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Jazzzeitung

2007/05 ::: seite 3

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Inhalt 2007/05

Inhaltsverzeichnis

STANDARDS

Editorial / break / Nachrichten aus der Jazzszene / kurz, aber wichtig


TITEL - Endzeitstimmung
Wir erleben die Apokalypse des Jazz


DOSSIER

Individualisten aus Chicago
Zum Tod des Pianisten Andrew Hill und des Geigers Johnny Frigo

I like the way you play
Abschied von Joe Zawinul mit Erinnerungen an eine bewegte Zeit


Portraits

Jean-Luc Ponty, Kristin Asbjørnsen, Daniel Smith, Harald Banters Media Band, Besuch bei Richie Beirach

… und mehr im Inhaltsverzeichnis

Wenn es den Jazz nicht gegeben hätte, ich wäre Dirigent geworden

Jean-Luc Ponty bekommt die German Jazz-Trophy
2007


Im Gegensatz zur Klassik führt die Violine im Jazz ein eher unterentwickeltes Dasein. Das liegt wohl an ihrer fehlenden Durchsetzungskraft als Soloinstrument. Einer, der diese Hürde überwunden hat und die Violine als gleichberechtigten Partner neben Saxophon und Trompete gestellt hat, wird nun für seine Leistung mit der German Jazz-Trophy 2007 geehrt. Der französische Geigenvirtuose Jean-Luc Ponty.

Foto: Ines Kaiser

Bild vergrößernFoto: Ines Kaiser

A life for Jazz. Jean-Luc Ponty lebt es, das Leben für den Jazz. Mittlerweile ist er 65 und noch immer ständig auf Tour. Obwohl das Leben mit dem Jazz auch ein Leben aus dem Koffer ist, weiß er, warum er es nicht anders haben will. „Das Reisen macht mir heute weniger aus als früher,“ meint Ponty. „Natürlich genieße ich es nicht unbedingt, dauernd unterwegs zu sein, aber wenn ich auf der Bühne stehe, tritt das alles in den Hintergrund. Es gibt für mich auf der Violine noch vieles zu entdecken. Ich konzentriere mich zum Beispiel wieder mehr auf akustisches Spiel. Das ist so, als ob sich der Kreis schließen würde zu den Anfangszeiten meiner Karriere.“ Zu diesen Anfangszeiten war an eine elektrisch verstärkte Violine, wie sie später sein Markenzeichen werden sollte, noch nicht zu denken. Als Sohn zweier Musiklehrer wuchs Ponty in Avranches auf, da wo die Normandie auf die Bretagne stößt, und lernte zunächst Violine, Klarinette und Klavier, bis ihn seine Eltern ein Hauptinstrument wählen ließen. So wurde die Violine zu seinem Instrument und er spielte sie bald so gut, dass er bereits mit 16 Jahren sein Studium am Pariser Conservatoire National Supérieur de Musique beginnen konnte. An diesem ehrwürdigen Ort liefen die Studenten in den Nachkriegsjahren kaum Gefahr, mit so verruchten Dingen wie dem Jazz in Berührung zu kommen. Dafür sorgten das Pariser Nachtleben und die Studentenparties. Sie erschlossen dem jungen Geiger aus der Provinz eine völlig neue Welt: „Ein paar Leute von der Universität spielten auf Parties Swing und suchten einen Klarinettisten,“ erinnert sich Ponty. „Ich wusste überhaupt nichts von Jazz, konnte aber sofort zu den Jazztunes improvisieren, das hat ihnen gefallen und sie haben mich engagiert. Es ist eine Frage des Gehörs. Manche Musiker können nach Gehör passende Melodien finden, egal ob sie die Musik kennen oder nicht. Die Musiker erklärten mir dann die Grundprinzipien des Jazzspielens. So lernte ich den Jazz kennen.“ Eine Zeit lang bewegte sich Jean-Luc Ponty so in zwei Welten. Tagsüber mit der Violine in der strengen Atmosphäre einer klassischen Musikakademie, nachts als Klarinettist und später Tenorist in den Jazzclubs des existentialistischen Paris, wo er auf Konzerten von John Coltrane, Dizzy Gillespie, Thelonious Monk und Cannonball Adderley auch den Modern Jazz entdeckte.
Inzwischen war der junge Geiger dem Konservatorium entwachsen und hatte eine Anstellung bei einem Sinfonieorchester gefunden. Längst schon kollidierten Engagements in Konzertsälen mit Auftritten in Clubs und Ponty musste sich ein weiteres Mal entscheiden. Der Frack des Orchestermusikers war ihm dann doch zu eng und er konzentrierte sich auf seine Stimme als Jazz-Musiker. Bald merkte Ponty, dass er die am besten mit der Violine ausdrücken konnte und so wurde sie auch beim Jazz zu seinem Ausdrucksmittel.

