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Diesen Sommer war ich eine Woche in Italien. Nein, nicht am Meer, sondern in Milano bei meinem alten Freund Stefano, dem Jazzproduzenten. Es war eine besondere Woche, denn Stefano hatte zwei Bands im Studio: Wenn die eine essen ging, nahm die andere auf. „Ich zahle hier Tagessatz“, erklärte Stefano. Sonst sprach er nicht viel mit mir, obwohl er die ganze Zeit am Reden war: Es geht ja nichts ohne ihn. Stefano hat drei Handys (ungelogen!), meist klingeln zwei gleichzeitig, daher sind die Klingeltöne harmonisch abgestimmt – bis hinein in die Obertonreihe. Wahnsinn, worum sich so ein Produzent alles kümmern muss: den Pianisten abholen, der verschlafen hat, das Vibraphon besorgen, das nicht geliefert wurde, eine Ladung Pullover kaufen, weil die Klimaanlage zu gut funktioniert. Auch im Studio machte Stefano eigentlich alles selbst: Er korrigierte die Mikrofone, Regler und Arrangements, brachte bei beiden Bands seinen Lieblingssong ein („I’ve Got The World On A String“), taufte die neuen Stücke, legte die optimalen Tempi fest und bearbeitete das Blättchen im Sopransax. Einmal sang er dem Gitarristen sogar vor, was er im Intro zu spielen hatte. In seinem Herzen ist Stefano eben immer Musiker geblieben. Eigentlich schade, dass er das Trompetespielen damals aufgab, aber der Hockeyclub, die Studentenzeitung, die wöchentlichen Billardturniere, der Beckett-Lesezirkel, die Cineasten-Runde – das hing ja alles an ihm. Beim Mischen und Schneiden stellte er übrigens die Aufnahmen noch mal komplett um. Er baute sogar eine Klavierphrase aus der einen Session bei der anderen ein. „Merkt keine Sau!“, brummte er und war in seinem Element. „So, meine zwei neuen CDs sind fertig“, sagte er zum Schluss. Ich brauchte dann doch noch eine Woche Urlaub zu Hause. Rainer Wein |
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