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Jazzzeitung
2007/05 ::: seite 8
Brasilien
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Niemand hat als Pionier und Vollender so viel für die Etablierung
elektroakustischer und elektronischer Tasteninstrumente im Jazz getan
wie Joe Zawinul. Vom simplen E-Piano, das er als beliebtester europäischer
Jazz-Import schon bei Cannonball Adderley einsetzte bis zur neuesten
Synthesizer-Technik – der Wiener mit der bunten Kappe hat alles
schon ausprobiert und perfektioniert, bevor sich das Gerät herumgesprochen
hat. Am 11. September erlag Zawinul in einem Wiener Krankenhaus einer
seltenen Hautkrebserkrankung. Aus diesem Anlass drucken wir Abschnitte
eines Blindfold-Tests, den Marcus Woelfle im vergangenen Jahr mit ihm
vornahm. Vorgespielt wurde unter anderem folgende Aufnahme:
I’ve Got You Under My Skin (Cole Porter), Dinah Washington (voc),
unter anderem mit Clark Terry und Maynard Ferguson (tp)
Aus: The Complete Dinah Washington on Mercury Vol.3 (1954)
Joe Zawinul (sofort): I waas, wer des is! Ich hab mit ihr gearbeitet
einundzwanzig Monate. Des war eine der großen Erfahrungen in meinem
Leben. Des is a lovely person. She was a wunderbarer Mensch! Wir waren
sehr sehr gute Freunde. Ich war ihr Musikdirektor, der einzige Weiße
in der Band, und ich hab die stage arrangements für Sie geschrieben.
Wir tourten den „chitlin‘ circuit“. The chitlin‘ woaßt,
was des is?
Marcus Woelfle: The chidling. Nein das weiß ich jetzt nicht.
Zawinul: The chitlin‘ is von die Schweine der Bauch, die Gedärme.
Und die Schwarzen haben in den alten Sklaventagen, die haben ja nichts
gehabt und das haben die gekriegt. Und die haben das gekocht in einer
Weise, des muaß gereinigt werden fünf sechsmal mit einer so
einer eisernen Bürste, mit einer Metallbürste wird des geputzt
und gewaschen und gewaschen. Weil des is ja von einer Sau der Magen mehr
oder weniger. Des wird so klein geschnitten. Woaßt du was ein Beuschel
ist?
Woelfle: Ein Beuschel? Nein.
Zawinul: Ja der Hund kennt se ja überhaupt net aus. So, des wird
so kloan geschnitten und kocht in einer Soße mit Zwiebeln, in ana
Soß so kocht und des is a phantastische Speis. Des is halt a furchtbare
Arbeit. Und da „chitlin‘ circuit“ war eine Art Großes
Tour-Theater, das die Schwarzen in der alten Zeit gehabt haben. Du musst
Dir mal vorstellen, dass in Amerika vor der Integration die Schwarzen
ihre eigenen Theater gehabt haben und ihre eigenen Banken, Taxikompanien,
die Alkoholgeschäfte, Hotels... I mean, die warn möglicherweise
in der Society net so oben, aber die haben unheimlich viel gemacht. Und
die haben auch die besten Theater gehabt mit der besten Musik, des leiwandste
Essen und der chitlin‘ circuit, der war in ganz Amerika, wo immer
du hingehst, des Apollo Theatre in New York, the Howard Theatre in Washington
D.C., des Riddle Theatre in Chicago und für alle diese Plätze
in ganz Amerika auf diesem Circuit hab ich die Stage Arrangements geschrieben.
Ich war der einzige Weiße und ich hab die schwarzen Bands kontaktiert,
also dirigiert mehr oder weniger. Ich war Musikdirektor für sie,
und für mich ist die Dinah Washington neben der Billie Holliday
die ausdruckvollste Sängerin überhaupt.
Marcus Woelfle: Da hat es auch sicher Schwierigkeiten
gegeben, wenn Sie als einziger Weißer in einer schwarzen Band gespielt haben.
