Ausgabe November 1998PORTRAITTill Brönner in New York Ein Trompeter zwischen Soloambitionen und Tuttiverpflichtungen Autor: Fotos:
Tourdaten im November: |
Milchbubi. Aussprechen tut es keiner. Aber er kann
es an ihren Augen ablesen, daß sie ihn für ein Greenhorn halten, daß sie ihm
bestenfalls eine Rolle in einer dieser unsäglichen Spätnachmittags Soapoperas zutrauen.
Wäre der junge Mann, der da ob seines schmucken, jugendlichen Äußeren des öfteren
gering geschätzt wird, nicht so ein Gentleman, würde er vermutlich kalt lächelnd sein
Horn auspacken und den Leuten die Wahrheit und nichts als die nackte Wahrheit ins Gesicht
blasen. Till Brönner ist Jazzmusiker. Und was für einer. Mit allen Wassern gewaschen.
Mit einer überdimensionierten Portion Talent gesegnet. Hat schon mit Johnny Griffin, Dave
Brubeck, James Moody, Aki Takase, Joachim Kühn, Tony Bennett, Chaka Khan und Natalie Cole
gespielt.
Auch die Rauschebärte im RIAS-Tanzorchester mögen anfänglich etwas mißmutig geschaut haben, als sich ein blasser Zwanzigjähriger bei ihnen um einen freien Trompetenposten bewarb. "Es gab viele ältere Kandidaten, die da vermutlich viel besser reingepaßt hätten. Umso dankbarer bin ich, daß man mir trotzdem eine Chance eingeräumt hat." Dennoch war und ist es für Till Brönner nicht einfach, in den Reihen des Radio-Ensembles zu sitzen. "Ich stieß auf eine Menge Widerstand." So was macht aber bekanntlich hart. Er habe sich im Orchester ein gerüttelt Maß an Lebenserfahrung zugelegt, sagt Brönner. Die kommt ihm heute zugute, etwa als Produzent des ersten Studioalbums, das Hildegard Knef seit 20 Jahren aufgenommen hat. "Nach anfänglicher Neigung zur Arroganz, weil man als Überflieger schnell abheben kann, bin ich beim RIAS-Orchester schnell auf den Boden zurückgekehrt und habe vor allem eines gelernt: Respekt. Den erfährt Till Brönner selbst nicht nur als Festangestellter, sondern auch als Solist, der bereits fünf CDs unter eigenem Namen veröffentlich hat. Einige halten den Youngster zwar für zu perfekt, zu slick, für zu wenig aggressiv. Aber, Gegenfrage: Wo sonst in Deutschland gibt es derzeit einen Trompeter, der mit soviel Eleganz, mit soviel Lässigkeit intoniert, der solch geschmackvolle Wendungen aus dem Trichter läßt und, bei lupenreinster Technik, so ungemein pointiert spielt? Ein deutscher Jazzstar ist geboren. Allzu viele davon haben wir ja nun weiß Gott nicht. Die Aufmerksamkeit, die Till Brönner in den Medien und beim Jazzpublikum erregt, ist manch einem seiner Arbeitskollegen beim RIAS ein Dorn im Auge. "Ich muß mich da richtig zusammennehmen, um nicht böse zu werden", grummelt Till Brönner. "Ich kann verstehen, daß man in einer Band nur Teil des Ganzen ist und nicht herausstechen sollte. Andererseits stimmt es mich traurig und nachdenklich, daß es Leute gibt, die, obwohl sie musikalisch stehengeblieben sind, auf ihre alten Tage eine unheimliche Energie entwickeln können, wenn es darum geht, dir Knüppel zwischen die Beine zu werfen, was auch immer du gerade vorhast." Dafür hat Till Brönner mit dem familiären Umfeld großes Glück gehabt. "Meine Eltern haben meine Begabung früh erkannt, aber nicht militant gefördert. Es gibt ja Leute, die gleich einen Flügel kaufen, wenn ihr Kleiner zuhause am Klavier mal eine Taste runterdrückt." Er bekam keinen Steinway ins Kinderzimmer gestellt, sondern eine Blockflöte in die Hand gedrückt. Das funkelnde Etwas, daß er im Alter von neun Jahren zur Kommunion geschenkt bekam, machte jedoch mehr her: eine Trompete. Sein