrucksvollsten Individualisten
auf der Jazzszene. Der mehrfache Poll-Sieger ist ein gefragter Sideman,
spielte mit Dave Holland, Dave Douglas, Meshell Ndegeocello, Steve Coleman,
Uri Caine, John Zorn und Matthew Shipp. Don Cherry – Gato Barbieri Karl Berger
Aldo Romano Bo Stief Wiederveröffentlichungen aus den frühen Zeiten des Free Jazz
sind immer wieder ein Erlebnis. Im Fall von Don Cherrys früher Kopenhagen-Aufnahme
im legendären Café Montmartre markieren sie zugleich einen
entscheidenden Punkt in der Karriere dieses unvergessenen Musikers. Er
hatte die gewohnte Umgebung seiner New Yorker Partner verlassen und sich
mit Musikern aus aller Welt zusammengetan, eine Art Start in die Weltmusik
Jazz. Zusammen mit dem deutschen Vibraphonisten Karl Berger, dem südamerikanischen
Saxophonisten Gato Barbieri, dem dänischen Bassisten Bo Stief und
dem italienischen Schlagzeuger Aldo Romano, alle damals noch in stürmischen „jugendlichem
Alter“ zelebriert er alle Vorzüge der neuen Freiheit ohne
die Erinnerungen an Bop und Ornette Coleman vergessen zu machen. Symptomatisch
auch, dass er zwei der Titel mit dem Begriff „Coctail“, der
schwunghaften Mischung vieler unterschiedlicher Einflüsse in Verbindung
bringt. Traumhaft ist das kongeniale und manchmal geradezu hymnische
Bläserzusammenspiel mit Barbieri, dessen kraftvolle Eskapaden noch
ungebrochen sind. Deutlich nachzuvollziehen auch die emanzipatorisch
gelungene Freiheit und Virtuosität der drei Europäer, heute
Teil der Legendensammlung des Jazz der letzten 40 Jahre. Auf jeden Fall
ein Erlebnis! Dietmar Osterburg-Trio „For a while“ – für eine Weile ... mitgenommen wird man
auf Anhieb vom gleichnamigen Album des Trios um den Gitarristen Dietmar
Osterburg aus Braunschweig. Osterburg ist nicht nur ein stilistisch brillanter
Solist auf den sechs Saiten, sondern in seinem vielseitigen Musikerleben
auch Kontrabassist, Musikpädagoge und Schöpfer von Theatermusiken – er
hat dabei Jazz und Klassik gleichermaßen verinnerlicht. Auf dem
vorliegenden Debütalbum durchdringt er ganz mühelos die Weiten
eines hellhörig-modernen Gitarrenjazz. Einer beredten Stimme gleich
entfaltet sich sein ausgesprochen organisches Spiel auf der elektrischen
und akustischen Gitarre. Mit einnehmender Wärme fügen sich
die Kompositionen wie Perlen einer Kette zu einem mitreißenden
Entwicklungsbogen zusammen. Osterburgs melodische Einfälle und sprühende
Improvisationen weisen geradezu klassische Finesse auf. Bassist André Neygenfind
und Schlagzeuger Eddie Filipp sind derweil als dynamische Rhythmusgruppe
betont leichtfüßig präsent, um diesen Reichtum impulsiv
zu verstärken oder geschmeidig zu verdichten. Hier gelingt die hohe
Kunst, aus einer solchen Interaktion heraus starke Atmosphären zu
kreieren. Lyrisches Verweilen ist dabei genauso angesagt wie zupackendes
Temperament viel Raum erobert – manchmal gar auf funkigen Höhenflügen
in bester Scofieldscher Manier. Keith Jarrett/Gary Peacock/Jack DeJohnette:
My Foolish Heart – Jazzstandards haben kein Verfallsdatum. Ihre Konsistenz erweist sich
nicht durch Interpretation, sondern indem ihre Aneignung das historische