Ein technisches Problem galt es für ihn aber zu lösen: „Die Violine war einfach zu leise. Ich hatte damit nicht die Möglichkeiten eines Saxophonisten oder Trompeters. Erst als ich einen Pickup bekam und mir einen Verstärker kaufte, war ich überhaupt in der Lage, mit einer normalen Rhythmusgruppe zu spielen.“

Nach ersten Plattenaufnahmen und viel beachteten Auftritten wie beim Monterey Jazzfestival wurden Publikum und Kritik schnell aufmerksam auf den jungen Franzosen. Zahlreiche Engagements und ein Plattenvertrag in den USA waren die Folge. Ponty zog nach Los Angeles, tourte mit dem Mahavishnu Orchestra und Frank Zappas Mothers of Invention und fand dadurch schnell Anschluss zur amerikanischen Fusionszene. Anfang der Siebziger Jahre entdeckten die Jazzmusiker, die Soundmöglichkeiten elektrischer Pianos und Synthesizer. Ermuntert durch Frank Zappa begann auch Jean-Luc Ponty sein Klangspektrum zu erweitern. Er experimentierte mit Gitarreneffekten, ließ sich eine elektrische Geige bauen, verwendete Wah-Wah-Pedale, Phaser und andere Effekte. Es gelang ihm, diese so schlüssig in sein Spiel zu integrieren, dass er damit der Jazz-Violine neue Dimensionen eröffnete. Ponty wurde allmählich zu einer Gallionsfigur der Fusionbewegung und Vorreiter einer Musikergeneration, die sich die technischen Errungenschaften zunutze machte, um dem Jazz neue Klangräume zu erschließen.
In über 40 Jahren auf den Jazzbühnen der Welt, nahm er zahlreiche und immens erfolgreiche Soloalben auf und spielte mit den Großen des Jazz. Nach fast zwei Jahrzehnten in Amerika kehrte er Anfang der 90er-Jahre nach Paris zurück und beschäftigte sich mit afrikanischer Musik, bevor er sich 1994 wieder eindrucksvoll im Jazz zurückmeldete: Mit dem Projekt The Rite of Strings landete er zusammen mit Stanley Clarke und Al Di Meola einen Riesenerfolg und konnte sofort an alte Erfolge anknüpfen. Seit 2004 gehen die drei Fusionlegenden wieder zusammen auf Tour. Natürlich nur, wenn der Terminplan von Pontys eigener Formation, der JLP-Band, es zulässt. Das Leben aus dem Koffer.

Bereut hat Jean-Luc Ponty seine Entscheidung für den Jazz bis heute nicht, obwohl er einer Sache schon ein wenig nachtrauert: „Ich wäre sehr gerne Dirigent geworden. Ich musste am Pariser Konservatorium aber erst eine Instrumentenklasse durchlaufen, bevor ich die Dirigentenausbildung beginnen konnte. Als es dann soweit war, hatte mich schon längst der Jazz in seinen Bann geschlagen. Zum Glück konnte ich mein anderes Ziel, das Komponieren, auch als Jazzmusiker verwirklichen. Und zum Trost kann ich ja immer noch meine Band dirigieren.“

Jörg Lichtinger

Tipp

Preisträgerkonzert mit Jean-Luc Ponty und Wolfgang Dauner
16. November 2007, 20.00 Uhr, Kundenhalle der Sparda-Bank am Hauptbahnhof Stuttgart


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