starkes Interesse am goldenen Horn wurde mit einer klassischen Ausbildung belohnt, sein erster Lehrer bezog als Mitglied des Bundesmusikcorps der Bundeswehr seinen Sold. In der Schule spielte der Jungtrompeter mit dem vier Jahre älteren Stefan Raab in einer Band albernen "Sakro-Pop". Um das seriöse Gleichgewicht zu halten, nahm Till erfolgreich an verschiedenen "Jugend musiziert"-Wettbewerben teil, wußte aber schnell, daß eine klassische Karriere sein Ding nicht werden sollte. "Selbst als ich mich für Jazz entschieden habe, schlugen meine Eltern nicht gleich die Hände über dem Kopf zusammen. Ich bin Ihnen bis an mein Lebensende dafür dankbar." Der Wechsel von einer musikalischen Front zur anderen vollzog sich schnell und sauber. Mit 15 nahm Till Brönner am Wettbewerb "Jugend jazzt" teil und hielt am Ende den Siegerpokal in den Händen. Für Peter Herbolzheimer machte es Sinn, den hochbegabten Teenie in seinem Bundesjugendjazzorchester aufzunehmen (als jüngstes Mitglied). Zur Vervollständigung seiner Fertigkeiten studierte Till daneben in Köln an der Musikhochschule noch Jazztrompete. Mit zwanzig bewarb er sich, wie vorhin bereits erwähnt, beim RIAS Tanzorchester, bei dem er auch heute noch in Lohn und Brot steht. Wer weiß wie lange noch. "Ich muß da theoretisch 24 Stunden am Tag zur Verfügung stehen, was sich in der letzten Zeit als deutliches Problem herauskristallisiert hat." Der feste Job kollidiert eindeutig mit der Solo-Karriere des 27jährigen, der es geschafft hat bei Verve einen Major-Deal zu landen. Nach drei Alben für Minor Music, die Brönner als aufgeklärten, modernen Mainstreamtrompeter auswiesen und einer mißlungenen, weil völlig sterilen Fusion-CD für BMG steht nun "Love" (Verve) in den Plattenläden, ein sündhaft schönes Balladenalbum, auf dem die Trompete selbstvergessen Melodien haucht. Keine Musik für ausgesprochene Machos. Eingespielt wurde die CD mit Freunden aus der Heimat, wie Frank Chastenier (Piano, Keyboards) und Wolfgang Haffner (Schlagzeug) sowie einigen amerikanischen Spitzenkräften, die auf so klanghafte Namen wie Chuck Loeb (Gitarre), Tim Lefebvre (Baß) und David Charles (Percussion) hören. Ausgerechnet im hektischen Innenleben des Big Apple hat Till Brönner dieses wehmütige, sanfte, introvertierte Werk aufgenommen. "In New York zu arbeiten bedeutet eigentlich mehr Streß als Entspannung. Aber es hatte praktische Gründe, hierher zu gehen. New York hat diese schrille Mischung aus Leistungsdruck und kreativem Ansporn. Manchmal sollte man sich fragen, ob Leuten, die kreativ tätig sind, New York nicht zwangsverordnet werden sollte." Wie schon auf seinem "German Songs"-Album benutzt Till Brönner auch auf "Love" neben einem Trompeten- ein Gesangsmikrophon. Seine beiden Vokalnummern rücken ihn stilistisch in die Nähe von Chet Baker ("Our Game") und Michael Franks ("We Fly around the World"). "Es wäre mir ein großer Dorn im Auge, wenn man über mich sagt, ich sei ein Trompete spielender Sänger", sagt er und macht mit der Hand eine Abwehrbewegung. "Ich bin, wenn überhaupt, ein singender Trompeter. Interessant ist, daß Musiker wie Louis Armstrong oder Chet Baker diesen großartigen Bekanntheitsgrad wohl nur deshalb erreicht haben, weil sie auch gesungen haben. Bei mir könnte man das jetzt so verstehen, als wollte ich alle Register ziehen, um unbedingt bekannt zu werden aber das ist nicht der Fall. Ich finde einfach, daß sich Stimme und Trompete wunderbar ergänzen." |
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