Zawinul: Schon. Ich hab mit ihr angefangen im Sommer
59 zu spielen. Da herrschte im Süden noch Segregation. (Er hört der Sängerin
gerührt zu) Die ist sehr bedeutend für mich die Frau. ... Man
wollte den Schwarzen das Recht zur Wahl geben, aber im Süden haben
die das nicht gewollt. Und da war eine große Bewegung für
das Wahlrecht der Schwarzen. Und da sind viele Leute, auch von der jüdischen
Gesellschaft, nach den Süden gegangen und einige sind aufgehängt
worden. Speziell wann du als einziger Weißer in an Auto mit den
Schwarzen warst, da warst du der erste, der am Baum hängt.
Einmal waren wir im Sommer in Odessa, Texas. Ich hatte gerade mit der
Dinah aufgenommen „What a difference a day made“. Wir hätten
in einem von Schwarzen gemanagten Club spielen sollen. Ich will auf die
Bühne und da war eine weiße Sheriff-Frau, a Batznfrau mit
ana 375-er Magnum auf der Seiten und die fragt: „Where are you
going, boy?“ Ich hab ihr frech gesagt: „Ich spiel, da ist
keine Fragen“. Sagt sie: “No, you won´t play here”.
Sag ich: “I will play here”. Dann ist sie energisch worden.
Ich geh zurück in die Armutschkerlküche, zugleich auch Dressing
room, und sag: „Dinah, der Sheriff sagt, ich kann nicht spielen
da“. Und die Dinah sagt: „Der Joe ist mein Pianist auf der
ganzen Welt, wenn der da nicht spielt, gehen wir.“ Der Clubowner
ist nervös geworden, hat sie bekniet: „Dinah, du bist eine
großartige Klavierspielerin, mach das doch, sonst hauen sie mir
den Club zusammen“. Die Dinah sagt: “No, open the window.” Wir
sind beim window ausse von der Kuchl, weil wir net durch das Haus gehen
konnten, sonst hätten die uns sofort zusammengeschlagen. Wir sind
weggefahren und am nächsten Tag haben wir erfahren, die haben den
Club wirklich zerstückelt. „Ich spiel da net“
Später dann im Einundsechzigerjahr, beim
Cannonball, war eine ähnliche
Situation. Der Norden war schon integriert, aber in Baltimore, Maryland
waren noch immer segregierte Straßen und Clubs. Wir spielen in
einem Club den ersten Set und es sind nur Weiße in dem Club. Durch
die Fenster hat man viele Schwarze drau-ßen gesehen, die sich am
Fenster die Musik angehört haben. Ich sag: “Cannon, I know
this is hard for you but I will not play here a second set until everybody
can come in.” – “Oh please man, this a different thing
still.” Dann sag ich: „Das bist du, aber ich net, ich spiele
da nicht.“ Die Leute sind nervös geworden, weil es hat eine
lange Zeit gedauert. Ich habe gesagt: „Ich fahr heim. Du kannst
mich ausse werfen, aber ich spiel da net“. Der Clubowner war ein
Gentleman und sagt: „O.k., ich mach den Club auf für alle.“ Wir
sind dann alle nach Hause gefahren am selben Abend zurück nach New
York, sehr stolz, dass wir das durchgedrückt haben. Am nächsten
Abend treff ich Buddy Rich im Birdland gleich auf der Stiegen: „Buddy,
what are you doing, ich hab glaubt du spielst in Baltimore heut?“ Er
hat gesagt: „Nein, die haben den Clubowner exekutiert.“ Darum
bin ich streckenweise beim Auto unten gesessen, wenn wir in den sehr
gefährlichen Gegenden im Süden durchgefahren sind. Da hätte
uns sogar die Polizei daschossen!
Woelfle: Während wir uns unterhalten haben, waren Trompeter zu hören.
Zawinul: Den Clark Terry den habe ich gehört.
Woelfle: Da gibt es doch eine lustige Geschichte.
Wollen Sie die erzählen?
