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Oscar Peterson Norman Granz war besessen von der Idee, die Musiker seiner Labels Songbooks
aufnehmen zu lassen. Ella Fitzge-rald verwirklichte eine umfassende Serie,
während Charlie Parker vor seinem Tod nur ein Cole-Porter-Album
verwirklichte. Oscar Peterson war Vorreiter. In den Jahren 1951 bis 1955
nahm er die Songbooks von Porter, Berlin, Gershwin, Ellington, Kern,
Rodgers, Youmans, Warren, Arlen, McHugh und Basie auf. Sie zeichnen die
Entwicklung seines Trios nach: Das Duo mit Ray Brown ergänzte er
nach Vorbild des Nat King Cole Trios mit einem Gitarristen, zunächst
dessen Sideman Irving Ashby, dann Barney Kessel, der bei Peterson nicht
recht zur Geltung kam. Mit Herb Ellis stimmte die Chemie zu 100 Prozent.
Die Songbooks sind ein Meilenstein der allumfassenden Instrumentalbeherrschung
des schon in jungen Jahren vielbeanspruchten, unablässig swingenden
Urenkelschülers von Franz Liszt, der trotz einer fast fließbandartigen
Produktionsweise jedem Stück ein eigenes Gepräge verleiht.
Nach gründlich zusammengestellten und dokumentierten Boxen leistet
sich United Archives leider viele Schlampereien: Herb Ellis wird hier
oft Hellis, spielt angeblich wo es Kessel tut. Die Behauptung des Kommentators,
das Trio hätte mit dem Schlagzeuger Alvin Stoller nur ein Stück
aufgenommen, ist schlicht falsch. Schade, denn mit ein bißchen
mehr Sorgfalt wäre die Reihe eigentlich unschlagbar. That Devilin’ Tune – A Jazz History
[1895-1950] by Allen Lowe Die Jazzgeschichte bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts nicht nur in
einem Buch darzustellen, sondern in vier Boxen, von denen jede ein Viertel-Buch
und neun CDs enthält, in der sich diese Geschichte annähernd
chronologisch nachhören läßt – was für eine
sinnvolle und dabei gewaltige Aufgabe! Allen Lowe, der die Kompetenz
des Fachkundigen mit der Sensibilität des Musikers und der Eigenständigkeit
des Unbeirrbaren verbindet, hat sich ihr gestellt und sie bravourös,
aber auch auf unvergleichlich persönliche Weise gelöst. Wie
originell, das kann man dem Untertitel der ersten Box kaum ansehen: „Rare
recordings by Al Jolson, Bert Williams, W. C. Handy, Eubie Blake, Kid
Ory, Bessy Smith, King Oliver, Louis Armstrong and others, in state-of-the
art digital restorations, with extensive notes.“ Zu unterstreichen
sind nämlich die Wörter „rare“ und „others“.
Lowes Blick ist umfassend, zugleich ist sein Blick im ursprünglichen
Sinne des Wortes „ex-zentrisch“. Er berichtet uns nicht seitenweise über
die im Untertitel genannten Persönlichkeiten, die im Zentrum bekannter
Jazzgeschichten stehen, sondern mit Vorliebe über die Vergessenen,
scheinbar unbedeutenden Randfiguren, deren Stellung in der Historie er
rekonstruiert, revidiert, in manchen Fällen auch nur erahnt. Hier
wird der Kenner unendlich viel Neues erfahren. That Devilin’ Tune – A Jazz History [1895-1950] by Allen
Lowe Trotz der beispielhaft im Untertitel genannten Namen Bix Beiderbecke,
Paul Whiteman, Duke Ellington, Fats Waller, Jimmy Dorsey, Fletcher Henderson,
Django Reinhardt und Art Tatum ist diese Box nicht das wofür man
sie halten könnte: ein „Best of“ der Berühmtheiten
jener Zeit, sondern der ultimative Beweis dafür, dass die interessantesten
Beispiele nicht immer von den bekanntesten Musikern stammen müssen. That Devilin’ Tune – A Jazz History [1895-1950] by Allen
Lowe Wie aus den Rezensionen zu den Volumes 1 und 2 hervorgegangen sein
dürfte,
ist Allen Lowes Jazzgeschichte nahezu vorbehaltlos zu empfehlen. In diesem
Band findet man etwa viele Beispiele für den aus so vielen Jazzgeschichten
verbannten Western Swing – hier wird man fündig. Wegen seines
unorthodoxen Zugangs empfiehlt sich das hervorragende Werk allerdings
weniger als Einführung für Anfänger, sondern als Zweiteinstieg,
Korrektiv und Ergänzung bereits vorhandener Kenntnisse. Lowe scheint
ohnehin vorauszusetzen, dass jemand, der seine Boxen kauft, die Meilensteine
und Hits der jeweiligen Zeit ohnehin kennt. Ja, er scheint zu glauben,
jeder Käufer besitze auch ausführliche Diskografien. Nur aus
dieser Annahme heraus ist der einzige Mangel der Boxen verständlich:
das Fehlen der Besetzungsangaben zu den einzelnen Stücken. Nur Bandleader,
Titel und Aufnahmedatum werden genannt, so steht man als Hörer immer
wieder vor dem Rätsel, wer der eine oder andere Solist ist. Zwar
finden sich in den Booklets bisweilen Hinweise, doch hat es damit so
seine Bewandtnis. Die späteren Aufnahmen aus Box 2 werden erst im
Booklet zu Box 3 kommentiert; die späteren Aufnahmen aus Box 3 im
Büchlein von Box 4 beschrieben. Nur wer alle vier Bände und
eine Diskographie besitzt, kann also vollen Nutzen ziehen aus diesen
so gründlich recherchierten Epochenschauen. That Devilin’ Tune – A Jazz History [1895-1950] by Allen
Lowe Die meisten Jazzgeschichten lesen sich als ein Nacheinander von Stilen,
doch der Realität entspricht mehr die Gleichzeitigkeit des Disparaten.
Band 4 der Dokumentation beschäftigt sich mit dem kürzesten
Zeitraum, und doch ist es jener, der das bunteste Bild liefert. In diesem
Zeitraum haben wir es nicht nur mit Bebop und frühem Cool Jazz zu
tun, sondern auch mit traditionellem Jazz verschiedenster Art. Das Revival
des frühen New Orleans Jazz gehört ebenso dazu wie Chicago
Jazz à la Condon und alles was man sonst noch zu Dixieland rechnen
mag. Combo- und Bigband-Swing bekommt seinen gebührenden Anteil,
ebenso Spätausläufer des Western Swing. Wir hören Blues,
R & B und Pop à la Sinatra. Progressiver Jazz à la
Kenton und früher West Coast Jazz werden ebenso mit repräsentativen
Aufnahmen abgedeckt usw. So gelingt es Allen Lowe durch die chronologische
Anordnung die Gleichzeitigkeit von Unterschiedlichem sinnfällig
zu machen. Die Eureka Brass Band und der junge John Coltrane sind 1951
Zeitgenossen und vielleicht hilft es dem Verständnis der damaligen
Jugendlichkeit des Jazz, wenn man sich vergegenwärtigt, dass selbst
Urvater Armstrong in jenem Jahr erst 50 wurde. Wieder fehlen genau jene
Aufnahmen, die man erwartet, und freut sich über Frank Signorelli,
Tony Fruscella, Johnny Carisi, um nur einmal vergessene Italo-Amerikaner
herauszugreifen. Glücklich und bereichert beschließt man nach
der 36. CD, bald wieder ein paar Wochen Zeit zu finden, um alles noch
einmal zu hören.
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