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Jazzzeitung

2007/05  ::: seite 10

berichte

 

Inhalt 2007/05

Inhaltsverzeichnis

STANDARDS

Editorial / break / Nachrichten aus der Jazzszene / kurz, aber wichtig


TITEL - Endzeitstimmung
Wir erleben die Apokalypse des Jazz


DOSSIER

Individualisten aus Chicago
Zum Tod des Pianisten Andrew Hill und des Geigers Johnny Frigo

I like the way you play
Abschied von Joe Zawinul mit Erinnerungen an eine bewegte Zeit


Portraits

Jean-Luc Ponty, Kristin Asbjørnsen, Daniel Smith, Harald Banters Media Band, Besuch bei Richie Beirach

… und mehr im Inhaltsverzeichnis

Musikalische Dichte

Zum Landesjazzfestival Baden-Württemberg 2007

Der Stadt Esslingen und dem verantwortlichen Festivalchef Eckhart Fischer blieb relativ wenig Zeit zur Vorbereitung (nach kurzfristiger Absage durch den vorherigen Bewerber). Dennoch wurde dank aufopfernder Mitarbeit aller beteiligten Clubs, dem Kulturreferat, der örtlichen Gastronomie, großzügiger Sponsoren und nicht zuletzt der verpflichteten Musiker diese Kraftprobe an Logistik bravourös geschultert. Mit insgesamt 5.000 geschätzten Besuchern bei herrlichem Spätsommer führten die open-air-Veranstaltungen auf dem mit einem überdimensional präparierten Zeltdach auf dem Hafenmarkt, die Konzerte im traditionellen Jazzkeller, im Kulturzentrum Dieselstrasse und in zahlreichen privat geführten Gewölbekellern der Altstadt zu einem überaus erfolgreichen Ergebnis. Die Gäste feierten bis 3 Uhr morgens.

Die Bobby Burgess Big Band. Foto: Wilfried Martin

Bild vergrößernDie Bobby Burgess Big Band. Foto: Wilfried Martin

In chronologischer Folge die wichtigsten Auftritte: Peter Lehel (ts), Ull Möck (p), Mini Schulz (b) und Schlagzeuger Dieter Schumacher eröffneten das Festival im hierzu geradezu prädestinierten Esslinger Jazzkeller. Das Quartett bot einmal einen feurigen ungarischen Cocktail, gemixt aus Zoltán Kodály und viel Attila Zoller. Als Kontrast hierzu eine selten in dieser Authentizität gehörten Hommage an John Coltranes „A Love Supreme“. Gleichsam unter diesem Motto kamen tags darauf auf dem Hafenmarkt die Freunde des großorchestralen Jazz zu ihrem Recht. Die Bobby Burgess Big Band Explosion, diesmal unter der Leitung von Steffen Schorn (ts, bs) hatte sich allerdings in ihrem Programm und in der Dramaturgie etwas verschätzt. Zuviel äußerst komplizierte Eigenkompositionen hintereinander sind für ein open-air-Konzert für die breite Akzeptanz stets riskant. Erst wieder swingend krachender Sound durch Kompositionen von Don Menza, Bill Holman oder Thad Jones versöhnten die treuen Bobby Burgess-Anhänger wieder. Anders, weil losgelöst von Vorgaben, präsentierte sich das BuJazzO mit pfiffigen Arrangements bekannter Standards und interessanten Eigenkompositionen ihres aktuellem Leiters Marko Lackner. Ein Vokal-Quintett im Stile des New York Voices („There will never be another You“) verzauberte geradezu das begeisterte Oval. Am gleichen Abend im Jazzkeller ein wieder gern gesehener Gast: Antonio Faraò (p) mit Rick Marghitza (ts), einem kompromisslos harten Schlagzeuger Gene Jackson und dem famosen Bassisten Martin Gjakonovski. Der bekannt perkussive Anschlag Faraòs im Stil des frühen McCoy Tyner korrespondierte ideal zu Gene Jackson (er vertrat kurzfristig Jeff „Tain“ Watts) und das äußerst kompakt wirkende Quartett legte ein unvergessliches Feuer unters Dach des über 500 Jahre alten Kellers.

Seit über 50 Jahren hier „zuhause“, eine solche Dichte an Musikalität wie an Publikumsandrang gleichermaßen hat das altehrwürdige Forum selten erlebt. Dieser erste Höhepunkt konnte nur noch am nächsten Tag durch den open-air-Auftritt von Till Brönner & Band übertroffen werden. Und seinem Quartett mit Dieter Ilg (p), Wolfgang Haffner (dr), Roland Pfeil (perc), Hendrik Soll (p) und der eigentlichen Überraschung an der Gitarre, Johan Leijonhufvud gelang dies in überzeugender Manier. Allen puristischen Vorurteilen zum Trotz: der Ausnahmetrompeter erwies sich an diesem Abend als das, was er tatsächlich ist, ein begnadeter Musiker, der bei allen merkantilen Fähigkeiten ein großer, echter Vertreter des Jazz geblieben ist. Mit seinen treuen Begleitern und besten Vertretern ihres Fachs in Deutschland, Dieter Ilg und Wolfgang Haffner stand das Gerüst. Auch wenn er sich Titel wie „I hear music“ oder „In my secret life“ bediente, die Themen erreichten federleicht die Hörer, die Schwerpunkte der Improvisation und der Soli („Wenn ein junger Mann“) blieben Beleg von bestem, „unverdorbenem“ Jazz. 500 glückliche Fans und die, die es vielleicht noch werden, bedankten sich mit enthusiastischem Applaus. Sänger und Showman Karl Frierson und „The Soul Jazz Familiy“ (als Vorgruppe) beschlossen am darauf folgenden Abend die Serie Freiluftkonzerte. Seinen Vorbildern James Brown („Goodthang“), Otis Redding oder Marvin Gaye („Let’s get it on“) folgt er geradezu werktreu. Mal melancholisch-gefühlvoll („Dock of the Bay“), mal fetzig-rockig („Freaklife“). Er plappert zwar (in gutem Deutsch) etwas zu viel, aber er verstand dank eines sehr guten, rhythmischen – u.a. mit Werner Acker (g) – backgrounds den wieder vollen Hafenmarkt fast etwas wehmütig, nichtsdestoweniger hochzufrieden zu entlassen.

Das Finale beschloss das Duo Werner/Baumeister und das legendäre Zentralquartett, allerdings ohne Ernst-Ludwig Petrowski (as), dafür mit Manfred Hering. Ein sehr gereifter Conny Bauer (tb) und ein weiterhin bekannt nonkonformistischer, aber sehr humorvoll agierender Günther „Baby“ Sommer an seinem Schlagwerk komplettierten das aktuelle Quartett. Free Jazz selbstverständlich nach wie vor, aber diesmal äußerst melodiös und nichtsdestoweniger 4/4-rhythmisch als ironisches „Liedgut aus teutschen Landen“ verpackt, wurde noch einmal zeitgenössischer Jazz in hoher Qualität zelebriert. Der 5-tägige Kreis war wieder geschlossen.

Udo Klinner

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