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Sylvie Courvoisier Sylvie Courvoisier, die Schweizerin in New York (genau gesagt in Brooklyn),
hat offenbar eine besonders kreative und erfolgreiche Phase, was die
Veröffentlichung von CDs angeht. Kurze Zeit nach ihrem neuen Intakt-Album „Lonelyville“ mit
Vincent Courtois, Mark Feldman und Gerald Cleaver, das schon ihre besondere
Position in der Welt zwischen Jazz und Zeitgenössischer Musik markiert,
erscheint nun bei Tzadik ihre neue Solo- Aufnahme. Im Dezember 2006 in
New York aufgenommen spiegelt sich in ihr auch das Programm wider, das
Courvoisier auf ihrer ausgedehnten Europa-Tournee wenige Wochen zuvor
(deutsche Station: Loft, Köln) entwickelt hat. James Choice Orchestra Schon seit den 60er-Jahren machten sich Kollektive wie das London „Jazz
Composers Orchestra“ oder das „Globe Unity Orchestra“ daran,
althergebrachte hierarchische Rollenprinzipien im Orchester aufzubrechen,
und öffneten sich auch für die Improvisation. Aus der Kölner
Loft-Szene kommend haben sich Frank Gratkowski, Norbert Stein, Matthias
Schubert und Carl Ludwig Hübsch zum kreativen Zentrum ihres „James
Choice Orchestra“ zusammengetan und hinterließen nicht zuletzt
bei den ambitionierten Vormittagsprojekten beim Moerser Jazz-Festival
starke Eindrücke. In diesem Umfeld entstand 2005 dieser Livemitschnitt,
der jetzt auf Burkhard Hennens Moers-Music-Label verewigt wurde. Der
gewählte „Bandname“ zollt dem Schriftsteller James Joyce
Tribut. Die augenzwinkernde Abwandlung „Choice“ markiert
vor allem die ständige Entscheidungsfreiheit als oberstes künstlerisches
Prinzip in diesem abenteuerlustigen „variablen Orchesterprojekt“. Peter Giger & Family of Percussion In den 70er- und 80er-Jahren des vorigen Jahrhunderts war der Schweizer
Schlagzeuger und Perkussionist Peter Giger nahezu omnipräsent im
europäischen Jazzmarkt. Giger-Lenz-Marron, Family of Percussion
(FOP), Four for Jazz, Mangelsdorff Quintett, Solokonzerte, Duo mit Max
Roach und zahlreiche Auflagen FOP & Friends. Später geriet der
heute 68-jährige Musiker, Dozent und Initiator zahlloser künstlerischer
Begegnungen ein wenig aus dem Kegel des großen Scheinwerfers angesagter
Jazzstars. Lange vor dem Worldmusic-Boom beschäftigte er sich intensiv
mit ethnischen Traditionen afrikanischer, asiatischer und karibischer
Perkussionsmusiken. Grupa Palotai Immer wieder gibt es in Europa aufregend Neues in Sachen Jazz zu entdecken.
So zum Beispiel wenn man anfängt, sich in die reiche Welt des ungarischen
Jazz zu begeben. Schafft man nicht persönlich den Weg nach Budapest
und Umgebung, steht ein reichhaltiger Katalog von BMC Records zur Verfügung,
inzwischen auf dem deutschen Markt von Codaex vertrieben. Man kann aber
auch in Paris viel über die ungarischen Qualitäten erleben,
nicht nur die große Musik des dort lebenden Gitarristen Gábor
Gadó, sondern auch die eines dramatisch guten Gitarristen eine
Generation jünger, Csaba Palotai, der mit vier französischen
Kollegen auf der jüngsten Produktion einen sehr überzeugenden
Auftritt vermittelt. Nicht nur dass die Saxophonisten Rémi Sciuto
und Thomas de Pourquery einen ganz eigenen Gruppensound produzieren,
in den sich Palotais Gitarre ständig einreiht, auch Nicolas Mathuriau
verleiht dem Klanggeschehen einen erdig starken Schlagzeug-Rückhalt.
