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Jazzzeitung
2007/05 ::: seite 6
portrait
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Von der Klassik zum Jazz und gelegentlich wieder zurück: das ist
eine Kurzbeschreibung des Werkens und Wirkens des amerikanischen Musikers
Daniel Smith. An sich nichts Ungewöhnliches, könnte man meinen,
wäre es nicht ein ziemlich sperriges Instrument, das Smith sich
da auserkoren hat: das Fagott. Wobei Smith nicht von Anfang an auf das
Fagott festgelegt war, sondern sich in den Jahren davor auch auf Saxophon,
Flöte und Klarinette profilierte. Hatte Smith sich einst auf dem
Gebiet der Klassik den kompletten Fagott-Konzerten von Vivaldi gewidmet,
37 an der Zahl, und diese alle auf CD eingespielt, so grast er derzeit
die Jazzepochen ab: nach „Bebop Bassoon“ erschien jetzt sein
neues Album „The Swingin’ Bassoon“ (Zah Zah Records) – den
Klängen des Fagotts im Jazzkontext zu lauschen und ihnen nachzuspüren,
sei hiermit wärmstens empfohlen.
jazzzeitung: Daniel, du bist gleichermaßen in der Klassik wie
im Jazz zuhause. Warum gibt es so wenige anderen Fagottisten, die das
ebenso beherrschen?
Daniel Smith: Der Durchschnittshörer und selbst viele Musiker haben
keine Ahnung, wie schwierig es ist, das Fagott zu meistern. Ähnlich
der Geige gilt es als „Zehn Jahre“-Instrument. So lange nämlich
braucht man, bis man es beherrscht – wohingegen man das Saxophon
bereits nach zwei Jahren intensiven Übens und mit Hilfe eines guten
Lehrers recht anständig spielen kann.
Und selbst dann, wenn man es – in der Klassik, wohl bemerkt! – zum
erstrangigen Fagottisten mit professionellem Niveau geschafft hat, bedeutet
der Versuch, auf diesem Instrument Jazz zu spielen, einen wahren Albtraum
an technischen Problemen. Die gleiche Jazzphrase, die auf dem Saxophon
leicht auszuführen ist, wird auf dem Fagott um ein mehrfaches schwieriger.
Dabei ist es egal, ob sie aufnotiert wurde, oder ob man improvisiert.
jazzzeitung: Selbst als anerkannter Virtuose
im Klassikbereich nützen
dir deine Fertigkeiten auf dem Instrument so gut wie gar nichts, wenn
du dich in Jazzgefilde begibst. Du musst quasi ein paar Jahre erneut
die Schulbank drücken und erst die Grundlagen des Improvisierens
auf diesem Instrument erarbeiten. Irgendwann gelingt es dann, auch die
klassischen Techniken nutzbringend einzusetzen.
Smith: Hier sehe ich den Grund, warum es so gut wie
keine anderen Fagottisten zu geben scheint, die sich in beiden Genres
wohl fühlen: Um das
zu tun, muss man erst die Leiter zum klassischen Virtuosentum erklimmen
und dann, indem man von Null neu anfängt, dasselbe mühsam als
improvisierender Jazzmusiker nachvollziehen. Weil das aber Jahre dauert,
ist es nicht jedermanns Sache. Ich persönlich bin froh, dass ich
mich dieser Herausforderung gestellt habe.
jazzzeitung: Wo der klassische Musiker dem
Schauspieler gleicht, der den Noten des Komponisten wie den Bühnenanweisungen des Regisseurs
folgt, kann der Jazzmusiker wirklich besser seine Gefühle ausdrücken?
Wie stehst du als „Mann der zwei Welten“ dazu?
Smith: Das mit dem Jazz und den Gefühlen würde ich so unterschreiben.
Die Improvisation eröffnet dem Spiel aber grundsätzlich Welten,
wobei der Reiz darin besteht, dass man nie vorher weiß, wohin es
führen mag – weder an einem bestimmten Tag, oder insgesamt über
die Jahre. Idealerweise bildet jeder neu erarbeitete Mosaikstein eine
Stufe auf der Leiter, von der aus man sich noch weiter nach oben strecken
kann. Das gilt auch für die eigene Kreativität – irgendwann
stellt man fest, dass man alles, was man in der Lage ist, sich vorzustellen,
auch umsetzen kann. Gleichzeitig lernt man, viele Takte vorauszudenken
und den Kurs dessen zu bestimmen, was folgen soll. Das wird so intuitiv,
wie beim Sprechen einen Satz zu bilden.
Wenn man in diesem „Alpha-Zustand“ ist – so hat Stan
Getz das genannt – dann hört man ganze Passagen voraus, während
man noch dabei ist, eine bestimmte Phrase erst zu spielen. Die Ideen
fliegen einem voraus, scheinbar mühelos. Aber frag mich nicht, wie – ich
habe keine Ahnung, ich weiß nur, dass es geht! Es passiert einfach.
Das ist ja eines der vielen Mysterien, wie das Gehirn funktioniert. Oder
wie die Finger dem folgen… jazzzeitung: Du hast ja auch Saxophon und Klarinette gelernt und gespielt.
Konzentrierst du dich in letzter Zeit auf das Fagott?
Smith: Sogar ausschließlich! Wie Stan Getz zu sagen pflegte, man
benötigt sein ganzes Leben, um ein Instrument wirklich zu beherrschen.
Und er, Getz, würde nicht im Traum daran denken, irgendein Instrument
neben dem Tenorsax auch nur in die Hand zu nehmen! Aber wusstest du schon,
dass Getz in der Highschool Fagott gespielt hat und für dieses Instrument
sogar ein Stipendium erhalten hatte? Und zwar an der Morris High School
in der Bronx. Meine ersten Lektionen am Saxophon erhielt ich dort vom
gleichen Lehrer, der seinerzeit auch Stan Getz unterrichtet hatte. Das
war Bill Sheiner. Und es war sogar der gleiche Unterrichtsraum, in dem
auch Getz das Saxophonspielen gelernt hat – nur eine Generation
vor mir…
Interview: Carina Prange
CD-Tipp
Daniel Smith: The Swingin’ Bassoon
(Zah Zah Records ZZCD 9824)
www.danielsmithbassoon.com
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