Aktuelle Ausgabe Jazz in München Jazz in Hamburg Jazz bundesweit
Ausgabe Juli/August 1998

STORY:
Ray Anderson
Loussier/Anzelotti

PORTRAIT
Johannes Enders

MEMORIAL
Frank Sinatra
Attila Zoller

EVENTS
Klaviersommer
Jazzweekend

INTERVIEW
Die Siegertypen
(Lutz Häfner, Nils Wogram, Carola Grey)

NEUE CDs
Reissues von Impulse
George Benson
Joe Zawinul
Miya Masaoka
Shorty Rogers
T. Hagans & M. Printup
Art Tatum

BÜCHER
Hit Men
Bielefelder Katalog Jazz

Impressum

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"Würde der nächste Bundestag ausschließlich von Jazzfans gewählt werden, dann würden die Parteien der Regierung Kohl an der Fünf-Prozent-Klausel scheitern (CDU 2,3%, FDP 2,8%), und im Bundestag wären nur noch zwei Parteien vertreten: Die SPD würde mit 27,4 Prozent weiterhin die Oppositionsbank drücken, und die Grünen, so sie denn wollten, die alleinige Regierungsverantwortung tragen, mit einem Stimmenanteil von 60,1%." Auch wenn man weiß, daß Jazzfans weder Durchschnitt noch schweigende Mehrheit sind, dieses Zitat aus einem lesenswerten Artikel über "Jazz und Politik" von Ekkehard Jost fand ich doch bemerkenswert (in: "Populäre Musik, Politik und mehr ... ein Forschungsmedley", Coda, 1998, ISSN 0943-9242). Die Zahlen sind von 1990, ob sie am 27. September 1998 noch Gültigkeit hätten, wer weiß? Und wie würden Bayerns Jazzfans wählen, unterstellt man ihnen, daß sie unter den sowieso schon rebellischen Jazzern nochmals eine eigensinnige Fraktion bilden? Haben Jazz und Politik überhaupt etwas miteinander zu tun? Es gibt Themen, die mir spontan dazu einfallen: die Verfolgung der Swing-Jugend im Nazi-Deutschland, die amerikanische Bürgerrechtsbewegung. Oder konkreter Sonny Rollins' "Freedom Suite", das AACM in Chicago, die Liberation Music von Charlie Haden, Charlie Mingus und seine "Fables Of Faubus". Oder, um noch einmal ein Beispiel aus Deutschland zu nehmen, die Diskriminierung des Jazz in der ehemaligen DDR sowie linksradikale Blasorchester in der Bundesrepublik der achtziger Jahre. Kurz vor dem Jahr 2000 scheinen die Zeiten, in denen Jazz etwas mit Politik zu tun hatte, endgültig vorbei zu sein. Heute kommt dem Jazz weniger eine politische als eine wirtschaftliche Bedeutung zu. Das Geld der öffentlichen Hand wird knapper, Jazzclubs müssen scharf rechnen, um noch attraktive Programme machen zu können. Auf der anderen Seite sind Konzerte von Stars wie Oscar Peterson und George Benson — um nur zwei große Namen zu nennen, die im Juli in Hamburg und München zu Gast sind — nach wie vor lukrativ für Veranstalter. In den Sommermonaten 1998 drängeln sich wieder die großen und kleinen Festivals. In Bayern wären da der altbewährte Münchner Klaviersommer sowie das neuinstallierte JazzClassica Festival im Schloß Elmau. Die Alternativund Familienfestivals "Fest '98" im Feierwerk sowie Tollwood präsentieren Jazzmusik in immer größerem Umfang. In Regensburg bleibt das 17. Jazzweekend als kombiniertes Jazzund Stadtfest unübertroffen. Beinahe 500 Musiker erwartet Initiator Richard Wiedamann in diesem Jahr. Die reiche Architektur Regensburg bietet zudem wohl eine einmalige Kulisse für Musiker und Zuhörer. Hamburgs Beitrag zum Festivalsommer ist das West Port Jazz Festival. Die großen Feste des Jazz haben begonnen, von Rezession und Krise ist da nichts zu spüren. Feiern wir mit!

ANDREAS KOLB