Schon die Dramaturgie des Ganzen ist einzigartig, erlebt man nur die
ersten drei Stücke: Palotais verquere Solo-Partie mit „Homeless“,
die er in einen von den Kollegen begleiteten immer noch sehr psychologischen,
tiefsinnigen Auftritt „Bruyantes solitudes“ verwandelt, um
dann in den hinreißenden Song „El liberation“ zu verfallen. Ähnliche
Strukturen ziehen sich durch das ganze Werk bis zur Ankunft in „Singapore“,
worauf aber noch ein Ausflug in die „forbidden zone“ folgt – mitreißende
ungarisch-französische Klänge, die für ein grenzenloses
Europa im Jazz stehen. Pär Lammers Trio Ein unkonventioneller Titel, der berechtigte Hoffnungen bestätigt:
Pär Lammers am Piano beherrscht sein Instrument und eröffnet
auf seiner CD eine bunte Mischung aus urbanem Jazz und blumigen Geschichten,
die er mit seinem Trio erzählt. Einfache Melodien paaren sich mit
atmosphärischer Dynamik, und ähnlich wie einige seiner Kollegen
interpretiert auch er Pop-Hymnen, hier etwa Depeche Modes „Enjoy
The Silence“. Um es auf den Punkt zu bringen: Lammers spielt virtuos,
energiegeladen und melodiös, ohne an irgendeinem Punkt manieriert
zu klingen, und offenbart in seinem Spiel eine eigene, individuelle Klangsprache.
Kein lupenreiner Jazz, kein poppiger Songwriter, sondern vielmehr das,
was Jazz an sich auszeichnet – Freude am unkonventionellen Spiel
gepaart mit Improvisation, filigranen Tönen, manchmal ein wenig
schräg, dann wieder locker und leicht. Lammers findet immer wieder
zum Ursprung der Songs zurück. Er ist ein Pianist der MTV-Generation,
der am Anfang seiner Karriere steht und die Zukunft des Jazzpianos maßgeblich
prägen wird, indem er sich der musikalischen Tradition eines Piano-Trios
nicht ganz hingibt, sondern weiter über den klassischen Jazz-Tellerrand
hinausblickt. Das belegt auch seine musikalische Vergangenheit, in der
er in verschiedenen Rockbands mitspielte oder sich auch als Hip-Hop-Produzent
betätigte. Pär Lammers und sein Trio mit Marcel Krömker
am Bass und Benni Wellenbeck am Schlagzeug sollte man nach diesem Debut
unbedingt im Auge behalten. Triband Die Band mit Sandie Wollasch (vocals), Sebastian Studnitzky (keyboard/trumpet),
Michael Paucker (bass) und Tomy Baldu (drums) ist kürzlich schon
durch einen Beitrag in „Kulturzeit“ von 3sat geadelt worden.
In einer Welt, die schon aus marketingtechnischen Gründen gut verkastelt
sein muss, damit die Dinge immer am richtigen Platz liegen und zu finden
sind, fällt es normalerweise schwer, diese Musik unterzubringen. Vein Das Jazz-Trio mit Florian Arbenz (drums), Thomas Lähns (double-bass)
und Michael Arbenz (piano) spielt acht Eigenkompositionen mittlerer Länge.
Keine ausufernden Improvisationsorgien, aber auch keine musikalischen
Knappzeichnungen sind damit zu hören. Das Ganze schwingt musikalisch
zwischen durchkomponierten Passagen, die manchmal geradezu wie von Big-Band-Arrangements
auf die kleine Besetzung heruntergerechnet wirken („New O-Rootie“,
Track 2). Live Maria Roggen Die
norwegische Lyrikerin, Songwriterin und Jazzsängerin Live Maria
Roggen hat sich gehäutet für ihr überraschendes Singer/Songwriter-Jazz-Debüt
auf Bugge Wesseltofts trendigem Elektronik-Label „Jazzland“.
