Ausgabe April 1999JUBILEEKOMPONIERE FREIHEIT Am 29. April wäre Duke Ellington 100 geworden Autor: Anspieltips: Lesetips Konzerttips 1.5. Unterfahrt: Eine Nacht zum 100. Geburtstag von Ellington (siehe "Kurz aber wichtig" München und Hamburg). |
"Duke Ellington war ein
unglaublicher, fantastischer Komponist. Denn viele seiner Kompositionen lassen den
Musikern die Freiheit, sie in völlig unterschiedlichen Herangehensweisen zu
interpretieren. Das ist eine ausgesprochen seltene Eigenschaft in der Geschichte der
komponierten Musik. Meistens geben die Stücke den Interpreten die Anweisung gleich mit,
wie sie denn zu klingen haben. Ellington läßt vieles offen." Soweit Branford
Marsalis. Während sein Bruder Wynton bereits Event um Event am New Yorker Lincoln Center
inszeniert, um den Großmeister der schwarzen Musik anläßlich seines 100. Geburtstages
am 29. April ausgiebig zu würdigen, hält er sich aus dem Trubel raus:"Heuer spielen
fast alle Ellington. Da muß ich mich nicht auch noch einmischen." Immer der Streß mit den Denkmälern. Pflegt man sie zu sehr, gehen sie auf die Nerven, pflegt man sie zu wenig, wird man ihrer Bedeutung nicht gerecht. Duke Ellington jedenfalls macht alle Mühe, angemessen gefeiert zu werden. Denn der kreative Workaholic hat etwa 7000 Kompositionen hinterlassen, deren stilistisches Spektrum von den ersten Jungle Style Melodien der späten Zwanziger bis zu den ausladenden geistlichen Werken der Siebziger reicht. Zahlreiche Ohrwürmer aus seiner Feder haben sich bereits fest im kollektiven Jazz-Gedächtnis eingegraben. Und kaum ein Künstler hat dem Reiz widerstanden, daraus ein eigenes Programm zu gestalten. So häufen sich die Tributes und Compilations über die Jahre hinweg in unübersichtlicher Vielfalt. Hier sind daher ein paar persönliche Tips als Anhaltspunkte für eine Ellington Basis Sammlung. Die RCA Victor hat sich zum Jubiläum einen Kraftakt geleistet. Pünktlich zum Geburtstag veröffentlicht sie am 27. April in den USA "The Duke Ellington Centennial Edition: The Complete RCA Victor Recordings 19271973", eine Zusammenstellung auf 24 CDs mit vielen Hits und einigen Besonderheiten wie den drei geistlichen Konzerten, die im Laufe der Jahre für die traditionsreiche Plattenfirma entstanden sind. Wann und zu welchem Preis die Jazzfans hierzulande in den Genuß dieses limitierten Prestigeobjektes kommen, ist noch unklar. In jedem Fall bietet es sich als umfangreiche Einführung in Ellingtons Schaffensspektrum an, zumal es auch eine Best-Of-CD der Sammlung für den schmalen Geldbeutel geben wird. Um Duke Ellington als souveränen Pianisten kennenzulernen, empfiehlt sich die Trio-Session "Money Jungle" von 1962, auf der er gemeinsam mit Charles Mingus und Max Roach allen Zweiflern an seiner instrumentalen Kompetenz die Stirn bietet. Eine trocken humoristische Zusammenstellung von Kuriosa für Historiker sind die Aufnahmen, die Ellington unter dem Titel "Piano Duets" mit seinem künstlerischen Alter Ego Billy Strayhorn für Prestige archivierte. Und für die Freunde seiner Suiten gehören "The Ellington Suites" auf Pablo mit der wunderbaren Version der "Queens Suite" von 1959 zu den musikalischen Pretiosen. Aus der Menge der Tributes seien nur zwei erwähnt, eines zur Einführung und eines für den gehobenen Geschmack. Die "Homage To Duke" des Pianisten Dave Grusin aus dem Jahr 1993 etwa mag nicht die Ultima Ratio der Widmungsalben sein, hat dafür aber den Vorteil, daß sie klanglich ausgewogen und perfekt im Mainstream-Idiom inszeniert unterhält. Neu, anspruchsvoll und gelungen ist darüber hinaus das Projekt "Ellingtonia", das die Münchner Plattenfirma ACT herausgegeben hat. Denn sowohl die NDR-Bigband als auch ihre Solisten wie Heinz Sauer, Tomasz Stanko, Slide Hampton oder Simon Nabatov stürzen sich in den 1984 und 1998 entstandenen Aufnahmen mit Energie und Esprit auf die Materialen, so daß sich die bewährten Melodien in frische, unmittelbare, mitreißende Orchester-Statements verwandeln. |
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