Original je individuell transzendiert. Solche Kreativität haben
Keith Jarrett, Gary Peacock und Jack DeJohnette in ihrem Programm „My
Foolish Heart – Live At Montreux 2001“ gezeigt. Wobei sie
den Titelsong aus einem offenen Intro zu legerem Swing bringen, an dem
entlang sie harmonisches und rhythmisches Potenzial für die Gegenwart
entdecken. Ebenso surft Keith Jarrett an und über die modalen Grenzen
des „Four“-Themas von Miles Davis. Dichte Interaktionen,
genaue Basskontrapunkte und Trommel fill-ins bereiten für ihn den
spontanen Kurs. Vielleicht unerwartet, aber konsequent ist die Hinwendung
des Trios zu den historischen Wurzeln der Jazzpianostilistik, nämlich
Ragtime: „Ain’t Misbehavin’“ ist eine virtuose
Hommage an Fats Waller, die Gary Peacock mit einem „vokalen“ Basssolo
(es könnte wirklich Scatgesang sein) und Jack DeJohnette mit flexiblen
Drumakzenten feiern. Presto beschleunigt dann „Honeysuckle Rose“,
die Keith Jarrett frappierend linker Hand jongliert. Gar nicht „Foolish“ (töricht)
haben Keith Jarrett, Gary Peacock und Jack DeJohnette diesen und anderen
Standards ihre unverbrauchte vibrierende Energie gegeben: so entstand
ihr ultimatives Album. Marc Copland New York Trio Kaum sensiblere Musik ist denkbar als die wachsam sorgsame Interaktion
eines Meistertrios seelenverwandter Feingeister. Kaum feinnervigere Mitspieler
hätte sich Marc Copland suchen können zum zweiten Band seiner
New Yorker Tri(o)logie als Paul Motian und wiederum Gary Peacock! Bereits
der Auftakt mit dessen „Vignette“ legt an den Tag, auf welchem
Niveau hier die Balance von Individualität und Gemeinsinn erspielt
wird. Kein Ton ist zu viel, kein Akzent zu wenig. Anregend, in feiner
Schattierung, spannungsvoll konturiert zeigt sich Peacocks „Albert“,
in quecksilbriger Flüchtigkeit bewegt sich das Copland-typische „Rivers
Run“. Miles Davis’ „All Blues“ zeigt faszinierend
schillernde Farben von eindringlicher Tiefe. So offenbart sich das kommunikative
Geflecht dreier leiser, aber bestimmter „Voices“ in so sanftmütiger
wie aufrichtiger Ästhetik als wahrlich erhabenes Trio. Schlippenbach Trio Obwohl das Schlippenbach Trio dreieinhalb Jahrzehnte existiert, mithin
die am längsten bestehende Combo des europäischen Jazz ist,
hat es bislang allenfalls ein halbes Dutzend Aufnahmen vorgelegt. „Winterreise“,
im Kölner Loft live eingespielt, ist eine weitere Aufnahme, die
das Trio in ein günstiges Licht rückt. Es bewegt sich wie gewohnt
im Kosmos freier musikalischer Assoziationen. Die drei Musiker bewegen
sich aufeinander zu und weg, alles auslotend. Dabei zeigen sie keinerlei
Ermüdungserscheinungen, feilen weiter an ihrem Vokabular. Alexander
von Schlippenbach wird nicht müde, die Möglichkeiten des Flügels
auszunutzen, Evan Parker besticht einmal mehr durch ein zirkular geatmetes
großes Sax-Solo, Paul Lovens lotet die diffizilsten perkussiven
Dinge aus bis hin zu zarten Farbtupfern. Louis Sclavis Louis Sclavis legt die Melodie mit seinem Sopran in aller Ruhe zu Weltschnipsel
von Donner und Hinterhofkindern aus. Elektronische Cluster einer Bitches-Brew-Tastatur.