In gewisser Weise ist diese tiefschürfende Scheibe, bei der Soulmusik
Seelen- und Selbstfindungsmusik heißt, das Gegenteil ihrer Jazz-Standards
neu auslotenden Arbeit mit ihrer alten, derzeit pausierenden Band Come
Shine. Aus anderer Perspektive ist das neue Album „Circuit Songs“ allerdings
die Fortsetzung von „Come Shine“ auf neuem Terrain, mit anderer
Rollenverteilung – oder anders gesagt: Soul-Akrobatik, freischwebend,
ohne Netz und ohne den sicheren Boden der Jazztradition. In diesem Sinne
ist Live Maria Roggen ein experimentelles Album gelungen, das in ihrer
Radikalität den Arbeiten von Kolleginnen wie Eldbjørg Raknes,
Elin Rosse-land oder auch Sidsel Endresen in nichts nachsteht. Sängerinnen
wie Beady Belle, Torun Eriksen einerseits und Hanne Hukkelberg allerdings
sind keine Referenzpunkte für Roggens Song-Ästhetik. Da Live
Maria Roggen die Songstrukturen hier unangetastet lässt, ja als
Songwriterin mit einem Händchen für tanzbare Beats glänzt,
dürften ihre „Circuit Songs“ auch in Avant-Discotheken
reüssieren. Der Soul-Attitude Live Maria Roggens allerdings stammt
aus einer anderen Tradition: Sie leitet sich eher aus der englischen
Tradition ab – einerseits von den traumwandlerischen Songpoemen
eines Robert Wyatt („Shipbuilding“) oder aber von Tracy Thorn
und Ben Watts Band „Everything But The Girl“, Matthias Schriefl Was für ein „Kuddelmuddel“! Der junge Trompeter und
Flügelhornist Matthias Schriefl und seine vier gleichsam talentierten
Mitstreiter Jens Düppe (dr), Robert Landfermann (b), Johannes Behr
(g) plus Streichquartett meinen selbstredend das Kölner Durcheinander.
Im dortigen Klüngel sind sie zu Hause, stänkern gegen ignorante
Medien, einäugige Kulturpolitik und die Vorherrschaft der Erfahrenen
an und geben „Das, was hinten rauskommt“ zum Besten. Joe Lovano & Hank Jones: Kids „Mit Hank Jones zusammenzuarbeiten”, urteilte Joe Lovano, „war
für mich eine großartige Erfahrung“. So beschreibt der
Tenorsaxophonist sein Duo mit Hank Jones, dem 87-jährigen Grandseigneur
des Jazz-Klaviers. Ein knappes Dutzend legendärer Standards von
Berlin bis Monk haben die beiden auf Platte gebannt. Das Programm ist
Swing, Bebop und Blues. Das Titelstück verweist auf Thad Jones,
den jüngeren Bruder Hanks, von dem noch zwei weitere Stücke
interpretiert werden. „Kids“ als Motte soll die spielerische
Herangehensweise an die Musik verdeutlichen. Tatsächlich gehen die
beiden Protagonisten spielerisch mit dem Material um. Leichthändig überträgt
der Pianist die Big-Band-Passagen aufs Klavier und dem Saxophonisten
gelingt mit einer Eigenkomposition, die auf „Milestones“ aufbaut,
eine Hommage an Charlie Parker. Erst vor ein paar Jahren haben Hank Jones,
die Klavier-Legende, und Joe Lovano, der seit drei Dekaden zu den experimentierfreudigsten
und innovativsten Saxophonisten zählt, zueinandergefunden, vor allem
im Quartett mit den Veteranen George Mraz und Paul Motian. Der vorliegende
Live-Mitschnitt aus dem mit 140 Plätzen kleinsten Club des New Yorker
Lincoln Center, zeigt ein Duo in bester Form: lyrisch, spielfreudig,
entspannt. JazzKamikaze Als JazzKamikaze 2005 den internationalen „Young Nordic Jazz Contest“ gewann,
war das für viele eine Überraschung. Mit dem im Jahr darauf
erschienenen, erfrischenden Debütalbum „Mission I“ fanden
die fünf jungen skandinavischen Musiker dann auch in Deutschland
eine begeisterte Zuhörerschaft. Ähnlich quirlig geht es auf
