Ausgabe April 1999MEMORIALSTAR AUF ZEIT Nachruf auf Inge Brandenburg (1929-1999) Autor: |
Es war ein Leben voll verpaßter Gelegenheiten und unglücklicher Zufälle. Und es fing schon so an. Am 18. Februar 1929 in Leipzig geboren, verbrachte Inge Brandenburg ihre Jugend in Heimen in Dessau und Bernburg. Ihr Vater war Kommunist, wurde von den nationalsozialischen Schergen interniert und 1941 im Konzentrationslager Mauthausen ermordet. Die Mutter wurde wegen "staatsfeindlicher Äußerungen" verhaftet und starb im KZ Ravensbrück. So war die junge Frau nach demEnde des Zweiten Weltkriegs zwar befreit, aber elternlos auf sich gestellt. Sie jobbte zunächst orientierungslos in der SBZ und flüchtete 1949 in den amerikanischen Sektor nach Hof. Brandenburg hatte nichts zu verlieren. Daher antwortete sie auf eine Zeitungsannonce und bekam 1950 das erste Engagement als Sängerin im GI-Club "Crossroads" in Augsburg. Fortan tingelte sie mit buntem Repertoire durch deutscheNachtlokale, lernte ein immenses Repertoire von etwa 2.000 Schlagern, Standards und beliebten Melodien. Durch die permanente Erfahrung verfeinerte sie ihr musikalisches Talent zur Professionalität. Die Autodidaktin entwickelte sich zum beliebten Act in Soldatenkneipen, deren Besucher ihre "Brandy" ausgiebig beklatschten. 1957 will sie für vier Wochen durch Schweden touren, der Erfolg macht acht Monate daraus. 1958 schließlich hat sie den Durchbruch geschafft. Inge Brandenburg wird anläßlich ihres Auftritts am Frankfurter Jazz-Festival von Presse und Publikum entdeckt. Die Kritiken vergleichen sie mit Billie Holiday und Ella Fitzgerald. Die deutsche Jazz-Szene ist begeistert von ihrer Fähigkeit, aus Balladen wie "Lover Man" emotionsdichte, ergreifende Momente werden zu lassen. Ein paar Monate später bekommt Brandenburg auf dem Festival im südfranzösischen Juan-les-Pins sogar den Titel der "besten europäischen Jazzsängerin" verliehen. Für kurze Zeit ist sie ein Star, doch der anhaltende Erfolg bleibt aus. Denn die Zeiten ändern sich rasant. Jukeboxes vertreiben Live-Musik aus den Lokalen. Rockn Roll und Beat locken das Publikum aus den Jazz-Clubs in die großen Konzertarenen. Und Inge Brandenburg versteht die Welt nicht mehr. In den Sechzigern beginnt sie, Schlager zu singen, und wird bald auf die leichte Muse reduziert. Unzufrieden mit sich selbst schlägt sie sich durch, spielt ein wenig Theater. Die Auftritte werden weniger, 1974 singt sie noch einmal auf einem Jazzfestival in Würzburg, 1985 in der Frankfurter Brotfabrik. Danach zieht sie sich vorerst vollständig aus der Szene zurück, lebt von karger Rente und führt gegen ein Taschengeld die Hunde der Nachbarn aus. 1995 wagt sie sich mit klarer Stimme und leuchtenden Augen noch einmal zu einem bescheidenen Comeback auf die Bühne des Bayerischen Hofs in München. Doch von den alten Fans sind nur noch wenige gekommen. Am 23. Februar ist Inge Brandenburg im Schwabinger Krankenhaus kurz nach ihrem 70. Geburtstag gestorben. "Life could have been so sweet on the sunny side of the street..." |
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