Zawinul: Die Geschichte war a so: Im siebenundfünfziger Jahr oder
im achtundfünfziger Jahr kriege ich einen Anruf, ich war da gerade
in der Fatty George Band in Wien. Die Fatty George Band, muss ich sagen,
war eine fantastische Band: Oskar Klein, Karl Drewo..., ich hab Basstrompete,
Vibraphon und Klavier gespielt. Und da Drewo und da Willi Mehrwald haben
gespielt. Der Fatty war ein Meistermusiker. Und die Grahbrüder,
der Heinz und der Bill Grah und der Blumenhoven Schlagzeug. Das war eine
fantastische Band, das war die Two Sounds Band. Ich habe viele Arrangements
geschrieben. Wir haben mit fünf Hörnern gespielt und mit drei
Rhythmen (und immer habe ich mit dem Schlagzeug von der Benny Goodman
Musik gespielt). Das war eine wunderbare Musikband. So, und ich habe
immer gesagt: „Wir spielen nicht gut genug, wir müssen viel üben
und üben.“ Die wollten es bequem haben. Und ich habe gesagt: „Ich
will wachsen.“ Ohne Wachstum stirbt man. Ich habe immer gesagt: „Ich
gehe nach Amerika, weil mir geht das am Arsch, ich will das nimmermehr.“ Ja,
ja, und dann haben‘s mich dann, also eines Tages, da ruft der Bill
Grah an hat da irgendeinen Promoter, den Horst Lippmann bei sich. Auf
einmal ist der Horst Lippmann am Telefon. Sagt er: „Die Ella Fitzgerald
ist in Deutschland, und die will unbedingt, dass du nach Deutschland
kommst.“ Also, ich sollte nach Deutschland kommen und mit ihr eine
Platte machen. Ich hab schon alles eingepackt, ich glaub an einem Mittwoch
oder so und am Montag hätte ich nach Frankfurt kommen sollen. So,
ich habe das alles eingepackt hab es ihnen dann erzählt in der Band,
dass ich einen Anruf gekriegt habe, dass ich am Montag nach Frankfurt
fahr´ und mit der Ella spiele. Und dann am Sonntag haben sie es
mir am Abend noch gesagt: wir haben dich auf die Schaufel genommen.
Einstecken, austeilen
Woelfle: Schon gemein.
Zawinul: Na, na. Das war okay. Ich habe gesagt: „Ihr habt das sehr
gut gemacht aber trotzdem ändere ich meine Meinung nicht, ich gehe
nach Amerika.“ Und so ging es auch weiter. Eine Woche später
oder zwei Wochen später krieg ich einen Anruf, dass die Ellington
Band in München ist und dass der Clark Terry und Paul Gonsalves
eine Platte machen und wollen, dass ich Klavier spiel. Und ich habe gesagt: „Ja
leckt’s mich am Arsch“ und habe den Hörer aufgelegt.
Als ich dann wirklich in Amerika das erste Mal den Clark Terry getroffen
habe, hat der hat mich nicht einmal angeschaut – die haben dem
das erzählt, dass ich dem „kiss my ass“ gesagt hab,
und der hat geglaubt, ich bin ein Rassist. Und dann hat damals der Münchner
Pianoplayer auf der Aufnahme gespielt, wie hat denn der geheißen?
Woelfle: Carlos Diernhammer, ich habe die Platte.
Zawinul: Der nie Klavier spielt... Und das Lustige:
später habe
ich dann wirklich mit der Ella gespielt... – Das war wirklich nicht
gemein, denn ich habe zu viel Selbstvertrauen, als dass mich das gestört
hat. Denn eigentlich muss ich sagen, die haben das wirklich gut gemacht,
weil ich war ein Mensch der immer alle Leute auf die Schaufel genommen
hat. Man muss auch einstecken können. Denn ich habe so viele Leute
auf die Schaufel genommen, und ich habe die immer so furchtbar behandelt.
Denn Bill Grah, der hat immer so schnell gespielt, da hab ich immer gesagt:
aufhörn. Sein Name war Zirkus Renz. Zirkus Renz und so beleidigende
Sachen habe ich immer gesagt. Da haben sie sich einmal revanchiert, und
es ist ihnen gut gelungen. Ich habe gesagt Bravo. Aber wir waren immer
Freunde.
Zawinul: Und wer war der andere Trompeter?
Woelfle: Das war Maynard Ferguson.
Zawinul: Maynard hätte ich unbedingt erkannt, aber
wir hatten schon reden angefangen. Für mich war Maynard einer der Superleute. Ein wirklich feiner Mensch!
Durch ihn habe ich die Gelegenheit gehabt in Amerika zu bleiben. Ich
habe ja nur ein Stipendium gehabt für vier Monate. Ich war in der
Schule ungefähr drei Wochen, in Berklee. Da Klavierspieler, der
vor der Ella in Boston gespielt hat, hat sich verkühlt. Die rufen
die Schule an und mein Klavierlehrer sagt, der Joe soll spielen. Und
der Schlagzeuger war der Jake Hanna. Nach dem ersten Satz ruft er Maynard
an und sagt: „Da ist ein Pianoplayer here, du musst den hören.