ihrem zweiten, diesmal in New York aufgenommenen Album „Travelling
At The Speed Of Sound“ zu: JazzKamikaze werden durch ihren todesmutigen
Sprung ins Stil-Mischmasch ihrem Namen gerecht – ein rauer, abwechslungsreicher
Sound, scheinbares Chaos, das immer wieder in funkig-rockige Strukturen
mündet. Für nahezu klassische Elemente sorgt die Cellistin
Mairi Dorman-Phaneuf bei „Until The Sun Comes“ und auch Rapper „Big
D“ hilft beim Verwischen der Genregrenzen. Und ebenso wie die Musik
wird wohl die drollige Manga-Anmutung des Covers die Nicht-Puristen unter
den Hörern erfreuen. Chris Brown/ Fred Frith Ein elektrisch ziselierendes Geröll schiebt sich durchs Land. Ein
dichtes, stahlmaschiges Gewebe drängt als ganzer Wald, als Netz
abstrakt hinan. Pianotropfen fallen ohne Gravitation. Chris Brown und
Fred Frith zehren fürchterlich auf. Drücken entrückte
Träume in völlig kaputtes Gebiet. Leider bleibt Brown durchgehend
im hinlänglich bekannten gestischen Bereich eines zeitgenössischen
Tastenmusikanten. Zudem überträgt sich das verstimmte Klavier
gerne auf den Magen des Hörers. Etwas zu beliebig erscheint diese
Aleatorik. Auch dem Zufall gegenüber gilt es, sich mit straffer
Hand heranzufühlen. Aufnahmetechnisch ist das instrumentale Mobiliar
zu sehr in Hall gefasst, so dass die Musik nicht zutreffen kann. Es bildet
sich kein Meisterwerk. Unausgewogen, haben die Musiker die eigenen Stärken
nicht konsequent erkannt und zur Darstellung gebracht. Ein spontanes
Demoscheibchen. Gut, dass so etwas verlegt wird. Ulrich Gumpert Dieses Quartett sorgte 2005 zum JazzFest Berlin für Aufsehen, als
Ulrich Gumpert den Mangelsdorff-Preis verliehen bekam und aufspielte.
Herrlich ungezwungen swingt die Gruppe nun auf CD. Das alte Zentralquartett
ist nicht so fern. Immerhin zollt Gumpert mit drei Nummern Tribut an
die Weggefährten Baby, Luten, Conny. Die ersten Solonoten am Klavier
jedoch sind für Satie. Es gibt freundliche harmonische Wendungen. Überraschende
Rhythmik, abgehacktes Piano. Spröde das Saxophon, tief mit Stimme
durchdrungen. Jan Roders (bass) störrische Läufe bis zum gebrochenen,
berstenden Ton – natürlich mit Michael Griener (dr) im Verein,
da wo es fantastisch ebbt und jeglicher Taktakkord verschrubbt, bis zur
nächsten Hymne. Schmutzige Cluster perlen im Relief der Tastatur.
Eine zur Perfektion getriebene Ungenauigkeit im Anschlag. Solch ein Dreck
ist die wahre Unschuld im Jazz, der tief in die Geschichte dieser Musik
blickt. John Surman Spätestens mit seinem ambitionierten Chorwerk „Proverbs and
Songs“ (1996) hat John Surman seine Affinität zum klassischen
Formenkanon bewiesen. Nach „Coruscating“ 1999 legt der britische
Bariton-Saxophonist jetzt ein weiteres Werk vor, das zwei verschiedene
Welten zur Synthese bringt. Für Surman sind Klassik und Jazz keine
Gegensätze, trotz unverwechselbaren Personalstils. Kunstvoll kombiniert
er Improvisationen des Jazz mit den Streicherklängen des damals
ad hoc zusammengestellten und bis heute bestehenden „Trans4mation“-Quartetts.
Die 1999 erstmals erprobte Zusammenarbeit bewährt sich jetzt glänzend.
Die Streicher, in die improvisatorischen Abläufe integriert, bilden
mit dem Saxophonisten eine organische Einheit. Im gemeinsamen Spiel entstehen
hier oftmals Strukturen, die „The Space in Beetween“ lebendig
auffüllen. Surmans melancholische Lyrik findet in den tiefgründigen
Quartettsätzen ihren Widerpart. |
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