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Wenn es nach Nguyên Lê ginge, dann würde er pro Jahr mindestens sechs Alben veröffentlichen. Denn dem umtriebigen Gitarristen fallen fortwährend neue Projekte ein, die er verwirklichen könnte. Die Gesetze des Markes jedoch zwingen ihn dazu, sich zu beschränken und einigen Ideen den Vorzug zu geben.
Nachdem er sich seit Anfang der Neunziger vor allem der Auf- und Umarbeitung seiner ethnischen Klangwurzeln gewidmet hatte, sind nun die stilistischen Väter an der Reihe. Allen voran Jimi Hendrix: „Eigentlich ist es eine alte Geschichte. Vor neun Jahren hatte ich bereits eine Gruppe in Frankreich, mit der ich mich auf die Musik von Jimi Hendrix konzentriert habe. Da ich seine Songs schon als Teenager bewundert habe und sie weder kopieren wollte noch konnte, dachte ich mir, ich könnte sie als Kontrast ein bisschen wie Standards behandeln. Ich wollte den Melodien meine eigene Stimme geben und ich hatte einer wunderbare Band, die mir dabei half. Corin Curschellas gehörte als Sängerin dazu, Steve Argüelles saß am Schlagzeug und am Bass war Richard Bona, der zu der Zeit noch in Frankreich wohnte. Das Projekt gab es drei Jahre und wir spielten viel live, zum Spaß und als Ausgleich für manch abgedrehtere Jazzgeschichten.“ Lê hatte damals bereits die ersten Stufen der Karriereleiter erklommen. Im Jahr 1959 als Sohn vietnamesischer Exilanten in Paris geboren, hatte er sich zunächst auf Philosophie und Bildende Kunst konzentriert. Gitarre lernte er nebenbei, als reizvolles Hobby, das sich schrittweise ausbaute. Mit etwas Glück schaffte Lê 1987 die Aufnahme ins Orchestre National de Jazz. Diese grandiose Einrichtung des französischen Staates verschaffte ihm über mehrere Jahre hinweg ein festes Einkommen. So begann er, mit Kollegen und Freunden eigene Bands zu entwickeln, die sich der Reihe nach mit seiner vietnamesischen Heimat, den kosmopolitischen Klängen von Paris und der musikalischen Szene des Maghrebs beschäftigten: „Musik hat immer auch einen ethnologischen Hintergrund. Bei ‚Tales From Viet-Nam’ zum Beispiel lag mir etwas daran, mit Künstlern wie der Sängerin Huong Thanh zu kooperieren, die selbst in dieser Kultur stecken. Hendrix wiederum ist eine Arbeit über einen Teil afroamerikanischer Tradition. Insofern war Terry Lyne Carrington besonders wichtig, denn als erfahrene Schlagzeugerin ist sie ein Verbindungsglied zu dieser Welt.“ Mit dabei sind außerdem der Bassist Michel Alibo, der mit Lê und Carrington zusammen die Basistracks aufgenommen hat. Später kamen Corin Curschellas, als weiße Stimme mit europäischer Farbe, und Aida Khann, als deren afrikanisches Gegenüber dazu. Bojan Zulfikarpasic ergänzte die Songs um osteuropäische Elemente am Klavier, der Perkussionist Karim Ziad wiederum fügte nordafrikanische Momente hinzu. Die Bassisten Me’Shell Ndegeocello rundete die Lieder schließlich im New Yorker Studio noch um ein paar schwarze Grooves ab. So wurde aus „Purple“ (ACT) ein vielseitiger Kulturencocktail, der Hendrix zwar als Ausgangspunkt verwandte, in der Interpretation jedoch weit darüber hinausreicht. Ralf Dombrowski |
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