Ich sag Dir eins: ich zahle seine Fahrt nach New York und zurück
und wenn er Dir nicht passt, zahl ich dem anderen Klavierspieler die
zwei Wochen noch, was er haben muß.“ Ich bin am nächsten
Tag nach New York gefahren und habe im Apollo Theater live gespielt mit
Maynard Ferguson und den Job bekommen. Das hat mir dann geholfen. Der
war Kanadier, kein Amerikaner, und doch hat er es durchgesetzt, dass
ich eine grüne Karte bekommen habe. Für mich Österreicher
war das unmöglich in diesen Zeiten. Unser Naziding ist so angehängt.
Maynard war ein Gentleman total. Ich habe einen großen Respekt
für ihn als Bandleader. Es war eine phantastische Band mit Don Ellis
und Slide Hampton, und für eine kurze Weile Wayne Shorter. Slide
und ich wir waren sehr gute Freunde ich habe mit seiner Familie dann
gewohnt in Brooklyn. Slide hat den jungen Trompeter Freddie Hubbard für
die Band vorgeschlagen. Und der Maynard war ein Mensch, der sich vor
Niemandem gefürchtet hat. Seine Frau war kein Rassist; aber da waren
jetzt mehr Schwarze drinnen wie Weiße in der Band. Da hat sie gesagt: “Pass
auf, das ist nicht gut, das wird unbalanciert.“ Und der hat dann
den Slide und mich und einige Leute herausgeschmissen. Ich war ihm immer
dankbar und ich schätze den Menschen bis zu meinem letzten Atemzug.
Wir haben mit Maynard auch in Atlanta gespielt, im Magnolia Ballroom.
Die Dinah war die Hauptattraktion; also waren beide Bands gefeatured.
Und nachher war eine Jam Session in dem Hotel und ich habe Klavier
gespielt. Da hat die Dinah über meine Schulter gesagt: „I like the way
you play.“ Und hat mir die Telefonnummer zugesteckt. Ich habe sie
aber nicht angerufen den ersten Sommer in New York. Ich habe keine Job
gehabt, das war gleich nachdem Maynard mich aussigehaut hat. Einmal habe
ich in Slides Haus um 2 Uhr nachts nicht schlafen können. Ich bin
geschwind in die U- Bahn ins Birdland. Und das war so komisch. Ich mache
die Schnalle (Klinke) so auf im Birdland und auf der anderen Schnallen
war die Dinah. Und sie sieht mich und sagt: „You are the one who
played in Atlanta Georgia, right?” Und sie hat mich eingeladen
am nächsten Tag zum Village Vanguard zu kommen. Nach ihrem Eröffnungsstück
ruft sie mich auf die Bühne und engagiert mich. Und dann bin ich
21 Monate dort geblieben.
Woelfle: Sie haben vorher erwähnt, dass Sie viel mit Mingus gespielt
haben, wollen Sie vielleicht darüber noch etwas erzählen?
Zawinul: Wie ich noch New York gekommen bin, war da
eine Jam Session. Meine erste Jam Session in New York war das. Und da
Mingus hat Bass gespielt.
Und da war ein Musiker. Und ich hab gesagt „I wanna go out and
play with this guy.“ Und die haben gesagt: na pass auf, der Mingus
ist gefährlich der hat schon einen Klavierspieler eine Watschn gegeben.” So
I hab´ mi net gescherrt. Ich bin raufgangen und hab mit ihm gespielt
und des hat dem wirklich gefallen wie ich gespielt hab und da hat der
gesagt, seine Worte waren: „You are very very close.“ I war nur ungefähr
a Wochn oder sowas in New York und da waren immer. Ich bin hochgegangen
in so Welln. Wann immer I im Club gekommen bin und
da hat der Jaki Byard mit ihm gespielt hat er mi immer angriffen zu spielen.
Wir haben sehr gut zusammen gespielt.
Woelfle: Aber eine Aufnahme habt ihr nicht gemeinsam gemacht?
Zawinul: Na, nix. |