Leicht folkloristisch beschwingte Linien geschwätziger Bläser
zur Rohheit energetischer Reliefs aus Gitarren und Synthesizer. Das Quintett
liefert ein Nummernprogramm in üblichem Wechsel zwischen thematischem
Material und Improvisationen. Ein leicht zu durchschauendes Konzept mit
schematischen Vorzeichnungen. Selten öffnen Bruchzonen den musikalischen
Horizont. Reizvoll sind Sclavis’ Solo als Muezzin, Maxime Delpierre’s
Gitarre im neunten Stück und ein Miles-Tribut. Dass ein berühmter
Musiker sein Instrument gut spielen kann, ist allgemein anerkannt, aber
dass er über mehr bis minder einfallsreiche Passagen hinaus die
spielerischen Talente junger Mitmusiker zu einem großartigen Album
verwickeln kann, ist nicht selbstverständlich. Daran gilt es zu
arbeiten. Bugge Wesseltoft Seit dem letzten Klavier-Soloalbum ist ein Jahrzehnt vergangen. Und
wirklich repräsentativ war es auch nicht, denn damals spielte Bugge Wesseltoft
in einer Hau-Ruck-Aktion Weihnachtslieder ein. Grund genug also für
den norwegischen Tastenkünstler, einen neuen Anlauf zu wagen: „Ich
habe nie wirklich Klavier gelernt“, meinte er zum Hintergrund von „IM“ und
fügte hinzu: „Für mich ist das Album eine besondere Form
des Herantastens an einen speziellen Klang, der einen enormen Reiz hat.“ Also
mal keine New Conceptions of Jazz, sondern Wesseltoft allein mit seinem
Flügel, verschiedenen Kosmetikknöpfen im Studio und bei zwei
Liedern der Sängerin Mari Boine als Gast. Nylonovy Vek V Nahravkach Ceskych Swingaru
1945–1950 „Nylon Age“ nannte der tschechische
Schriftsteller Josef Skvorecky die kurze Zeitspanne zwischen dem Kriegsende
1945 und dem kommunistischen
Umsturz 1948. Damals wurde in der Tschechoslowakei viel Jazz gespielt,
wovon diese CD mit insgesamt 27 Titeln Zeugnis ablegt. Manches ist von
erstaunlicher Qualität, so die sieben Stücke der Big Band von
Karel Vlach, die es mit den damaligen deutschen Big Bands ohne weiteres
aufnimmt. Eine so relaxte und swingende Rhythmusgruppe suchte man bei
uns seinerzeit vergeblich. Den Höhepunkt der CD bilden aber die
drei Nummern der Combo „Rytmus 48“ mit dem Altsaxophonisten
Karel Krautgartner (später Leiter der Radio Big Band Prag) und vor
allem dem Trompeter Dunca Broz, dem zweiten großen tschechischen
Jazzmusiker jener Tage nach dem Pianisten Jiri Verberger, der hier leider
mit keiner Aufnahme vertreten ist. „Rytmus 48“ hatte sich
sehr überzeugend dem Bebop verschrieben, und wenn man Dunca Brozs
Solo in „Night and Day“ hört, dann kann man nur staunen.
Leider hat das kommunistische Regime nach 1948 dem allen ein Ende gesetzt.
Erst ab Mitte der 60er Jahre konnten die Musiker wieder freier atmen – bis
1968, dann kamen neue Repressalien. Allein schon wegen der Aufnahmen
von Karel Vlach und „Rytmus 48“ gehört diese CD in jede
Sammlung. Der Booklettext stammt übrigens von Lubomir Doruzka, dem
bekanntesten tschechischen Jazzkritiker, der am 18. März seinen
84. Geburtstag feierte. Wir gratulieren! Francesco Tristano Es ist ein Album, das aus dem Rahmen fällt. Da sind zunächst
die Umstände der Entstehung an sich. Francesco Tristano (weder verwandt
noch verschwägert mit dem alten Lennie, sehr zu seinem Bedauern)
gehört zu den aufsteigenden Sternen am klassischen Klavierfirmament.
Mitte zwanzig, Gewinner der Concours International d‘Orléans,
Juilliard Absolvent, geboren in Luxemburg in bildungsbürgerlichem
Environs, inzwischen wohnhaft in Barcelona. Nach einem Bach-Recital anno
2005 in Paris wird er von einem Electronic-Produzenten angesprochen,
ob er eine Platte mit ihm machen wolle. |
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